Alben des Jahres 2023

DIE Alben DES MONATS (10/24)

Aktuelle Reviews

Audio Interviews

wo wir waren

Interviews

Wir hörten früher gerne

So fing alles an



PIZZA SELBER MACHEN



Manchmal liebe ich mein Hobby richtig dolle. So bekam ich weit im Vorfeld der Veröffentlichung die Möglichkeit, das neue am 06.11.2020 erscheinende Solstafir Album „Endless twilight of codependent love“ auf Herz und Nieren zu prüfen um festzustellen, dass sich die Isländer einmal mehr neu erfunden und sich als begnadete Songwriter in Szene gesetzt habe. Dementsprechend freute ich mich ganz dolle darüber, mit Drummer Hallgrímur Jón Hallgrímsson, kurz Grimsi genannt, ein kleines Gespräch über das Gestern und Heute zu führen, bei dem sich der bärtige Koloss als äußerst freundlich und witzig entpuppte.

Eigentlich wollte ich ja eine isländische Begrüßung die gegenüber aussprechen, aber ich habe es ums Verrecken nicht auf die Reihe bekommen…

(lacht) Ja, eine sehr schwierige Sprache, aber Euer Deutsch ist ja auch nicht viel besser, hahaha.

Grimsi, meine Frau und ich beabsichtigen nächstes Jahr Euer schönes Land zu bereisen, haben allerdings etwas Angst, dass wir pleite zurückkommen. Wie teuer ist denn momentan ein Bier und eine Pizza bei Euch?

Ja, dass könnte Euch durchaus passieren (lacht). Aber das ist eine wirklich schwierige Frage, denn ich trinke nicht mehr, was meinem Geldbeutel sehr zugute kommt. Das letzte Mal, wo ich ein Bier getrunken habe, kostete das Gebräu knapp 1.100 isländische Kronen (entspricht ca.7€), was wirklich teuer ist. Eine Pizza ist auch recht teuer, doch mittlerweile haben wir hier eine neue Bude, bei der man für einen normalen Kurs was zu essen bekommt. Der Rest ist wirklich, auch für unsere Verhältnisse, sehr sehr teuer. Ich mache mir meine Pizza lieber alleine Zuhause, hahaha.

Bevor wir auf eure neue Platte zu sprechen kommen, muss ich die Uhr ein wenig zurückdrehen. Am 16.3. letztes Jahr habt ihr in der Berliner Apostel Paulus Kirche ein Konzert gespielt, welches ich in meinem Leben nie wieder vergessen werde. Die Atmosphäre, die Setlist, die Präsenz der Band, an diesem Abend stimmt einfach alles und meine Frau mutierte dort nun endgültig zum Solstafir Fan…

Oh echt? Das finde ich jetzt wirklich ziemlich geil. Kannte sie uns vorher gar nicht?

Nein, sie hatte von Euch noch nie etwas gehört, auch der Bandname war ihr vollkommen unbekannt. Nach dem Konzert allerdings hat sie Euren Merchstand leergekauft.

Das finde ich wirklich stark, dass wir mit unserer Musik immer mehr Leute erreichen, die uns vorher gar nicht auf dem Schirm hatten. Ich hoffe, sie kommt die nächsten Male auch wieder mit.

Davon gehe ich stark aus. Beim Party San letztes Jahr haben wir Euch ja auch noch gesehen. Aber zurück zur Ausgangsfrage. Was ist Euch von diesem Konzert im Gedächtnis geblieben?

Ich habe es geliebt und werde diese Erinnerung stets in meinem Herzen tragen. Es geht bei unseren Konzerten nie um uns, sondern um die Symbiose zwischen den Fans und uns. Als wir ankamen waren wir bereits begeistert, demütig und ich hatte von meinem Drumpodest aus die ganze Zeit die Menschen vor mir, konnte in ihren Gesichtern lesen und ihre Energie spüren. Das ist uns total wichtig, die Leute auf unsere Reise mitzunehmen, deshalb machen wir Musik. Diese großartige und fast unbeschreibliche Atmosphäre an dem Abend war ein Zusammenspiel aus all diesen Faktoren. Es war einer der besten Gigs, den ich jemals spielen durfte.

Für mich, der in seinem Leben schon eine Menge Konzerte erleben durfte, war dieser Gig mit einer der Besten aller Zeiten. Ist sowas für Euch Business as usual?

Niemals! Jedes Konzert ist anders, was nicht an unserer Setlist oder unserer Tagesform liegt, sondern an der Atmosphäre, dem Zusammenspiel zwischen uns und den Fans und der daraus entstehenden Kommunikation.

15 Jahre nach "Masterpiece of bitterness" habt Ihr mit "Endless twilight of codependent love" wieder einen englischen Titel verwendet. Warum?

Wir haben darüber tatsächlich eine Weile diskutiert, denn ein Teil der Band bevorzugte immer einen kalten, isländischen Titel, doch die Texte sollten hauptsächlich in Englisch sein, was ich wiederum nicht gut fand, da diese Texte in unserer Muttersprache die Seele von Solstafir ausmachen. Wir haben somit einen Kompromiss gefunden, mit dem jeder zufrieden war. Der Titel war vorher tatsächlich auf Isländisch, doch bei der Übersetzung stellten wir fest, dass der Titel auf Englisch auch sehr gut zu uns und unserer Musik passt.

Bitte erkläre mir doch mal genauer, was Ihr mit dem Albumtitel ausdrücken wollt.

Es geht um persönliche Beziehungen und deren Entwicklungen, die jeder von uns in der Band bereits mitgemacht hat und viele von Euch sicherlich auch. Ich glaube, dass wir auf dem Album so ziemlich jedes Spektrum menschlicher Tragödien, die dadurch ausgelöst werden können, abgedeckt haben. Es dreht sich viel darum, dass man in einer Beziehung feststeckt, eigentlich gehen will, es aber dann doch nicht tut und es damit meist noch schlimmer macht, als es eigentlich ist. Manchmal ist es dann einfach besser, loszulassen.

Ist es ein persönliches Album?

In machen Dingen ja, in manchen weniger. Schwierig zu beschreiben. Der eine von uns hat dieses, der andere jenes erlebt. Man kann von daher die Songs nicht verallgemeinern oder auf die gesamte Band herunterbrechen.

Textlich gibt es das volle Spektrum an menschlichen Tragödien. Alkoholismus, Depressionen…ähnlich wie bei Eurem Song "Necrologue" vom 2009er Album "Köld".

…und die Quintessenz unserer Songs liegt darin auch zu zeigen, dass man als Mensch dagegen ankämpfen kann, auch wenn man uns das nicht immer wirklich anhört, hahaha.

Früher gab es viel aus der Edda, aus der Natur. Es ging um Götter. Nun doch eher alltägliche, traurige Geschichten…

Da stimme ich Dir voll und ganz zu und finde es gut, dass Du das ansprichst. Manchmal muss man sich auch einfach mal mit den Dingen, die einen tagtäglich umgeben, auseinandersetzen. Wir sind natürlich auch alle älter geworden, haben natürlich keineswegs unsere kulturellen Wurzeln verleugnet oder vergessen, doch man bekommt ab einem gewissen Alter einfach einen anderen Blick auf die Dinge und das wollten wir umsetzen. Unsere gesamte Gesellschaft entwickelt sich momentan in eine sehr beängstigende Richtung und bot uns somit eine Menge Möglichkeiten, unsere Sicht der Dinge dementsprechend zu interpretieren. Das Album ist vielleicht weniger persönlich, sondern vielmehr realistisch. Das trifft es ganz gut.

Euer neues Album hat eine Unmenge an musikalischen Einflüssen zu bieten. Man hört Soundtrack-artige Passagen, ein wenig Black Metal, wie zu den Anfangstagen von Solstafir und sogar Passagen, die gut und gerne zu Kraftwerk oder anderen elektronischen Bands passen würden. Wurden alle musikalischen Wünsche der Bandmitglieder beim Songwriting berücksichtigt?

Ja auf jeden Fall, allerdings manchmal auf etwas umständlichen Wegen, als Du Dir vielleicht denkst. Wenn eine Idee im Raum steht und wir daran arbeiten, ist da noch keinerlei Einfluss von irgendeiner Seite vorhanden. Vielmehr fangen wir irgendwann an darüber zu diskutieren, wie dieses oder jenes Riff klingt und da fallen manchmal schon ein paar Bandnamen, die ich noch nie in meinem Leben gehört habe (lacht). Manchmal vergleichen wir die neuen Sachen auch mit unserem alten Scheiß und basteln dann an dieser Idee weiter rum. Allerdings immer mit dem Anspruch und der Vorgabe an uns selbst, dass wir uns niemals irgendwie selbst kopieren oder irgendjemand anderen.

Die Streicher, die Chöre oder all dieser klassische Kram ist jedenfalls nicht auf meinem Mist gewachsen, denn ich bin Schlagzeuger und konzentriere mich dann im letztendlich fertigen Song auf meine eigentliche Arbeit. Wichtig dabei bleibt aber immer, dass wir die meistens Instrumente selber einspielen. Alle Piano Passagen beispielsweise stammen von uns.

Macht es eigentlich Spaß, wenn man außerhalb gängiger Konvention und Meinungen Musik machen kann, die einem selber gefällt, ohne dabei anderen gefallen zu müssen?

Aber sicher! Noch viel geiler ist es, von anderen Bands Musik zu hören, die sich auf deine eigene Musik beziehen. Das finde ich megacool. Überleg mal…man arbeitet vielleicht monatelang an einem Song und hört später von einer anderen Band, dass wir sie damit beeinflusst haben. Das macht mich unglaublich stolz, da es in letzter Zeit auch öfter passiert. Und selbstverständlich ist es toll, das zu machen, was einem selbst Spaß macht, ohne irgendwelche Anforderungen erfüllen zu müssen.

Stört es Euch denn, wenn ewig Gestrige Euch musikalischen Verrat vorwerfen oder einfach das hassen, was Ihr mittlerweile macht?

Das stört uns nicht im Geringsten, denn du kannst es eh niemals allen recht machen. Natürlich hoffen wir immer, dass Leute unsere Musik mögen, doch wenn es nicht so ist, dann eben nicht.

Was war die Idee hinter der Verwendung des Bildes "Lady of the mountain" von Johann Baptist Zwecker? Warum kennt jeder Mensch in Island dieses Bild?

Er hat das Bild 1866 unter dem Titel „Iceland“ veröffentlicht und seitdem identifizieren wir uns als Isländer mit diesem Gemälde. Es trifft unsere Seele, zeigt die Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Landes. Am 17.06. jedes Jahres haben wir unseren „Lady of the mountain“-Day wo in jedem Jahr eine Schauspielerin diese Rolle verkörpert und in der Innenstadt Gedichte und Lyrik vorträgt. Dieses Bild und alles, was damit zusammenhängt, ist mittlerweile ein sehr wichtiger Teil unserer Kultur.

Ich las, dass diese Lady die weibliche Seele Islands verkörpert...

Ohja, das trifft es sehr gut, vor allem in dem Zusammenhang, dass wir es als Albumcover verwendet haben, da sich viele unserer Texte um Frauen dreht.

Du bist seit 2015 in der Band und hast erstmals auf der "Silfur-Refur" EP mitgespielt. "Endless twilight" ist erst Dein zweites Album mit der Band, doch Du klingst, als ob Du schon seit dem Beginn vor 25 Jahren zur Band gehören würdest. Wie war der Einstieg bei Solstafir für Dich

Ein sehr schönes Kompliment, vielen Dank dafür. Ich war als Lehrer an einer Musikschule und wurde gefragt, ob ich mit den Jungs zusammen eine Tour spielen wolle. Natürlich wollte ich und während dieser Rundreise kristallisierte sich immer mehr heraus, dass es einfach gut zwischen uns passt und somit war ich drin. Wir haben jeder ziemlich schnell gemerkt, dass de Chemie stimmt und deswegen haben wir gemeinsam weitergemacht.

Als ich Dich erstmals als neuen Drummer live gesehen habe, vermutete ich eher einen jazzigen Background, statt Metal oder Rock...

Da hast Du aber gut aufgepasst (lacht). Ich habe Jazz in der Schule gelernt, es aber nie selbst wirklich so richtig gespielt. Ich bin eigentlich eher ein Grunge Drummer und habe in den Neunzigern eher so ein Zeug wie Pearl Jam gezockt (lacht). Ich mochte aber auch schon immer die Smashing Pumpkins

Die ja ebenfalls „Lady of the mountain“ als Cover verwendeten…

Ja, das war wirklich witzig, doch mehr ein Zufall. Aber zurück zu Deiner Frage. Ich war wirklich nie unbedingt ein Extrem Metal Drummer und habe viel auf Nicht-Metal-Festivals gespielt, mochte aber die Energie, die ich auf der ersten Solstafir Tour aufgeschnappt habe. Und somit bin ich dann dabeigeblieben.

Isländisch ist nicht unbedingt die einfachste Sprache, die man erlernen kann. Habt Ihr dennoch auf Euren Konzerten schon einmal Menschen erlebt, die fehlerfrei Eure Songs mitsingen können?

Hahaha, sehr gute Frage und ja, das haben wir. Ich habe zwar nicht so hundertprozentig darauf achten können, ob sie den ganzen Song mitsangen, aber die Refrains haben sie manchmal richtig gut drauf. Ich sehe das ja von meinem Drumkit aus nicht so deutlich wie die anderen, doch an den Lippenbewegungen konnte ich schon oft erkennen, dass die Leute mit unseren Texten, zumindest phonetisch, vertraut waren. Ob die Aussprache allerdings korrekt war, werde ich wohl zukünftig etwas genauer untersuchen und Noten verteilen müssen, hahaha



SOCIAL MEDIA

Album der Woche

Album des Monats

Album des Jahres

MERCH

70.000 Tons 2024

The new breed

Mottenkiste

wo wir sind

ZO SONGCHECK

V.I.P.

alter Z.O.F.F.

Unsere Partner

Join the Army

Damit das klar ist