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Drei Dinge begrüßten mich am Samstagmorgen. Zum einen eine recht grummelige Lebensgefährtin (wobei das noch freundlich ausgedrückt ist), ein enormer Nachdurst und eine Birne, die von hier bis Feuerland Mitte reichte.
Ja, die typischen Nachwehen eines Tages beim Stromgitarrenfest. Also galt es nun erst einmal die Holde zu besänftigen (was bis in den späten Abend dauerte) und den Tag mit einigen Ibus halbwegs erträglich zu machen. Nur gut, dass ich heute Fahrdienst hatte und somit zu keinem Zeitpunkt Gefahr lief, erneut alkoholtechnischen Schabernack zu betreiben.
Vor Ort erntete ich jedenfalls einen ganzen Sack voll verdutzter Gesichter, als ich permanent Tomatensaft PUR bestellte, alle aber im Glauben ließ, es wäre einfach ein großer Totmacher. Selbst unser lieber Freund Migosch,, in der Frühphase des Abends schon wie ein Franzose im gesetzten Alter riechend (Pernöchen sei Dank…), konnte es nicht glauben, nippte dran und stellte fest: Sowas kann und darf man nicht trinken!
Egal, denn mit freier Birne lässt sich solch ein musikalisch anspruchsvoller Abend einfach besser genießen, was ich sofort bei den Crustpunx von Bastard Royality merkte, die ich zwar namentlich irgendwo schon mal gehört hatte, im Vorfeld aber nicht wusste, was mich erwarten würde. Machen wir es kurz: Als Opener waren die Jungs komplett verschwendet…die hätten viel höher spielen MÜSSEN! Was für eine akustische Schlacht, die keinen Stein auf dem anderen ließ und mir die langsam abschwellende Birne komplett freiblies.
Das war rasender Crustpunk, wie ich ihn schon Ewigkeiten nicht mehr gehört habe und dementsprechend feststellte, dass ich das unbedingt mal wieder machen muss. Der Sound war fett wie ein Stück Palmin, die Performance schön räudig und die Band in absoluter Spiellaune.
Das ging mir ins Bein und prompt verschüttete ich die Hälfte meines dickflüssigen roten Getränks. Die Bande muss ich mir unbedingt mal in meine Playlist schaffen. War das geil!
Wenn man Alben wie „Euthanasie goreng“ und „Redneck rumble“ sein Eigen nennt darf man als Unwissender davon ausgehen, dass man bei Band Zwei des Abend durchaus Laune bekommen könnte. Und ja, dem war so und ich war überrascht, dass ich an vorderster Bühnenfront Chicken entdeckte, der ja schon als Barde mit Islay das SGF in der Vergangenheit unsicher machte. Dennoch hat der Sound von Home reared Meat so gar nichts mit dem Whisky geschwängerten Todesblei der Ostfriesen zu tun, sondern ist vielmehr ein herrlich depperter Death | Grindcore Eintopf, der einem den Rost aus den Gliedern schüttelt.
Zwei Frontmänner, die abwechseln hin und her prollten, dazu elegant gekleidet in einer Jeans Hotpants, bei der man minütlich damit rechnen musste, ein Testikel des singenden Fellmützen-Hoschis zu Gesicht zu bekommen. Natürlich konnte man da nicht wegsehen und meine Frau, mittlerweile „entgrollt“, schwang munter das Tanzbein und bestückte ihren Kleiderschrank mit einem Leibchen der sich auf der Bühne austobenden, ostfriesischen Rednecks. Ich muss mal Markus fragen, wo er diese Chaoten ausgebuddelt hat…die waren nämlich auch verdammt großartig!
Nun wurde es Slammig denn die Slowaken von Anime Torment sollten zum Tanztee intonieren, hatten aber vor und vor allem während des Gigs immer wieder mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das hatte zur Folge, dass sich das Interesse merklich abkühlte und die Jungs irgendwie zeitweise die Halle leerspielten. Naja, vielleicht nicht leer, aber es waren gewaltige Lücken im Publikumsbereich zu erspähen, die sich nicht kaschieren ließen.
Ich konnte das aber durchaus nachvollziehen, denn nach dem Heidenspaß, den man mit den beiden vorher spielenden Bands hatte, wirkte das Alles etwas steif und wenig originell, obwohl ich die Truppe mit ihrem letzten Album „Void terror“ über den grünen Klee gelobt und mich auf die bühnentechnische Umsetzung gefreut hatte. Aber die Band ist noch jung und wird mit größter Sicherheit ihren Weg gehen und auch ich werde ab und an mal wieder vorbeischauen.
Das kann ich von Kraanium nicht behaupten, denn Slam Death, egal wie gut er auf die Bühne gebracht wird, ist einfach nicht mein Gusto. Ebenso wenig wie die Shirtmotive der ursprünglich in Finnland gegründeten Truppe, die nunmehr über den ganzen Erdball verstreut ist. Aber scheinbar war ich einer der Wenigen, der diese Meinung hatte, denn der Fünfer fand regen Zuspruch der Zuschauer, die aus ihrer Zuneigung zu diesem rohen Stück Musik keinen Hehl machten.
Ok, schlecht war das wirklich nicht, doch nicht das, was bei mir auf dem täglichen Speiseplan steht, womit für mich nach kurzer Zeit klar war, dass ich mal frische Luft schnappen wollte (natürlich nicht ohne meinen Tomatensaft), um kurz darauf festzustellen, dass ein etwas speckig anmutender Typ mit seinen Dauerflatulenzen scheinbar etwas dagegen hatte. Was für ein nerviger Geselle.
Nun war aber die Zeit gekommen, um einen alten Gast und Freund des Stromgitarrenfestes willkommen zu heißen, denn Malignant Tumour genießen bei dieser Sause Kultstatus und haben sich bei ihren bisherigen Auftritten eine beachtliche Fanbase erspielt. Ihr räudiger Hardrock, der schon teilweise in thrashige übergeht, war scheinbar genau das, was die Zuschauer nun brauchten. Der Mob war in Rage und die Band ließ sich nicht lumpen und spielte einen repräsentativen Querschnitt aus ihrer bisherigen Schaffensphase.
Auch wenn das letzte Album des Quartetts mittlerweile auch schon 6 Jahre auf dem Buckel hat, macht es immer noch Spaß, Bilos und seinen Rabauken das Ohr zu leihen. Die Tanzbeine flogen nur so durchs Orwo Haus und alle hatten ihren Spaß. Das merkten die Protagonisten auf der Bühne auch und wurden durch die Euphorie Welle immer weiter angestachelt. Der Sound war wuchtig, vielleicht ein wenig zu höhenlastig, doch das störte so gut wie niemanden. Tja, wenn man sich diese Band ins Billing holt, macht man absolut nichts falsch und somit avancierten MT zu einem der absolute Gewinner des Wochenendes.
Wer bis dahin noch nicht kacken war, sollte sich nun beeilen, denn wer man schonmal einem Gig von Gutalax beigewohnt hat, wird wissen, dass die Kackpappe kurz vor einem Auftritt der Tschechen zur Mangelware mutiert. Dementsprechend flog beim ersten Ton bereits das recycelte Einlagige durch den Raum und alle wurden darin eingewickelt. Doof nur, wenn man die großen Industrierollen als Ganzes durch den Raum wirft, diese sich nicht entrollen und man somit beim Auftreffen das Gefühl hatte, man bekommt einen Autoreifen an die Omme.
Von all dem aufgestachelt legten die Grinder wie immer eine großartige Performance an den Tag, röhrten sich durch ihre grandiose Hitpalette und zogen alle Anwesenden in ihren Bann. Selbst Christian, sonst eher den gediegenen Melodien zugetan, machte aus seiner Begeisterung keine Mördergrube. Wie kann man sich auch dem Klo-Charme des Quartetts entziehen? Ich jedenfalls grinste einmal mehr während des gesamten Gigs und freute mich zum Schluss noch über einen megageilen Hoodie, der für gerade einmal 30 Euronen in meinen Einkaufsbeutel wanderte.
Leid taten mir lediglich die fleißigen helfer, die nach diesem erneut fulminanten Auftritts von Gutalax die Aufgabe hatten, die Rest und Spuren des Auftritts zu beseitigen. Danke an das SGF, die eine meiner Lieblingsbands aufs Billing holten.
Es war ein verdammt schönes und intensives Wochenende mit vielen Gesprächen, mit Freunden und mit extrem guten Bands. Es freut mich ungemein, dass die Brutz & Brakel Crew wieder einmal so einen großartigen Job abgeliefert haben, man sich sofort wohlfühlen, auch wenn das Orwo Haus nicht der Hof 23 ist. Es war Spaß pur mit guter Musik und einem komplett verkaterten Tag. Ich freue mich sehr auf eine erneute Auflage in 2023.
Mein Dank geht an dieser Stelle noch raus an den Kollegen Christian Schlieker, der uns seine Fotos zur Verfügung stellte. Wenn Ihr mehr von seiner Arbeit sehen wollt, surft bei https://fotoblog.chrof.de/ vorbei, es lohnt sich. Wir sehen uns nächstes Jahr!