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ÁRSTIÐIR LÍFSINS – Hermalausaz (2023)
(8.683) Maik (8,1/10) Black Metal
Label: Ván Records
VÖ: 21.12.2023
Stil: Black Metal
„Ich hab Dir noch eine Black Metal EP in den Ordner gepackt“, schrieb mir unser Chefchen, und dergestalt meinte ich, das noch schnell mal so eben abhandeln zu können. Natürlich, zwei Songs im Ordner, und auch Metal Archives bezeichnet „Hermalausaz“ der Isländer ÁRSTIÐIR LÍFSINS als EP. Haha, schöner Joke zum Jahresende. Diese beiden Songs haben es nämlich in sich. Allein schon die Tatsache, daß beide über zwanzig Minuten lang sind, macht das jahresendliche musikalische Lebenszeichen der Band zu einem veritablen Langspieler.
ÁRSTIÐIR LÍFSINS, das heißt soviel wie die Jahreszeiten des Lebens. Da ich mich wohl gerade in meinem Herbst befinde, und den kalten Hauch des Winters schon ab und an in den Knochen fühle, bietet mir schon das frostig blaue Coverartwork ein Bild der Musik, die mich hier erwartet.
Die Eislandbewohner zelebrieren klassischen Black Metal, der von bollerndem Tempo über sägende Halbtonriffs bis hin zu atmosphärischen Parts die gesamte Bandbreite der schwarzmetallisch skandinavischen Tradition offenbart. In den beiden Songs passiert derart viel, man wird sozusagen ständig von einer Stimmung in die andere gezerrt. Dennoch verbleiben ÁRSTIÐIR LÍFSINS immer im Bereich des frostigen, bösartigen Black Metal.
Natürlich strapazieren derart lange Songs das Konzentrationspotential aufs Extremste, doch es lohnt sich auf jeden Fall, diesem Album mehr als nur teilweise Aufmerksamkeit zuzubilligen. An frühe SATYRICON könnte man sich ab und an erinnert fühlen, aber auch frühe EMPEROR oder IMMORTAL schimmern ab und an hervor. Da haben wir wuchtige Soundteppiche, die einen frostigen Hagel herabregnen lassen, wieder aufgelockert durch fast erhaben wirkende Instrumentalpassagen, aus denen dann wieder ein gänsehauterzeugendes Halbtonriff das Rückenmark in Vibration versetzt.
Da ich ja ein Faible für die skandinavischen Sprachen habe, insbesonders für das dem Altwestnordischen doch recht ähnliche Islensku, passt auch die Tatsache, daß ÁRSTIÐIR LÍFSINS in ihrer Muttersprache singen, wie der Troll auf die Felsenklippe. Und wenn ich die Augen schließe, fühle ich mich fast zurückversetzt in den Islandurlaub 2004, und Bilder von Thorsmörk und Thingvellir drängen sich mir förmlich auf. Und wenn eine sanfte Atlantikbrise über die schroffen Lavafelder zieht, und der Blick inmitten wärmender Sonnenstrahlen plötzlich auf einen Gletscher trifft, kann man sich recht gut in die musikalische Welt von „Hermalausaz“, was soviel wie ‚der Ruhelose‘ bedeutet, einfühlen. Denn gerade diese Ruhelosigkeit kommt in der Musik doch stark zum Tragen.
Dabei ist „Þistill“ insgesamt mit mehr getragenen und atmosphärischen Parts versehen als „Ýrr“, und wirkt allein dadurch etwas länger und auch um einiges melancholischer. Das soll aber nicht bedeuten, daß es in diesem Song nicht auch mal heftig zur Sache geht.
Denn selbst den getragenen Elementen wohnt eine gewisse Unruhe inne, die dann auch immer in darauffolgenden Ausbrüchen ihren Tribut fordert. Den astronomischen Winteranfang als Veröffentlichungsdatum für diese CD zu wählen, erscheint auch überaus passend. Die winterliche Verlangsamung des Lebens und die harschen Wetterphänomene dieser Jahreszeit werden durch diese Musik eindrucksvoll dargestellt.
Anspieltipp: „Ýrr“
Bewertung: 8,1 von 10 Punkten
TRACKLIST:
01. Ýrr
02. Þistill