TUSKA OPEN AIR METAL FESTIVAL 2016
01.-03.07.2016 @ Helsinki
Ein Anruf, ein Jubelschrei und eineinhalb Monate Wartezeit, bis ich im Auftrag von Berlins Rocksender Nummer 1, StarFM, exklusiv vom Tuska Open Air in Helsinki berichten durfte. Flug, Hotel und fast alles inklusive bedeutete bereits im Vorfeld, dass dies das wohl mit Abstand entspannteste Festival in diesem Sommer werden wuerde. Als es dann soweit war packte sich der Koffer quasi von alleine, die Tickets druckten wie von Geisterhand und im Flieger sitzend steigerte sich die Vorfreude fast ins Unermessliche. Grossartig ist dann natuerlich auch, wenn man im Flieger fast vis a' vis Behemoth gegenuebersitzt, die sich ebenfalls auf dem Weg in Richtung Finnische Hauptstadt befanden und ebenso wie meine Wenigkeit im Flugzeug das Rosinenbrötchen statt der Laugenstange auserkoren, was den Flugbegleiter zu der etwas aberwitzigen Aussage veranlasste, dass "alle Metaller wohl suess seien, denn alle hätten die Rosinenbrötchen- statt der herzhaften Variante gewählt". Dies wurde mit lautem Gelächter und diversen Pommesgabeln quittiert. Ein verheissungsvoller Start in das Abenteuer Tuska 2016.
Nach der Ankunft in Vantaa ging es dann mit dem Zug in Richtung Innenstadt, der mit 5€ im Gegensatz zum Taxi (der Gutste wollte knapp 40€ fuer knappe 15 Kilometer haben...) eine sehr kostenguenstige und vor allem entspannte Alternative bot. Danach wurden schnell die Klamotten ins Hotelzimmer gefeuert und der Weg in Richtung Festivalgelände fortgesetzt. Bei der Fahrt mit den Öffentlichen, welche in Helsinki wirklich super ausgebaut sind, stellten wir schnell fest, wie nett, freundlich und zuvorkommend die Finnen sind, denn ueberall wurde uns undefinierbarer Schnapps und nette Gespräche angeboten, die wir beide dankend annahmen und uns freuten, noch mehr davon im Laufe des Tages abzubekommen.
Nach einem kurzen Fussmarsch und der bitteren Erkenntnis, dass ein halber Liter Bier auf dem Gelände mit "günstigen" 7€ zu Buche schlugen, erreichten wir mit Cattle Decapitation die erste Band, die meines Erachtens nach viel zu früh in diesem hochkarätigen Billing verheizt wurden. Dennoch ließen sich die Jungs aus San Diego nicht davon abhalten, eine energetische und aggressive Show auf die Bühne zu zaubern, wobei einmal mehr Drummer David McGraw mit seinen pfeilschnellen Hyperblast-Attacken für offene Münder sorgte. Auch Travis Ryan war in Höchstform, growlte, shoutete und sang sich durch leider viel zu kurze 50 Minuten, die allerdings weit von Langeweile entfernt waren und somit den perfekten Auftakt für ein spektakuläres Wochenende bildeten. Wer diese Weirdos noch nie live gesehen hat, hat definitiv einen Auftrag zur Nachholung.
Nachdem wir dieses Inferno überlebt hatten, ging es erst einmal auf eine kleine Erkundungstour um das Gelände, welches eingebettet in einem Industriegebiet mit dem im Logo des Festivals verewigten, stillgelegten Gasometers eine rundum passende Kulisse für das Schmerz-Festival (Übersetzung von Tuska) bildete. Dazu schien die Sonne, die Leute waren allesamt großartig bei Laune und ähnlich wie bei anderen Grossveranstaltungen dieser Art in Deutschland, rannten auch einige bunte Vögel umher, die mit Gleichgesinnten um den Profilneurosen-Pokal 2016 wetteiferten. Merkwürdig für deutsche Verhältnis war allerdings, dass man keinerlei alkoholischen Getränke mit vor die Bühne nehmen durfte, sondern diese nur in abgetrennten Bereichen konsumieren durfte, was später bei Kverlertak schon etwas merkwürdig aussah, war direkt vor der Bühne noch genügend Platz, die Norweger ausgiebig abzufeiern, während in den Alko-Areas sich die Menschen stapelten. Sehr kurios!
Musikalisch wurde es danach etwas entspannter, was nach dem Deathgrind Massaker der Amis vorher auch kein grosses Wunder darstellte, denn die Niederländer von Delain enternten die Zeltbuehne, Helsinki-Stage genannt, und konnten akustisch bei den zahlreich Anwesenden kräftig punkten. Das Stageacting von Frontfrau Charlotte Wessels war nett anzusehen und auch die Band riss einiges, mir persönlich war das allerdings ein wenig zu viel Tralala, welches ich dann auch nach dem vierten Song abbrach, um in der wunderschönen Halle, genannt Inferno Stage, den Finnen von Whorion mit ihrem grandiosen Mix aus Black und Death Metal ein wenig Respekt zu zollen. Klar hatten die Jungs aus Suomi hier ein Heimspiel und wurden demnach auch, völlig zurecht, von ihrem Landsleuten gnadenlos abgefeiert und bedanken sich mit einer klasse Performance, die allerdings nach lediglich 30 Minuten bereits beendet war. Schade, hätte durchaus auch mehr sein können. Unbedingt weiter beobachten.
Im Vorfeld wunderte ich mich schon ein wenig, warum Swallow the Sun an allen drei Tagen spielen sollten, doch nach genauerer Recherche erfuhr ich, dass die Finnen ihr im letztes Jahr veröffentlichtes Tripple Album "Songs from the north" in Gänze performen würden, was natürlich an einem Tag kaum zu bewältigen wäre und man somit alle drei Teile auf 3 Tage verteilte. Grandiose Idee, die auf und vor der Bühne auch riesigen Anklang fand. Natürlich wurde auch hier der Lokalpatriotismus mehr als deutlich, wovon sich Frontmann Mikko Kotamäki anstecken lies und eine grandiose Performance bot, was bei dem ansonst auf der Bühne recht reserviert wirkenden Sänger mehr die Ausnahme von der Regel darstellt. Klasse und ein Vorgeschmack auf die beiden noch folgenden Auftritte.
Leider fiel dieser tollen Geschichte der Auftritt der Libanesen von Blaakyum etwas zum Opfer, denn ich sah lediglich 2 Songs dieser fantastischen Kapelle, die allerdings vor einer pickepacke vollen Inferno Stage einen klasse Auftritt hinlegten und ihre Einladung nach Finnland mehr als rechtfertigten. Dass wir in den nächsten Tagen noch etwas Zeit mit den Jungs verbringen sollten, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Witzig ist die Tatsache schon, dass man eine deutsche Band erstmals in Finnland zu Gesicht bekommen würde, doch im Falle von Mantar ergab es sich einfach im Vorfeld noch nicht und somit freute ich mich wie ein Schneekönig, das Duo aus Bremen/Hamburg mit ihrem gerechterweise zum Album der Woche bei uns gekrönten Meisterwerk "Ode to the flame" endlich live begutachten zu dürfen...und es lohnte sich mehr als erwartet, denn Hanno und Erinc machten Späne ohne Ende und konnten mit ihrer Mischung aus Black Metal und Punk die zahlreich erschienenen Massen komplett begeistern. Es ist schon ein Wahnsinn erleben zu dürfen, dass es nicht mehr als 2 Mann benötigt, um einen aggressiven und energiegeladen Gig auf die Beine zu stellen, der dann, trotz einiger kleiner technischen Einschränkungen, zum Besten gehörte, was ich in letzter Zeit erleben durfte. Von daher vergingen die 45 Minuten wie im Fluge und bestätigten meine im Vorfeld mehrfach geäußerte Freude mehr als zur Genüge.
Es ist erstaunlich, dass eine Band, die NICHT als Headliner auftritt, eine solch exorbitante Bühnenshow aufziehen kann, wie es bei Lordi nun der Fall war. Klar kann man die Finnen lieben oder hassen, darf dabei aber nicht vergessen, dass Tomi Putaansuu aka Mr.Lordi einfach eine geniale Showband ist, die unter ihrer genialen Maskerade bei den fuer Finnland eher untypischen Temperaturen durchaus dem Hitzetod näher als dem Leben waren. "Bringing back the balls to rock" mit der Textzeile "Hail in the name of Rock'n'Roll" war dann auch der Startschuss in fulminante 60 Minuten, die vor Kurzweil nur so strotzten. Da wurden Zombies geknutscht, Mumien exhumiert, Leichen mit der Motorsäge zerteilt und nebenbei dem Metal gehuldigt, dass es eine wahre Wonne war. Als dann letztendlich das unverzichtbare "Hard Rock Halleluja" erklang, mit dem die Finnen vor 10 Jahren mit dem grössten Abstand aller Zeiten den Eurovision Song Contest gewannen und der Chef auch noch exakt den gleichen finnischen Zylinder auf dem Kopf trug wie damals bei dem fulminanten Erfolg in Athen, gab es im Publikum kein Halten mehr und man konnte mit Fug und Recht behaupten: Lordi? Spiel, Satz und Sieg!
Nun folgte allerdings die derbste Enttäuschung, denn die von mir so verehrten Kverlertak erwischten einen rabenschwarzen Tag und einen absoluten Müllsound, der den Gig der Norweger zu einer fast unerträglichen Angelegenheit machte. Der Masse war es vollkommen Pelle und somit wurden die Mannen aus Stavanger nach allen Regeln der Kunst abgefeiert, was mir leider an diesem Tag unerklärlich war. Oder lag es doch am Bier?
Nach diesem akustischen Totalausfall hatten Testament nun den Auftrag, mir wieder ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, was der Bay Area Legend spielend gelang. Klar, wenn man gleich mit "Over the wall" in einen einstündigen Best-of Set einsteigt, welcher keinerlei Wünsche offen lies. Chuck Billy war grandios in Form, Alex Skollnick brillierte mit tollen Soli und Drumgott Gene Hoglan peitschte die Bande mit seinen Schlägen unablässig nach vorne. Der Moschpit war in ständiger Bewegung, die Meute drehte Runde um Runde, was den Pomo-Indianer am Mikro mehr als einmal zu Lobeshymnen hinriss. Testament kamen, spielten und rissen alles nieder. Grossartiger Auftritt!
Kann man bei Behemoth irgendetwas falsch machen? Natürliczh nicht und somit hatten Nergal und seine Banausen leichtes Spiel und zerlegten das Zelt vollständig. Ich selbst sah mir allerdings nur 3 Songs an, da ich die Bande in der letzten Zeit zu häufig gesehen habe und schlenderte entspannt in Richtung Inferno Stage, um der finnischen Starkstromkapelle Beast in Black meine Aufwartung zu machen, die vor einem krachendvollen Haus eine amtliche Breitseite abfeuerten und deren Landsleuten alles abverlangte. Ich hatte Truppe gar nicht mal so auf dem Zettel, werde dies aber nach diesem grandiosen Auftritt unbedingt nachholen.
Eigentlich dachte ich immer, dass der Finne eher den richtig harten Klängen zugetan wäre, doch kurz bevor Avantasia die Buehne betraten, war es vor der Radio Rock stage gerappelt voll, was Tobi Sammet und seine Bagaluten zu einer mehr als amtlichen Metal Show hinreißen lies. Klar...man muss sich schon auf die Truppe einlassen können und darf die nicht unbedingt im Vorbeigehen inhalieren. Wenn man dies tut, wird man perfekt unterhalten und darf solch tollen Gastsängern wie Michael Kiske und Ronny Atkins lauschen, die zusammen mit dem Rest der Band ihrem Headliner Status vollends gerecht wurden.
Nun war aber Schicht und wir schleppten uns, vollkommen geschafft, ins Hotel und begaben uns in Morpheus Umklammerung, aus der wir uns erst nach 8 Stunden wieder befreien konnten. Achja...die Sonne ging erst gegen halb eins Nachts endlich hinterm Horizont zur Ruhe. Doof sowas...