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FINSTERFORST - Jenseits (2023)

(8.476) Olaf (10/10) Pagan / Blackforest Metal


Label: AOP Records
VÖ: 08.09.2023
Stil: Pagan/Blackforest Metal






Eigentlich sind wir reviewtechnisch ja noch voll im August verhaftet, doch da ich in zwei Wochen meinen wohlverdienten Urlaub antreten werde, muss ich mich halt noch mit den Klumpen beschäftigen, die während meiner Abwesenheit das Licht der Welt erblicken werden. Dazu kommt der Umstand, dass ich eh großer Fan der Musik von Finsterforst bin und einfach nicht glauben konnte, dass die Jungs den Vorgänger „Zerfall“ jemals würden toppen können, womit ich so falsch lag wie das amerikanische Volk, als es den Donald zu ihrem Anführer wählte.

Dementsprechend änderte ich meine To-Do-Liste und zog diese EP den anderen Scheiben vor, da ich meiner Begeisterung einfach Ausdruck verleihen musste und nicht mehr warten konnte, „Jenseits“ mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ zu verzieren.

Finsterforst haben schon immer gute Musik gemacht, mich mit ihren tiefsinnigen Texten begeistert, mich live mit auf eine musikalische Reise genommen und stets konnte man das Zeug des Sextetts blind kaufen, ohne auch nur einen Funken enttäuscht zu werden. Wie soll ich da noch den Bogen spannen zu diesem 4-Tracker, der die Krönung der Schaffensphase der Band darstellt, das schwarze Album, das Juwel in einer unfassbaren Discographie und vor allem das musikalisch und lyrisch mit weitem Abstand überragendste Output einer Truppe, die eigentlich schon längst ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland innehaben? Schwierig…

Musikalisch hat sich eigentlich nicht all zu viel verändert, doch irgendwie drückt die Produktion aus dem bekannten Iguana Studio noch mehr nach vorne, gibt den Instrumenten noch mehr Raum, setzt die Stimme von Frontmann Olli wohltuend aber nicht anbiedernd in der Vordergrund, was bei dem lyrischen Konzept des in vier Akten aufgeteilten „Jenseits“ notwendig ist, denn daran krankte es in der Vergangenheit schon manchmal, wenn man ihn halt nicht komplett verstand. Heuer ist es allerdings so, dass man vom ersten Takt an der Lyrik des schwarzwaldiranischen Exil-Berliners seine helle Freude hat.

Da wird einerseits viel angeprangert, Weltschmerz herausgelassen, Corona und seine Folgen auf die Menschheit, die gesamte Zivilisation angeprangert und wenn man denkt, dass sich Ollis Texte in eine positive Richtung drehen, wird dieser Gedanke sofort wieder pulverisiert und alles schwarz gefärbt. Hoffnung? Kaum vorhanden und wenn der Fango-beschmierte Sympathikus mit seiner Bande im Chor singt:

Heutzutage sind alle bedeutsam.
Es zählt jede Stimme, niemand bleibt je zurück.
Die Zukunft der Menschheit, so hell wie die Sonne,
ein Leben in Freiheit und Frieden auf Erden…“


Wird dieser positiv erscheinende Aspekt mit einem…

Utopia

…sofort eingeäschert. Ich kriege bei dem Text, bei der Musik, mit der sich Finsterforst eh mittlerweile auf gänzlich eigenen Pfaden befinden und sich nicht mit anderen Bands vergleichen lassen, eine Gänsehaut, mit der man italienischen Hartkäse reiben kann. Der „Human Nicer Dicer“ sozusagen.

Die Chöre sind brillant inszeniert, die etwas Metal-untypischen Instrumente bekommen ebenso ihren dezenten Raum, wobei gerade die an Ian Anderson erinnernde Querflöte beim 15-minütigen Übersong „Katharsis“ allen anderen die Schau stiehlt. Doch man darf bei diesem Meisterwerk nichts in den Vordergrund stellen, denn es ist das Gesamtpaket aus brillanter, knüppelharter, abwechslungsreicher, schwarz angemalter Musik, die trotz ihrer einmal mehr exorbitanten Länge keinerlei Langeweile aufkommen lässt, sondern dazu einlädt, auf akustische Entdeckungsreise zu gehen.

Ob regulärer Metaller, Düsterheimer, Thrasher oder was-weiß-der-Fuchs (frage ihn bei Gelegenheit) werden an diesem überragenden Meisterwerk ihre Freude haben, viel entdecken und sich beim Schließen der Augen, dem Fallenlassen und dem Eingehen auf eine musikalische Reise in dunkelschwarze Tiefen des als Schwarzwald getarnten Verstandes hoffentlich ähnliche Gefühlswallungen wie ich bekommen. Musik, die mich berührt, die mich traurig und glücklich macht. Unglaublich!


Bewertung: 10 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Kapitel I: Freiheit
02. Kapitel II: Dualität
03. Kapitel III: Reflexionen
04. Kapitel IV: Katharsis




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