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GROßMÜTTER, ENKEL UND EIN EIMER VOLL KÖRPERTEILE


Man kommt bei Lordi einfach nicht umhin, sich immer wieder den 20.Mai 2016 in Erinnerung zu rufen, als die finnischen Monsterrocker in Athen sensationell und für die Massenmedien unverständlich den Eurovision Songcontest mit satten 292 Punkten und einem Vorsprung von 44 Punkten auf den Zweitplatzierten gewinnen konnten. Allein für den pikierten Gesichtsausdruck meiner Mutter tags darauf danke ich noch heute allen europäischen Metalfans, die ebenso wie ich telefonisch für die Band abstimmte.

Doch man darf die Hard Rocker aus Rovaniemi nicht nur auf diesen Meilenstein festlegen, denn dafür ist die Karriere von Mr.Lordi und seinen Mannen viel zu umfangreich. Gegründet vor 28 Jahren und mit nunmehr zehn abendfüllenden Langspielplatten haben sich die Finnen im internationalen Rock Markt etabliert und festgebissen, was natürlich nicht nur an der Musik, sondern zu gleichen Teilen an den fulminanten Bühnenshows und den überragenden Verkleidungen liegt. Das konnte man ebenso am 13.03.2020 in Berlin bei deren Konzert miterleben, wie auch auf dem neuen Album "Killection" hören, bei dem sich Lordi auf ihr Frühwerk Mitte der Siebziger konzentrieren, einen dementsprechend schönen Retrosound auffahren und den selbst kreierten Scherz wunderbar ausreizen.

Ich freute mich tierisch darüber, dass ich als einziger akkreditierter Journalist vor dem Gig in Berlin die Möglichkeit hatte, mit Mr.Lordi über all das zu sprechen, zu lachen und danach eine Show zu genießen, die aufgrund der sich danach ausweitenden Corona Pandemie vorerst die letzte für einen langen Zeitraum sein sollte. Auch die Bands des Tourtrosses waren davon betroffen, wurde nach dem Gig in Leipzig tags darauf die musikalische Rundreise abgebrochen.

Hej ja mukkava tavata. (Heißt übersetzt: Hallo und schön, dich kennenzulernen)

Hey, Du sprichst ja finnisch! Da fällt mir das Gespräch natürlich umso leichter (lacht).

Um Himmels Willen nein. Ich kann maximal noch ein Bier in Helsinki bestellen, dass war’s dann auch schon. Auf jeden Fall finde ich es schön, dass Du den Weg nach Berlin gefunden hast…

Damit hatte ich nichts zu tun, das war unser Busfahrer (Gelächter)

Na gut, dann richte ihm bitte meinen herzlichsten Dank aus. Wie schaut das eigentlich bei Euch aus? Haben Monster überhaupt Angst vor einem Virus oder habt Ihr den vielleicht selber mitgebracht? So ein kleines Goodie…

(lacht) Nö, denn eigentlich sehe ich keinerlei Gründe, weshalb wir den mitgeschleppt haben sollten. Alle in der Band sind gesund und so langsam sind wir auch ziemlich gelangweilt und angepisst von der ganzen Thematik. Natürlich ist das eine ernste Sache, aber hey, jeder mit einem gesunden Menschenverstand sollte doch nun genau wissen, was er zu tun und wie er damit umzugehen hat. Das braucht man uns als Musiker nun nicht immer unter die Nase zu reiben, denn es nervt.

Ich glaube, die Leute haben weniger Angst vor dem Virus, sondern lassen sich von der allgemeinen Massenhysterie anstecken. Ui, mein Nachbar ist hysterisch, also muss ich es verdammt nochmal auch sein. Menschen sind dumm und diese Dummheit darf man nicht unterschätzen. Du hast mir vorhin erzählt, dass wir heute scheinbar die einzige Band sind, die in Berlin ein Konzert spielen? Wir würden einen Teufel tun und eine Show von uns absagen, sofern wir keinerlei Verbote von offizieller Seite bekommen. In Italien haben wir zwei Shows canceln müssen. Nachdem wir in der Nähe von Rom gespielt und in die Schweiz weitergefahren sind, konnten wir danach nicht wieder zurück. Das war nach dem dortigen Ausbruch auch vollkommen ok, denn wir wollten die weitere Tour nicht riskieren.


Und deshalb freue ich mich so darüber, mit Dir hier zu sitzen, einem leibhaftigen ESC Gewinner…

Moment…Du willst mir mit deiner Kutte, dem Slayer und Venom Patch nicht erzählen, dass Du Dir diese Veranstaltung wirklich anschaust?

Oh doch, jedes Jahr aufs Neue. Weniger wegen der musikalischen Qualität, sondern vielmehr, um abzulästern, Bier zu trinken und Häppchen zu vertilgen.

Ich glaube, Du bist der Einzige in der Menschheitsgeschichte, der sich mit einer so vollgepackten Kutte DAS reinzieht. Unglaublich (Gelächter). Ich liebe es! Wenn die Venom Jungs, speziell Cronos jetzt hier wäre, er würde Dir wahrscheinlich die Scheiße aus dem Leib prügeln (lacht).

Ok, das könnte ich sogar ein wenig nachvollziehen. Dennoch hat der 20.Mai 2016 doch sicher einiges in Deinem Leben verändert…

Nö, ganz und gar nicht.

Ach komm, selbst der Sampo-Platz in Rovaniemi wurde nach diesem Sieg in Lordi Platz umbenannt…

Durch den Sieg beim ESC hat die Band unglaublich viel Aufmerksamkeit bekommen und sich in das Bewusstsein Vieler eingraviert, das ist wahr. Unsere Musik ist nicht metal genug für die Metal Fans und nicht poppig genug für die Popfans, wir sind irgendwas dazwischen. Darüber hinaus sind wir Monster und die Leute dachten: Ey, was ist das denn für eine Scheiße (lacht)? Die gesteigerte Wahrnehmung der Menschen, nicht nur in Europa, das war absolut unbezahlbar. Versteh mich nicht falsch, ich bin bis heute stolz auf diesen Erfolg, doch geändert hat das absolut nichts. Überleg doch mal, was das auch für Auswirkungen hatte? Plötzlich kannte jeder Lordi, aber die meisten davon haben noch nie was von Metallica gehört. Für mich und die Band hat sich persönlich nichts geändert, das ist der Punkt. Du bekommst keinerlei Preisgeld beim ESC, sondern lediglich diesen nett aussehenden Glaspokal.

Dennoch fand ich den Umstand lustig, dass Ihr ein paar Wochen später im Berliner K17 ein Konzert gespielt habt und die Leute sich vor der Tür stapelten, die vorher noch nie bis auf zwei Kilometer an ein Metalkonzert herangekommen sind.

Wenn etwas durch die Mainstream Medien geht, sei es nun eine Band, Musik oder was auch immer, will sofort jeder ein Stückchen von abhaben oder dabei sein, bevor sich alle wieder der Normalität zuwenden. In den ersten sechs Monaten nach dem Sieg wurden wir immer genervter, denn 99% der Menschen, die plötzlich auf unseren Konzerten auftauchten, wollten nicht die Band, sondern den ESC Gewinner sehen. Die wussten doch gar nicht, was wir überhaupt machen. Die kannten lediglich diesen einen Song, einen Fernsehauftritt und das war’s. Deaf, dumb and blind, das bringt es auf den Punkt.

Den darauffolgenden Sommer und Herbst wurde es teilweise richtig bizarr, denn plötzlich tauchten auf den Konzerten von uns Großmütter mit ihren Enkeln auf und baten uns um Autogramme. Die waren happy as fuck, wenn ich von der Bühne kam, besudelt mit Kunstblut, meinen Teufelshörnern, roten Augen und einem Eimer voll mit abgetrennten Gliedmaßen und dachten anscheinend, wir wären beschissene Disney Charaktere. In den Songs geht es ums Ficken, Zerstückeln, Töten und in der ersten Reihe steht ein kleines 6-jähriges Mädchen, die voll abgeht, wenn wir über Analsex singen (lacht).

Ich halte absolut nichts von Zensur. Wenn ein Zehnjähriger Venom oder Lordi geil findet, ist das total in Ordnung, genauso wenn du 85 bist. Aber im Endeffekt sind wir auch nur ein kleiner Fisch in einem unendlich großen Teich. Habe ich jetzt eigentlich Deine Frage beantwortet (lacht)? Witzig ist übrigens, dass ich vor und während der Tour schon einige Interviews gegeben habe, mich aber noch niemand über den ESC gefragt hat. Da bist Du tatsächlich der Erste. Früher war das anders und da habe ich auch absolut kein Problem mit.


Jedenfalls bin ich ja heute in Berlin der Einzige, mit dem Du sprichst, denn laut Deiner Plattenfirma brauchst Du natürlich immer sehr lange, bis Du Dein Kostüm und vor allem die Maske angelegt hast. Wie lange brauchst Du, um bühnenfertig zu sein?

Drei Stunden ist meine Safe-Zone. Wenn eine Lordi Show mal verspätet startet, liegt das immer an mir. Ich ziehe mir ja nicht nur eine Maske über, sondern ich verklebe eine Teilprothese und muss dafür mein ganzes Gesicht einkleistern. Dafür ist die Luftfeuchtigkeit und die Umgebung besonders maßgebend. Meistens mache ich mein Make Up im Hotel, in dem die Zimmer häufig mit Klimaanlage und Teppichböden ausgestattet sind, was nicht immer von Vorteil ist, wenn ich mir das Gesicht mache. Viele verstehen diesen Aufwand nicht und fragen mich, warum es nach 20 Jahren nicht auch mal schneller geht. Fuck it! Es dauert, solange es dauert. Wenn du Chefkoch bist, kannst du das Essen auch nicht aus dem Ofen nehmen, bevor es richtig zubereitet ist. Es ist einfache Chemie und wenn die Umstände nicht stimmen, kann es halt auch mal länger als drei Stunden dauern.

Ich habe mittlerweile ein totales Gespür für Luftverhältnisse entwickelt und fühle mich manchmal wie ein menschliches Barometer (lacht). Wenn es draußen regnet, dauert es länger, wenn es zu heiß ist und ich ins Schwitzen gerate, dauert es ebenfalls länger. Obwohl ich bei Hitze mein Gesicht in Eiswasser tauchen kann, um die Poren zu verschließen. Dann klappt es.


Du bist 1974 geboren, hast aber jetzt mit „Killection“ ein Album veröffentlicht, welches die Frühphase von Lordi Mitte der Siebziger beleuchtet. Was wie ein Scherz anmutet, entpuppt sich als schönes Retro-Album mit unterschiedlichen und gar nicht so modern klingenden Sounds. Wie kamst Du auf die Idee, das so durchzuziehen?

Dafür gab es zwei Gründe. Zum einen bin ich meist maßlos gelangweilt von Bands, die auf jedem Album gleich klingen. Nimm mal als Beispiel Venom. Wenn Du irgendeinen Song von „Welcome to hell“ hörst weißt du sofort, um welches Album es sich handelt. Ich hasse es, wenn man anhand des Sounds sofort weiß, welche Band dahintersteckt. Ozzy, Metallica und viele andere erkennt man einfach umgehend. Wir hatten dieses Problem ebenso, wobei ich es eher als „positives Problem“ erachte.

Wenn ich in der Vorproduktion zu einem neuen Album 20 oder 30 Songs schreibe und wir uns dransetzen, welche denn nun auf der Scheibe erscheinen sollen, bleiben immer ein paar ungeschliffene Diamanten über, die vom SOUND oder der Produktion her nicht passen, dennoch aber gute Songs sind. Diese Situation frustriert mich schon seit einer Ewigkeit und diesmal wollte ich den Spieß einfach umdrehen. Ich finde, das ist der absolut falsche Weg, um Musik zu veröffentlichen, denn der Song sollte niemals der Sklave der Produktion oder des Sounds sein, sondern genau umgekehrt. Und deswegen sind wir diesmal völlig anders an die Sache herangegangen.

Zum anderen…hmm…eigentlich habe ich dazu schon alles gesagt (Gelächter). Es gibt so viele verschiedene Musikstile, die ich im Rock mag und diesen wollte ich Tribut zollen. Ok, „Zombimbo“ ist ein Disco Song, der einfach in ein Metal Gewand nicht reinpasst und klingt, als wäre er 1979 entstanden. Das gilt für viele Songs des Albums, die mit einem modernen Metalsound einfach nicht funktionieren würden und dementsprechend auf alt getrimmt wurden.

Habt Ihr denn versucht, diese Songs „normal“ aufzunehmen und zu produzieren und habt erst später festgestellt, dass dies nicht funktioniert?

Oh ja, bereits im Demostadium fiel mir das auf und dementsprechend habe ich bereits bevor wir ins Studio gingen die notwendigen Anpassungen vorgenommen. Das klang dann schon fast so, wie auf dem finalen Produkt.

Bevor Ihr das neue Album einspielen konntet, musste Ihr auch einen Ersatz für Ox finden, der nach 14 Jahren Lordi seinen Bass an den Nagel gehängt hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht unbedingt schwierig war, einen Ersatz zu finden, doch wie lange hat es gedauert, seinen Nachfolger Hiisi vom Bühnenoutfit zu überzeugen?

Gar nicht, das hat sofort funktioniert. Als Ox mich eines Tages anrief und meinte, wir müssen reden, fragte ich ihn gleich, ob er mit mir Schluss machen wollte. Er bejate dies und nach unserem Gespräch stand fest, dass er noch die Festivals und die bestätigten Gigs spielen würde. Innerhalb von 24 Stunden stand auch sein Nachfolger schon fest, da ich seinen Namen bereits im Kopf hatte. Das lief dann am Telefon ungefähr so:

„Hey, you wanne join?“
„Sure.“
„Allright, you’re in.“
„Cool“

Das war wirklich eine der einfachsten Geschichten ever (lacht). Hiisi ist ebenfalls großer Kiss Fan so wie ich und davor passte es einfach. Hiisi was easy, hahaha.

Kiss ist ein verdammt gutes Stichwort. Mit „Like a bee to the honey“ habt Ihr einen Song auf dem Album, welcher im von Jean Beauvoir und Paul Stanley komponiert wurde, selber aber nie auf einem Kiss oder Solo Album Verwendung fand. Das muss doch ein fleischgewordener Traum für Dich gewesen sein, so ein Stück angeboten zu bekommen.

Hm, ja doch. Für mich als Kiss Army Member war es schon gleich zu Beginn geil, einen unveröffentlichten Song aus den späten Achtzigern zu hören zu bekommen. Ich meine hey…als echter Kiss Fan hast du alle Demos und Aufnahmen aus allen Dekaden und dann ein völlig unbekanntes Stück, den außer 10 oder maximal 15 Leuten noch niemand gehört hat, dass ist schon etwas ganz Besonderes. Wenn dir dann dieser Songs auch noch auf einem Silber Tablet serviert wird, kann man schlecht nein sagen. Ich meine…Yeah! Yeah! (lacht)

Gab es denn Reaktionen von Paul Stanley?

Oh ja, er hat es getwittert und wir haben ja oft miteinander gesprochen. Ich habe die Kiss Guys schon so oft in meinem Leben getroffen, da war das nichts unbedingt Besonderes mehr. Ich habe letztes Jahr sieben Kiss Shows gesehen und immer wieder haben wir über den Song gesprochen.

Ich habe Euch das letzte Mal vor gut dreieinhalb Jahren auf dem Tuska Festival gesehen…

Jaaa, das war die zehnjährige Jubiläums Show zur „Arockalypse“ Scheibe…

…und ich war absolut begeistert von der Show, den Bühnenaufbauten, den Effekten. Das hatte was von Alice Cooper zu seinen besten Zeiten. Nun ist solch eine immense Show natürlich auf einer Club Tour nicht zu stemmen und von daher würde es mich interessieren, ob Du lieber in Clubs oder auf solchen Großveranstaltungen spielst.

Auf jeden Fall in Clubs! Auf Festivals ist es schön, wenn das Budget es zulässt, auch mit Pyros zu arbeiten, was natürlich in kleineren Locations aufgrund des Brandschutzes gar nicht realisierbar ist. Clubshows haben aber aus mehren Gründen auch andere Vorteile, denn die Leute kommen ausschließlich wegen dir. Auf einem Festival bist du einer von vielen und wenn du Glück hast, versammeln sich ein Fünftel der Besucher vor der Bühne. Der Rest der Leute kennt keinen einzigen Song von dir…

Einen aber doch mit Sicherheit…

Hahaha, wobei wir wieder beim Thema wären. Ein weiterer Vorteil von Festivals ist, dass du eine unbegrenzte Menge an Luft zur Verfügung hast, beim Tuska allerdings hat mir die blöde Sonne direkt in die Fresse geballert, was ich nicht unbedingt brauche (lacht). Die Show war allerdings sehr speziell, aufgrund des 10-jährigen, doch es ist natürlich ein immenser logistischer Aufwand, 10-15 Leute für solch ein Event anzuheuern, was sich bei einer Club Tour natürlich von selbst erledigt. Aber die Tuska Leute hatten das explizit angefragt und da lässt man sich natürlich nicht lumpen.

Was war für Dich eigentlich bizarrer? Den ESC zu gewinnen oder zusammen mit Max Raabe und seinem Palastorchester einen Coversong zu performen?

Oh Hölle, natürlich Max Raabe, das war wirklich fuckin‘ weird. Der ESC war einfach eine verdammt gut organisierte TV-Show, bei Max Raabe war ich meilenweit außerhalb meiner Komfortzone, was mir nicht so behagt. It was strange as fuck (lacht).

Und wie kam das nun zustande?

Ich wurde gefragt und ich musste erstmal nachforschen, wer das überhaupt ist. Mir wurde mitgeteilt, dass er ein ganz Großer in Deutschland ist und dem alten Swing aus den 20ern, 30ern frönt. Ich fragte dreimal nach: Die wollen wirklich mich? (lacht) Angedacht war eigentlich ein großer deutscher Song, an den ich mich aber ums Verrecken nicht mehr erinnern kann und als Finne kann ich doch nicht deutsch singen. Meine Deutschkenntnisse beschränken sich auf ein paar nicht jugendfreie Sauereien, hahaha. Die meinten aber, dass dies ein unglaublich populäres Stück in den Dreißigern war. Darauf entgegnete ich ihnen nur, ob sie irgendeinen finnischen Song aus den Dreißigern kennen würden, was sie dann zum Umdenken verleitete (lacht).

Wir einigten uns dann auf einen englischsprachigen Song, wobei hier die Findungsphase sich auch ein wenig schwierig gestaltete, denn find mal einen Song aus den alten Tagen, den die Leute auch kennen. „Just a gigolo“ passte dann und ich war überrascht, dass dieser Song ursprünglich in den 20ern aus Deutschland kam und somit passte es dann.

Aber das wirklich eine ziemlich krasse Geschichte und ich dachte nicht, dass ich das Durchziehen würde. Das Orchester war komplett großartig, doch ich bin es einfach nicht gewohnt, so leise zu singen und mir fehlte eine elektrisch angetriebene Band hinter mir, hahaha. Ich bin aber ein sehr offener Typ und scheue mich nicht vor Herausforderungen und deshalb zog ich es durch. Die Proben verliefen auch ziemlich strange. Ich fragte:

„Wann soll ich eigentlich gesanglich einsteigen?“
„Wann immer Du möchtest.“
„Aber wo ist der Klick? Der Rhythmus? Der Puls?“
„Du bist der Puls.“
„Waaaaaas???“ (Gelächter)

So funktioniert die Big Band Musik. Der Sänger gibt das Tempo vor und der Rest hat sich daran zu halten. Ich war vollkommen verwirrt und es klang für mich einfach vollkommen falsch, hahaha. Nun lag alles an mir und mir lief der Angstschweiß den Rücken runter.

Ich sprach ja vorhin schon an, dass der in Rovaniemi befindliche Sampo-Platz 2006 in Lordi-Platz umbenannt wurde. In Deutschland muss man dafür lange tot sein, damit eine Straße oder ein Platz nach einem benannt wird. Etwas zu viel der Ehre für Euch?

Auf jeden Fall! Ich war ziemlich verlegen was bei mir selten vorkommt, hahaha. Es gab auf dem Platz vorher schon einen Dönerladen, der einen Lordi Kebap nach Absprache mit uns im Angebot hatte, doch mit dem Platz war schon etwas übertrieben. Ein Parkhaus…ja, sie hätten ein Parkhaus nach uns benennen sollen (lacht). Ich war komplett dagegen, denn es wirklich manchmal echt peinlich, wenn ich da einkaufen gehe und mir Freunde entgegenkommen, die das natürlich lustvoll ausschlachten. Da bleibe ich lieber im Auto sitzen, hahaha. Ok, wenn ich betrunken bin und in eine Bar dort gehe, sage ich schon mal: Ey, das hier ist MEIN PLATZ, get off my fuckin‘ place (großes Gelächter).

Rovaniemi ist ja nicht nur Dein Heimatort, sondern auch der von Santa Claus. Wer ist populärer?

Meine Fresse, Santa natürlich! Hey komm, wie kannst Du Lordi mit dem Weihnachtsmann vergleichen (großes Gelächter)? Ich bin in Rovaniemi geboren und aufgewachsen und von daher ist es kein Problem, dass beide Charaktere dort ansässig sind. Außerdem bin ich mit Santa gut befreundet…

Jetzt wird es merkwürdig (alle lachen)

Jaja, es gibt zwar mehrere Santa Plätze, aber nur einen offiziellen finnischen Weihnachtsmann, der hier wirklich für alle Weihnachtsmann-Dinge verantwortlich ist. Er macht das schon seit Jahrzehnten und er ist fuckin‘ Santa, da gibt es keinerlei Unstimmigkeiten. Wenn Du ihn auf seinem Handy anrufst, meldet er sich nicht mit seinem richtigen Namen, sondern mit Santa. Ja, ich habe Santas Handynumer (Gelächter). Wir waren auch schon öfter zusammen essen.

Ihr habt ja bereits mit Eurem ersten Album „Get heavy“ 2002 in Deutschland Erfolge gefeiert. Ist es für Euch auf dieser Tour ein wenig wie nach Hause kommen?

Auf jeden Fall, denn Deutschland ist unsere zweite Heimat. Unsere erste überhaupt jemals gespielte Show war in Helsinki und die zweite in Deutschland. Ich glaube, dass war mit Nightwish zusammen…

Und zwar in Berlin…und ich war dabei.

Dann kannst Du Dich damit brüsten, die dritte Show von uns gesehen zu haben. Deutschland hat einen der wichtigsten Märkte für Hard Rock und Heavy Metal weltweit und von daher ist es wie nach Hause kommen. Sofern der scheiß Virus uns lässt, haben wir insgesamt neun Shows bei Euch (wir wissen es ja jetzt leider besser-der Verf.)

Und was ist mit Finnland? Seid Ihr dort nicht mit die wichtigste Band überhaupt?

Ach Quatsch, überhaupt nicht! Die Finnen sind von Natur aus eifersüchtig, neidisch, vollkommen unfähig Gefühle zu zeigen. Es wird niemals öffentlich geküsst, sich umarmt und wenn du einen Finnen erstmals triffst, guckt der lieber auf seine eigenen Füße als dir ins Gesicht. Wenn man sich dann 20 Jahre kennt, schaut er dann auf deine Füße. So kann man das am besten umschreiben. Wir sind keine offenen Personen, haben lediglich fünfeinhalb Millionen Einwohner und wenn man in einem Moment hochgejubelt wird, wird man im anderen sofort fallengelassen. Sporthelden wie Matti Nykännen wurden beispielsweise während seiner aktiven Laufbahn hochgejubelt und als er dann abstürzte, war er für fast alle nur noch ein beschissener Witz.

Auf der „Deadache“ Tour 2008 hatten wir am Ende noch ein paar Shows in Finnland und wir hatten einen Drumtech aus Spanien mit an Bord, der es gar nicht erwarten konnte, wie enthusiastisch die Leute hier auf uns reagieren würden. Ehrlich, es waren die schrecklichsten Shows auf der Tour überhaupt und der Junge war danach völlig verwirrt, hahaha. In Spanien wärst du als ESC Gewinner für den Rest deines Lebens ein Held, hier interessiert sich später keine Sau mehr für.

Viele lachen bei uns immer wieder gerne über das Wort Kalsarikännit, was übersetzt so viel bedeutet wie „sich Zuhause alleine in Unterwäsche betrinken“…

Und exakt DAS ist es, was ich meine. Der Finne ist äußerst schwach, was Sozialkontakte anbelangt und dieses Wort spiegelt es perfekt wider. Kalsarikännit ist ein sehr trauriges Wort, da es bedeutet, dass man alleine ist, keiner etwas mit einem zu tun haben will und man gezwungen ist, alleine zu trinken. Deshalb gibt es bei uns auch so viele Alkoholiker. Ich finde es gut, dass Du das ansprichst und ich somit mit einem Mythos aufräumen kann.



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