29 Jahre bewegte Bandgeschichte, 10 meist überragende Alben, zu dem sich am 08.September mit "Legends of the shires" ein elftes hinzugesellte, welches nicht nur zum Besten gehört, was Threshold in ihrer Karriere abgeliefert haben, sondern durchaus als Meisterwerk in Sachen Prog-Metal angesehen werden kann. Ich jedenfalls habe das Teil seit Erhalt in Dauerrotation und kann das Doppelalbum fast im Schlaf mitsingen, was in der heutigen Zeit mit der immensen Veröffentlichungsflut schon fast einem Wunder gleichkommt. Dazu ein Sängerwechsel und dem daraus resultierenden Wiedersehen mit einem alten Bekannten, das hinter dem Album stehende Konzept, welches im Vorfeld seitens der Band unter Verschluss gehalten wurde und vieles mehr lag mir auf der Seele, doch Chefstratege Karl Groom erklärte sich bereit, mir wohlwollend Rede und Antwort zu stehen, um Licht ins Dunkle zu bringen…obwohl das nach Problemen mit Skype anfänglich auf der Kippe stand….
Na hoffentlich hält die Verbindung jetzt. Irgendwie scheint auch mein Internet heute eine Macke zu haben. Also lass uns starten, bevor wir wieder getrennt werden. Auf geht’s (lacht)
Auf jeden Fall freue ich mich sehr darüber, einmal mehr mit Dir zu plaudern, da ich seit einer gefühlten Ewigkeit Fan von Euch bin, unser letztes Gespräch zu "March of progress" auch schon wieder 4 Jahre her ist und sich seitdem auch eine Menge getan hat. Vor allem Euer neues Album, „Legends of the shires“, welches in meinem Ranking zum Album des Jahres definitiv einen der vorderen Plätze einnehmen wird, hat mich vollkommen umgehauen. Erzähl mir doch mal frei von der Leber weg, wie das gute Stück überhaupt zustande gekommen ist? War es denn von vornherein als Doppelalbum geplant?
Überhaupt nicht! Wir haben niemals an so etwas gedacht, doch Richard West und ich kamen irgendwann an einen Punkt wo wir merkten, dass es endlich an der Zeit wäre, ein neues Album in Angriff zu nehmen und als wir bei knapp 55 Minuten Musik angekommen waren bemerkte ich, dass ich noch viel mehr zu sagen habe. Die Ideen und die Inspirationen haben mich geradezu überflutet. Dann ging es an die Texte, das Konzept und irgendwie landeten wir dann bei weit über 78 Minuten, noch bevor wir „The shire“ Part 1 und 3 fertig hatten. Allerdings war es kurioserweise niemals ein Kampf und das Album schrieb sich relativ einfach und unkompliziert, es lief einfach. Richard hatte dann die Idee, daraus ein Doppelalbum zu machen, obwohl ich anmerkte: Hey, das will doch keiner hören, hahaha.
Aber mal ehrlich: Wer nimmt sich denn heute noch die Zeit, ein solches Mammutwerk in Gänze zu hören? Die Leute streamen doch heutzutage alles und picken sich individuelle Tracks raus und vergessen dabei das Gesamtkonzept eines solchen Albums. Wir sind über den Umstand mehr als glücklich, dass uns Nuclear Blast hier alle Freiheiten lässt zu tun, was wir wollen und nicht darauf achten, wie lang oder kurz nun ein Song ist. Ebenso verhält es sich zu dem Album, welches für denjenigen, der sich die Zeit nimmt, es als Gesamtwerk zu hören und zu verstehen, quasi eine Belohnung ist. Sofern derjenige es komplett durchhält (lacht). Es gibt ja auch einen Grund, weshalb die Songs nun in dieser Reihenfolge sind, diese Länge haben…es ist ein Stück Musik, verteilt auf mehrere Kapitel. Das verhält sich hier wie bei einem guten Film oder einem Buch. Da kann man sich ja nun auch nicht die Highlights einfach so rauspicken, da hat alles seinen Sinn. So verhält es sich bei „Legends…“ ebenfalls und da hätte uns auch niemand reinquatschen können, denn das Album ist so, wie es ist und auch immer sein sollte. Eine Veränderung der Tracklist, wie es manche Platenfirmen im Vorfeld einer Veröffentlichung vorschlagen, hätte hier keinerlei Sinn ergeben.
Wir hatten beim Schreiben des Albums ein ähnliches Gefühl wie 2004 bei „Subsurface“, welches uns ebenso locker von der Hand ging und fast auch ein Doppelalbum geworden wäre. Zusammenfassend gesagt: Es fühl sich bei „Legends…“ alles richtig und gut an.
Im Vorfeld habt Ihr ja ein ziemliches Geheimnis daraus gemacht, welches Konzept „Legends…“ beinhaltet und auch in den vorab veröffentlichten Presseberichten konnte man nicht unbedingt viel herauslesen. Warum diese Geheimniskrämerei? Und vor allem…erzähl mal nun, um was es sich genau dreht…
Naja, wenn Du einen Film sehen oder ein Buch lesen willst, möchtest Du doch auch nicht wissen, wie es ausgeht, oder?
Zumindest schaue ich vorher, ob es mich anspricht und dann entscheide ich, ob es sich überhaupt lohnt…
Na klar lohnt es sich…zumindest bei uns (lacht). Aber da gebe ich Dir durchaus recht. Es geht in diesem Konzept darum, als Individuum seinen Platz in der Welt zu finden und in dieser dann mit allen anderen zurecht zu kommen, was nicht immer einfach ist. Es ist ein duales Konzept, wobei es beim ersten Teil mehr um ein Land geht, welches seinen Platz sucht und unter anderem einen Song beinhaltet, der den Brexit thematisiert und wie damit umgegangen wird. Der zweite Teil ist dann eher individuell gehalten, wie man mit Trennungen als Person umgeht. Wir merkten beim Schreiben schnell, wie sich beide Themen miteinander verknüpfen lassen und man dieses nicht in einen oder zwei Stücke verpacken kann. Witzigerweise bemerkten wir am Ende des Songwritings, dass jeder Song entweder mit L, O, T und S begann, ein Akronym für „Legends of the shires“, was wir so definitiv nicht beabsichtigt hatten. Aber für eine Prog Band sicherlich nicht die schlechteste Idee, hahaha.
Was mich gerade bei Threshold immer wieder fasziniert ist die Tatsache, dass Ihr es schafft, komplexe Songs und Melodien einfach klingen zu lassen. Was fällt Dir persönlich leichter zu schreiben? Eher Eingängigeres wie „Small dark lines“ oder solch kompliziertere Geschichten wie „The man who saw through time“?
Es ist für mich immer einfach, einen Anfang für einen Song zu finden von dem ich gar nicht weiß, wie er sich im weiteren Verlauf entwickelt. Es ist also kein nine to five Prozess, sondern entwickelt sich langsam. Wenn mich die Inspiration packt, lege ich einfach los und später habe ich dann ja eine tolle Truppe um mich herum, mit denen ich die Ideen dann ausarbeiten und arrangieren kann. Man kann also niemals von Beginn an davon ausgehen, dass eine einfache und simple Idee sich dann auch zu einem einfachen und simpel klingenden Song entwickelt. Da kann ein Riff noch so eingängig sein, das Endergebnis schaut dann meistens vollkommen anders aus. Natürlich braucht ein ausschweifender Song eine ganze Menge mehr an Zeit, aber viel schwieriger ist es, einen kurzen, wie du sagst, simpel klingenden Song so auszuarbeiten, dass er dennoch unseren Ansprüchen genügt. Wir versuchen einfach, in allen unseren Songs und dem Album an sich, viele spezielle und wundervolle Momente für die Hörer zu schaffen, die auch noch nachvollziehbar und hörbar sind. Man soll unsere Musik schon im Gesamtkontext sehen und auch verstehen.
Wir versuchen, mit unserer Musik und den sich daraus entwickelnden Texten ein Bild zu malen, in das man auch viel reininterpretieren kann. Das macht es doch gerade spannend und interessant, denn nichts ist langweiliger, als nichtssagende Musik.
Die wohl elementarste Veränderung bei Threshold ist definitiv der Wechsel Eures Sängers von Damian Wilson zurück zu Glynn Morgan, der ja bereits 1994 „Psychedelicatessen“ mit Euch eingesungen hat. Viel gab es darüber ja nicht zu lesen. Wie kam dieser Wechsel zustande?
Als wir letztes Jahr im Oktober beim Progpower in Holland waren, sprach mich Damian auf dem Rückweg nach England an und präsentierte mir eine Liste mit Namen von Sängern, die seiner Meinung nach prima zu Threshold passen würden und fragte, wen ich denn auswählen würde. Ich war an dem Tag ziemlich ausgelaugt und müde, vergas dieses Gespräch, da ich es eh für einen Scherz hielt. Eine Woche später stand er dann im Studio und sagte, dass er die Band verlassen wolle, was mich dann doch ziemlich überraschte, da er mir auch keinen triftigen Grund dafür nannte. Ich sprach dann mit Richard und nannte ihm einige der Namen, die Damian vorschlug, wovon er kaum jemand kannte und auch nicht kennen wollte, hahaha.
Wir kamen dann auf Glynn, der uns ja bereits 2009 live schon ausgeholfen hatte, was prima funktionierte und als ich ihn dann darauf ansprach, war er sofort Feuer und Flamme und freute sich total über die Chance, wieder bei uns einzusteigen. Kurioserweise stand Damian dann ca.3 Wochen später wieder auf der Matte und meinte, er wolle nun doch in der Band bleiben, was uns in einige Konfusion stürzte. Er begann dennoch, einige Gesangsparts aufzunehmen und spielte mit uns im Januar einen Gig in der Schweiz. Als ich ihm dann unsere Konzertpläne für den Sommer offerierte meinte er nur, er wäre aus irgendwelchen Gründen nicht verfügbar und würde zukünftig eh maximal 3 oder 4 Shows am Stück spielen wollen. Als ich dann mit der restlichen Band darüber sprach kamen wir schnell zu dem Entschluss, Damian gehen zu lassen und es mit Glynn zu versuchen. Eine Entscheidung, die wir bislang nicht bereut haben, da er auch richtig darauf brannte, mit uns zu arbeiten, zu spielen.
Eine gute und in meinen Augen richtige Entscheidung, denn seine Leistung auf „Legends…“ ist herausragend…
Sehe ich genauso. Ich fand seine Leistung auf „Psychedelicatessen“ schon grandios, denn ich mag den warmen Sound seiner Stimme und auch seine Growls kommen immer richtig und passen perfekt zu den Songs. Glynn hat ein großes gesangliches Spektrum und er trifft eigentlich immer die Stimmung der Songs wenn es darauf ankommt. Gerade seine Stimme auf „Superior machine“ jagt mir immer wieder einen Schauer über den Rücken. Ja, ich bin froh, ihn wieder in der Band zu haben.
Wo siehst du persönlich die gravierendsten Unterschiede zwischen „Legends…“ und Eurem letzten Album "For the journey", welches ich persönlich ein wenig zu eingängig fand und nicht immer dem gerecht wurde, für was Threshold in meinen Augen steht.
Da muss ich Dir zu meinem großen Bedauern tatsächlich recht geben…was aber nicht heißen soll, dass ich das Album schlecht finde, doch irgendwie hatte die Scheibe nicht den Flow und die Songs waren irgendwie in der verkehrten Reihenfolge, um den Spirit richtig zu transportieren. Als wir die Scheibe aufnahmen fühlte es sich gut an, doch im Nachhinein stellten wir fest, dass das Gesamtbild nicht zusammenpasste. Auf dem neuen Album sind wir wieder progressiver was auch dem Umstand geschuldet ist, dass wir uns „Subsurface“ als Grundlage nahmen, welches ich persönlich als eines der besten Alben von uns ansehe. Wir haben Musiker in der Band, die alle einen Teil zum Gesamtbild beitragen und auch Steve (Anderson-Bassist) hatte einen Song im Petto, der wunderbar zum Gesamtkonzept der Scheibe passte. Klar sind Richard und ich die Hauptsongwriter der Band, doch wir sind nach allen Seiten offen…haben aber auch das Recht, Sachen abzulehnen, die so gar nicht in unser Konzept passen. Es bringt dann überhaupt nichts, irgendetwas hineinpressen zu wollen, was definitiv nicht funktioniert.
Für mich ist es wichtig, dass ich beim Komponieren nicht irgendwelche frühere Alben von uns zu sehr mit einbeziehe, sondern mich auf was gänzlich Neues konzentriere. Dieser Prozess hat diesmal von September letzten Jahres bis zum Start der Aufnahmen im März gedauert, was man den Songs auch anhört. Witzigerweise ging es Richard dieses Mal ähnlich und wir haben tatsächlich beide unseren Mood eingefangen und zusammen ausgearbeitet, was man den Songs auch anhört. Manchmal kommt es aber auch schon vor, dass ich vor einem leeren Blatt Papier oder dem blinkenden Cursor des Computers sitze und mir absolut gar nichts einfallen will (lacht). Diesmal haben Richard und ich uns aber gegenseitig inspiriert, was den Entstehungsprozess um ein Vielfaches vereinfacht hat. Die bislang veröffentlichten Reviews scheinen uns da Recht zu geben. (lacht) Die Fans und Redakteure scheinen diesmal echt zu erkennen, was wir für „Legends…“ geleistet haben…wurde ja auch verdammt nochmal Zeit, hahaha. Wenn man nach so einer langen Zeit und 10 vorherigen Alben mit seinem fertigen Produkt so zufrieden ist, wie wir es momentan sind, hat man auf jeden Fall alles richtiggemacht.
Viele Progbands verkriechen sich gerne im Studio, konzipieren grandiose Alben, scheuen sich aber dann, diese dem geneigten Publikum auch live zu präsentieren. Ihr allerdings seit regelmäßig unterwegs, so auch ab November. Business as usual oder immer noch mit einem Kribbeln verbunden?
Das ist DAS, was uns wichtig ist. Es ist ein Geschenk, wenn du mit deiner Musik auf Tour gehen kannst und siehst, dass die Leute dich auch live sehen und erleben wollen. Die Produktion, die Promoarbeit zur Veröffentlichung…das ist Arbeit, die einen schonmal richtig auslaugen kann, selbst wenn man, so wie wir, stolz auf das Endergebnis ist. Es ist notwendig, um der ganzen Sache Schub zu geben, doch wenn du dann auf der Bühne stehst…das ist es, was zählt. Ich liebe es, zusammen mit meinen Jungs live zu spielen. Es ist das Ergebnis deiner Arbeit und das Tüpfelchen auf dem I. Ich freue mich darauf, unsere Fans auf der anstehenden Tour persönlich zu begrüßen. Kommt zahlreich!
29.11.2017 – Hamburg @ Markthalle
30.11.2017 – Berlin @ Lido
01.12.2017 – Aschaffenburg @ Colos Saal
02.12.2017 – München @ Feierwerk
03.12.2017 – Pratteln (CH) @ Z7
05.12.2017 – Stuttgart @ Club Cann
06.12.2017 – Hannover @ Musikzentrum
08.12.2017 – Essen @ Turock