TAG 1 | TAG 2
Wie es der Brauch am Mühlteich will, klettert man morgens verkatert aus den Federn, um sich dann mit einigen Gleichgesinnten gleich den nächsten Glimmer anzueignen. So saßen wir eine ganze Weile zusamen mit Schrod bei Macbeth Olli vor seinem Wohnmobil, laberten drei Meter Quark und freuten uns auf Tag 2, der dann auch pünktlich und vor allem laut eingeläutet werden sollte.
War am Vortag für die Schwarzmetaller nichts im Angebot, sollte der Fan des Black Metals nun eine mit der Eisenwurz übergezogen bekommen, denn die aus Mylau stammenden Sachsen von Thronecult bliesen
zur Attacke und eine nicht unerhebliche Anzahl an Leuten fand sich zu solch früher Stunde ein, um dem blutbesudelten Quartett seine Aufwartung zu machen.
Ich bin ja prinzipiell nicht so Fan dieses Musikstils, wurde aber bei dem Gig, der natürlich zum Großteil aus Songs des aktuellen Albums „Essence of eternity“ bestand, durchaus gut unterhalten. Gerade „Temple of the blazing Eye“ oder „Lightbringer“ sind richtig feine Brocken verdorbenen Fleisches, die sich in den Synapsen festkrallen und dort erhebliches Unheil anrichten. War wirklich ok, auch wenn es weiterhin nicht mein Cup of tea ist.
Wenn man über DDR Metal unterhält, fällt irgendwann unweigerlich der Name Moshquito, die seit 1987, als Nachfolgeband der vorher 5 Jahre aktiven und aufgrund staatlicher Repressalien zu Grabe getragenen Argus, die Menschen mit feinstem Thrash Metal die Flöhe aus dem Pelz pusten.
Auch heute ließen sich die Urgesteine des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates nicht lumpen und klatschten den Leuten herrlich speedigen Thrash in die noch verklebten Lauschlappen, wobei sich die Songauswahl auf neueres Material der 2008er Scheibe „Behind the mask“ und dem letzten, 2019 veröffentlichten „Far beneath the tombs“ stützte. War stark und darf gerne mal wieder live konsumiert werden.
Was soll ich groß über Macbeth schreiben, was ich nicht schon tausendmal geschrieben habe? Nun, zumindest das, dass die Thüringer heute, fast zwei Jahre nach dem Release der „Gedankenwächter“ ihre Livepremiere der „neuen“ Songs feierten und Hans-Rostock-Frontmann Olli permanent mit einem Lachen darauf hinwies.
Macbeth können einfach nicht schlecht und auch wenn erneut „Kamikaze“ in der Setlist fehlte, was ich so langsam als persönlichen Affront empfinde, gehen Songs wie die beiden Stalingrad-Granaten sofort ins Tanzbein und lassen, trotz der nachdenklichen Lyrics, sofort eventuell vorhandene dunkle Wolken erhellen. Die Riffs kamen wie ein Skalpell bei einer Gehirnoperation präzise vom Griffbrett, Bassist Hanjo schüttelte sein weißes Haupthaar energischer als so mancher Jungspund und auch der Rest der Erfurter Kultkapelle bewies, dass immer wieder mit Macbeth gerechnet werden muss. Wer die Jungs bucht weiß, was er bekommt. Einmal mehr ein granatenstarker Auftritt mit vielen nagelneuen Songs, höhö.
Nun aber nochmal schnell schachten gehen, denn wenn Gutalax zum Tanztee bitten, kann und muss man davon ausgehen, dass die Kackpappe so knapp wird, wie einst 2020 oder zu unseligen DDR-Zeiten. Und natürlich flogen gleich beim Opener sämtliche Hygieneartikel durch die Luft, die Klobürsten rotierten und der Moshpit mutierte zu einer Gefahrenzone.
Die Tschechen sind und bleiben eine so famose Band, bei der man auch nur durch bloßes Zuhören Spaß haben kann, ohne sich mit Nutella einzucremen. Allein die Erläuterungen zu Hymen wie „Poopcorn“ oder „Diarrhero“ sind jedes Eintrittsgeld und das die Bengel aus Křemže musikalisch auch was können, zeigte viel anerkennendes Kopfnicken anwesender Musiker. Kacke (darf ich hier sagen…) ich liebe die Truppe einfach, wie auch der durchdrehende Mob, der den Gig von Gutalax einmal mehr zu einem Triumphzug werden ließ.
Sinister gehören mittlerweile auch zum gerngesehenen Stamm des Moshers und auch heuer holzten Adrie du seine Kumpanen das Seeufer komplett ab, wobei mit „The carnage ending“, „Sadistic intent“ und vor allem „Apostles of the weak“ drei meiner absoluten Lieblingssongs der Rabauken Einzug in die Setlist fanden. Das Publikum allerdings gönnte sich nach dem Gutalax Inferno ein kleines Päuschen, so dass die Stimmung nicht ganz so fulminant wie vorher war, was ich für Sinister verdammt schade fand, da diese sich nicht nur redlich bemühten, sondern tierisch abrissen. Also wie immer eigentlich…
Nachdem mir Disbelief Trommler Timo sein Leid klagte, kein Merch der Tschechischen Grinder mehr bekommen zu haben, gab er dafür, scheinbar von diesem Umstand angepisst, auf der Bühne Vollgas und wer schon jemals auf einem Gig von Disbelief war wird wissen, was nun abging.
Überall flogen die Haare und vor allem das Gesicht von Gitarrist David Renner ward von da an nicht mehr gesehen. Und natürlich Jagger, der wohl beste deutsche Death Metal Sänger röhrte sich durch eine verdammt starke Retrospektive des Disbelief’schen Schaffens, wobei natürlich „Sick“, das Skullcrusher Enni gewidmete „The awakening“, das neue „The ground collapses“ und der Überkracher „Rewind it all“ die Highlights eines überragenden Gigs darstellten. Die Hessen sind einfach eine Bank.
In Anlehnung an Torturized Siggis erste Band war ich bei der Setlist von Holy Sabina, ääh Moses Classen…menno…Holy Moses (endlich) angenehm halbsteif, denn mit „Near dark“, Defcon II“ und „Panic“ gab es gleich zu Beginn die ersten drei Songs des legendären „New machine of Liechtenstein“ Albums, welches bis heute zu meinen großen Favoriten gehört. Das gefiel natürlich auch dem sachkundigen Mob, der der legendären Frontfrau ein mehr als warmes „Hallo“ bescherte.
Die Band war verdammt tight, Sabina voll im Futter und prächtig aufgelegt, was die hervorragende Songauswahl nur noch unterstrich. Die Dogs kamen zu Ehren, auch das legendäre „Current of death“ und und und…nein, es blieb kein Wunsch offen und dazu zeigten Holy Moses vollen Einsatz, was durch diverse Pits vor der Bühne honoriert wurde. Ich habe die Band seit Mitte der Achtzigern verdammt oft gesehen und wo manche Bands nach all den Jahrzehnten des Bestehens manchmal nur noch ein Zerrbild ihrer selbst sind, hat die Truppe hier eindrucksvoll bewiesen, wer hier nicht zum alten Eisen gehört. Für mich mit der beste Gig des Wochenendes.
Und weiter ging es im Reigen der Creme de’la Creme des teutonischen Thrash Metals und Tankard machten ein Fass auf! Auch hier bleibt klar festzustellen, dass die Frankfurter einfach immer Vollgas geben, sei es an der Bar oder eben auf den Brettern, die die Welt bewegen. Und auch die Setlist war vom Allerfeinsten, wobei natürlich nicht jeder gewünschte Song Einzug finden konnte, dafür ist das bisherige Werk der Hessen einfach zu umfangreich.
Doch Gerre und seine Kumpanen fanden einen perfekten Mittelweg, um das völlig ausrastende Volk komplett unter ihre Kontrolle zu bringen, die den Musikern begierig aus der hand fraßen. Jeder gewünschte Hit war vorhanden, es wurde getrunken, gesungen, getrunken und getrunken, was zur Folge hatte, dass das Partyvolk vollkommen begeistert vor der Bühne durchdrehten. Ich gebe auch hier zu, dass ich das Apfelwein trinkende Quartett schon oft und gerne live gesehen habe, doch selten waren sie so stark wie heute.
Die Kings of Beer zockten jedenfalls mehr als routiniert ihren wirklich starken Auftritt runter und wenn Gerre vor dem Gig irgendwie schlechte Laune hatte, war diese direkt danach wie weggeblasen und es durfte ein Gelage starten, welches sich bis spät in die Nacht hinzog. Tankard? Immer und immer wieder!
Ok, Asphyx machen keinen Teutonen Thrash und unterbrachen damit jäh das Aufeinandertreffen der Legenden, was aber nicht sonderlich ins Gewicht fiel, denn eine Prise schleppender Todesblei kam nun genau richtig. Die Band ist einfach durch ihre extrem vielen Auftritte der letzten Jahre so in sich gefestigt, dass man ihnen kein X für ein U vormachen kann. Dementsprechend tight und fett kam die Niederländisch/Deutsche Walze ins Rollen und hinterließ eine Schneise der Verwüstung.
Allerdings schien einem Vollhonk das auf die Birne zu drücken, denn während des Gigs hatte dieses unfassbare Arschloch nichts Besseres zu tun, als einen Böller in die Menge vor der Bühne zu werfen, was bei Gutalax Frontmann Maty und meiner Frau ein ziemlich fettes Knalltrauma verursachte. Leider weiß ich nicht, ob der Spacken ermittelt wurde und wenn ja soll ihm bis zu seinem Lebensende das Scheißhauspapier ausgehen.
Das danach für uns ein wenig die Luft raus war und wir uns Richtung Backstage trollten, sollte wohl verständlich sein. Trotz alledem waren auch Asphyx jeden Cent ihrer Gage wert.
Die letzte Band des Abends sollten nun Sodom sein und ich freute mich sehr darauf, die Truppe endlich mal wieder abfeiern zu können. Und ja, dazu hatte ich mehr als nur eine Gelegenheit, denn Angelripper ballerte mit seinen Mannen eine solch fette Best of Setlist ins vollgepackte Rund, dass man einfach nur ausrasten musste!
„Bombenhagel“, „Nuclear winter“, „Agent orange“ und Olaf war nur am Grinsen! Auch hier und heute zeigte sich eindrucksvoll, dass Toms Entscheidung mit zwei Gitarristen weiterzumachen vollkommen richtig ist, denn die Ruhrpott Legende klang nie so tight wie anno 2022, was bei einer 40jährigen Bandkariere durchaus Respekt abverlangt. Der Sound war klasse, die Band perfekt aufeinander eingespielt und Tom machte so allerlei Späßchen, die ich so vom Sodom Chef auch noch nicht gesehen habe, was aber die Lockerheit aufgrund der wiedergewonnenen Stärke beweist. Ganz klar waren die teutonischen Thrash Urgesteine mit diesem Auftritt meine Gewinner des Wochenendes und bewiesen eindrucksvoll, dass der Spruch „die Letzten werden die Ersten sein“ absolut seine Daseinsberechtigung hat.
So ging also ein grandioses Wochenende am Mühlteich zu Ende und auch wenn ich beim Zusammenstellen des Artikels aufgrund der Abwesenheit von Schrod das eine oder andere Mal etwas kämpfen musste, bleibt einmal mehr die Freude über das alljährlich stattfindende Familientreffen unter dem Banner der Chronical Moshers.
Vielen Dank noch an Sandra Baumgartl für die Fotos, da meine Kamera mal wieder nen Fisch gemacht hat, aber das ist eine andere Geschichte. Wir sehen uns 2023