TUSKA OPEN AIR METAL FESTIVAL 2016
01.-03.07.2016 @ Helsinki
Es durchaus eine feine Sache, wenn man bei suptropischen Zimmertemperaturen eine Klimaanlage sein Eigen nennen darf. Wenn man allerdings morgens mit einem Eiszapfen an der Nase erwacht, relativiert sich diese Freude schnell. Also erstmal heiß geduscht, lecker und fett (wichtig als Grundlage, denn die Finnen können saufen, als ob es kein Morgen gäbe) gefrühstückt und langsam in Richtung Gelände aufgemacht, ohne dabei einen kurzen Abstecher in einen kleinen aber feinen finnischen Pub zu machen, in dem der Pint (also etwas mehr als ein halber Liter) mit 4€ für finnische Verhältnisse geradezu ein Schnäppchen darstellte. Da dieser ebenso über einen Fernseher verfügte, sollten zumindest am Abend die letzten Minuten des deutschen Viertelfinales gegen Italien drin sein, oder?
Nach dem die ersten drei Mittagsbierchen verhaftet wurden, lauschte ich auf dem Platz den Klängen der heimischen Lokalhelden von Brymir, die mit "Slayer of gods" gerade nicht nur ein bärenstarkes zweites Album veröffentlicht haben, sondern auch genau wussten, wie sie dieses gekonnt in Szene setzen konnten. Der angeschwärzte Symphonic Metal, der irgendwo in die Richtung neuerer Dimmu Borgir ging, kam bei den Landsleuten mächtig gut an und obwohl vor der Bühne noch nicht die Massen versammelt waren, konnte das Sextett mehr als nur den obligatorischen Höflichkeitsapplaus abernten. War stark und machte Lust auf mehr.
Einmal Doom, immer Doom und obwohl das Debüt von With the dead bei uns in der Redaktion keine allzu großen Begeisterungsstürme auslöste war ich doch gespannt, was der ex-Cathedral Mastermind Lee Dorian dort zusammen mit seinen Mitstreitern auf die Bühne zaubern würde. Leider war es wie erwartet eine mehr als zähe Angelegenheit, doch das finnische Publikum zollte auch jenen Respekt und Anerkennung, die selbst nicht ganz so auftrumpfen konnten wie beispielsweise andere. Überhaupt muss ich die Finnen mal loben, denn jede Band wurde abgefeiert, ob sie nun gut oder schlecht war. Da sollten sich mal einige in Deutschland Gedanken darüber machen. With the dead? Naja...next.
Primordial sind irgendwie ein Dauerbrenner bei mir, habe ich Alan und seine Kollegen schon mehr als drölfzig Mal zu Gesicht und Gehör bekommen, doch Langeweile kam da nie auf. So auch heute nicht, denn die Iren (scheinbar genesen von ihrem recht frühen EM Aus) wussten exakt den Nerv der nun etwas zahlreicher vor der Bühne befindlichen Liebhaber gitarrenorientierte Unterhaltungsmusik zu kitzeln und punkteten bei mir noch zusätzlich, als mein Lieblingssong "As Rome burns" ins weite Rund geschmettert wurde. Ganz stark, doch meines Erachtens etwas zu früh im Billing. Da wäre ein späterer Slot durchaus wünschenswert gewesen.
Nun war leider ein klein wenig Leerlauf angesagt, denn die von mir so sehnlichst erwarteten Tsjuder waren leider nur ein Schatten ihrerselbst und konnten lediglich damit punkten, dass jeder Song so klang wie der davor. Jaja, true norwegian Black Metal kann ja durchaus ne feine Sache sein, aber wenn man 45 Minuten lang permanent das Gefühl hat, Nachbars Rasenmäher steht direkt an deinem Gehörgang, vergeht einem irgendwann die Lust. An einer Steigerung der Laune konnten leider auch Crimson Sun nicht mitwirken, wobei der moderne Metal durchaus was prägnantes hatte und die Band mit Sini Seppälä eine echte Augenweide in ihren Reihen wähnt, die aber das Gefühl der schleichend aufkommenden Langeweile auch nicht beheben konnte. Dann doch lieber ein Bier fuer 14 Euro geöffnet und sich das flüssige Gold langsam in den Schlund gekippt, was bei der nun folgenden Band auch bitter nötig war.
Turmion Kätilöt standen nämlich nun auf dem Programm und wer von der Finnischen Chaoskapelle noch nie vorher was gehört hat, sollte es vielleicht auch gleich bleiben lassen. Geschminkt wie die Übelsten der Üblen (also BM technisch gesehen), aber musikalisch irgendwo was zwischen gaaaanz ueblen Rammstein, Hämatom oder Megaherz nervten die Bengel ohne Ende, doch für die Eingeborenen der finnischen Hauptstadt schien dies die Offenbarung schlechthin zu sein, feierten sie die Burschen nach jedem Song frenetisch ab. Ich fands einfach nur grausam und furchtbar und zog das kleinere Übel namens Mörket vor, die mit ihrem räudigen Sound eine Menge Charme versprühten und mich zumindest kurzweilig gut unterhalten konnten. Dennoch wurde es nun langsam mal wieder Zeit für ein Highlight, welches ich dann auch prompt serviert bekam.
Mit ihrem überragenden aktuellen Album "Grey heavens" im Gepäck konnten nämlich Omnium Gatherum auf ganzer Linie abräumen und verwandelten die Helsinki Stage in einen Hexenkessel. Die Fans gingen komplett steil und die Band lies sich davon anstecken und zeigte eine großartige Performance und hatten im Gegensatz zu einigen anderen Combos auf der Zeltbühne, einen mehr als amtlichen Sound, bei dem alle Instrumente und der großartige Gesang von Jukka Pelkonen mehr als gut zu hören waren. Das machte Spaß und Laune und bescherte somit den Finnen bei mir den internen Titel als "zweitbeste Band des Tages".
Den hätten die Deutschen von Obscura vielleicht auch gerne für sich beansprucht, doch im Gegensatz zu den erneut applaudierfreudigen Finnen konnte ich live mit der Truppe erneut überhaupt nichts anfangen und muss leider Clemens harsche Kritik zum neuen Album so unterschreiben. Das geht nicht ins Ohr und animiert zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise zum mitwippen eines einzelnen Zehs. Somit checkte ich an der Inferno Stage die finnischen Melodic Death Metaller von Embreach aus, die von Aussehen zwar eher in eine Philosophie Vorlesung gepasst hätten, musikalisch aber durchaus zu gefallen wussten. Muss ich mich wohl mal näher mit beschäftigen.
Eigentlich sollten nun Havok erneut fuer einen Synapsentanz bei mir sorgen, doch der Slot wurde kurzfristig mit den Doom Metallern von Lord Vicar getauscht, die durchaus zu gefallen wussten, mich aber nicht ganz abholten, womit ich einen Trip zur Helsinki Stage vorzog, um dort der finnsichen Hardrock Legende von Thunderstone meine Aufwartung zu machen, die das komplette Zelt auf ihre Seite zog und trotz des fortgeschrittenen Alters einiger Bandmitglieder wirklich mächtig Arsch traten. Definitv ein Leckerli und der perfekte Anheizer für die von mir sehnlichst herbeigesehnten Anthrax, die nun auf der Hauptbühne für Bewegung im Pit sorgen sollten. Vorher gab es allerdings noch für 8€ die wohl teuersten Pommes aller Zeiten, die nicht nur scheiße aussahen, sondern leider auch so schmeckten.
Leider scheint es mir nicht vergönnt, die Mosh-Könige mal bei einem Open Air im Trockenen zu erleben, denn pünktlich zum dritten Song schien es Petrus zu viel geworden zu sein und es ergoss sich ein fetter Regenguss über dem Gelände, wobei die Tropfen so dick wie Jogi Löws Eier zu sein schienen. Es pladderte wie Sau, doch der gemeine Finne schien drauf zu scheißen und feierte Anthrax komplett ab. Der Pit war ständig in Bewegung, was die Band auf der Bühne zusätzlich anstachelte und somit eine mehr als energetische Performance gesichert war. Mir war leider ein klein wenig zu viel neues Material im Set, doch wenn man mit "Indians", "Caught in a mosh" oder "I am the law" solche Klassiker sein Eigen nennt, kann man über diesen kleine Fauxpas auch mal das Mäntelchen des Schweigens decken. Nach 65 Minuten war dann pünktlich Schluss, die Leute nass bis in die Arschritzen, aber scheinbar zufrieden und glücklich.
Da es an der Inferno Stage, in einer wunderschönen Halle gelegen (erwähnte ich das schon?) Temeperaturtechnisch etwas an Venezuela im Hochsommer erinnerte, trockneten die Klamotten (zumindest vom Wasser) relativ zügig, doch nach dem Thrash-Inferno von Havok war erneut alles nass...doch diesmal vom Schweiß, denn wer den Colorado Vierer schon einmal erleben durfte weiß genau, was da abging. Leider erneut mit einigen soundtechnischen Problemen behaftet (wie bei vielen anderen Bands in der Halle) gab es einen rifftechnischen Tritt in die Fresse, dass es eine wahre Wonne war. Die Halle drehte jedenfalls komplett frei und bescherte somit den Jungs einen Auftritt, an den sie sich noch lange erinnern werden. Spiel, Thrash und Sieg! Achja...auf der Zeltbuehne performten parallel Stam1na, die scheinbar sowas wie Megastars in Finnland sind, denn das Zelt platzte aus allen Nähten, was nicht unbedingt den beschissenen Wetter draußen geschuldet war, denn hier wurde jeder Song textsicher mitgebruellt. Meins war's jedenfalls nicht.
Mehr als pünktlich betraten dann DIE Headliner die Bühne, auf die das Volk scheinbar mehr als sehnsüchtigt gewartet hatten, denn trotz der immer noch widrigen Wetterverhältnisse wurde Ghost nicht nur abgefeiert, ihnen wurde gehuldigt! Als dann mit "Spirit" der erste Song aus der PA schallte, drehte der Platz komplett durch und ebnete den okkulten Maskenträgern den Weg zu einem triumphalen Gig, wie ich ihn schon seit längerem nicht mehr erleben durfte. Eine grossartige Setlist, ein toller Sound und Gänsehaut ohne Ende, als Papa Emeritus III mit "He is" mein derzeitig absolutes Lieblingslied in die Nacht von Helsinki entlies. Eineinhalb Stunden Magie pur und ein grandioses und unvergessliches Erlebnis, welches nur noch danach durch das Elfterschießen von Deutschland gegen Italien getoppt wurde, aber das ist eine andere Geschichte.
Danach ging es noch auf eine Aftershowparty die damit endete, dass ich a) keinerlei Ahnung mehr hatte, wo ich mich überhaupt befand, b) ich einen arschvoll neuer Leute kennenlernte und c) feststellte, dass der gemeine Finne alles säuft, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Genialer Abend, der allerdings am nächsten Tag für ein schmerzhaftes Erwachen sorgte.