VERZAUBERT!
Es passiert wirklich recht selten, dass mich ein Album emotional mitnimmt, ich Gänsehaut bis in den kleinen Zeh bekomme und schon recht früh im Jahr der Auffassung bin, das Album des Jahres vorliegen zu haben. So geschehen beim dritten Meisterwerk der Schwedischen Doom Götter namens "Lamenting of the innocent". Bereits die Vorgänger Alben standen bei mir sehr hoch im Kurs, doch mit dieser opulenten Göttergabe haben es Sorcerer geschafft, dass ich zum Fanboy mutiert bin. Dementsprechend freudig reagierte ich auf die Nachricht, mit Frontmann Anders Engberg ein wenig über die Band, die schwedische Regierung und natürlich das Album zu sprechen.
Anders, ich danke Dir recht herzlich für Deine Zeit und ich freue mich, mit Dir über Sorcerer zu sprechen. Wie geht’s Dir und der Band momentan?
Zu der Corona Pandemie in Schweden gab es ja vor allem in den deutschen Medien unterschiedliche Aussagen, die von „Pionieren“ und „vorbildlich“ bis hin zu „absoluten Desaster“ alles beinhaltete. Wie hat sich die Krise auf die Band und Dich persönlich ausgewirkt?
Wir haben in Schweden tatsächlich Vertrauen zu unserer Regierung und haben deren Maßnahmen und Empfehlungen ergriffen und eingehalten, um so die Krise zu bewältigen. Wir haben meiner Ansicht nach alles getan, was dazu notwendig war und werden dies auch weiterhin tun. Die Krise hat ja nicht nur uns, sondern alle im Business getroffen und wir vertrauen unserer Agentur, die uns sagt, wie es weitergehen wird. Alle unsere gebuchten Shows wurden auf nächstes Jahr verlegt und wenn die Zeit reif ist, werden wir da noch eine ganz dicke Schippe draufpacken, wenn die Zeit reif ist und wir es auch wieder dürfen.
Ihr habt Sorcerer 1988 gegründet, 1992 kam dann der Split, ohne jemals ein Album veröffentlicht zu haben, zu dem sich dann noch der Wechsel von Johnny Hagel zu Tiamat gesellte. Warum habt Ihr Euch dann doch 2010 wiedervereinigt und warum hat Johnny letztes Jahr die Band dann doch verlassen?
Witzigerweise war es nie beabsichtigt, Sorcerer zu reformieren, doch wir bekamen eine Anfrage vom Hammer of Doom Festival bei Euch in Deutschland und wir dachten, dass es durchaus spaßig werden könnte. Wir waren dann gelinde gesagt mehr als überrascht über den fantastischen Empfang, den wir bekamen und somit ging es dann einfach weiter.
Johnny ist immer noch ein sehr wichtiger Bestandteil der Band. Er schreibt Songs und verwaltet zusammen mit unserem Manager Jeroen Peterse das Merch und einige Label-Geschichten.
Eure Entwicklung danach war jedenfalls rasant. 2015 mit "In the shadow of the inverted cross" das erste Highlight, 2017 gefolgt vom nicht minder großartigen "The crowning of the fire king" und nun dieses geniale Album. Habt Ihr während der Arbeit an „Lamenting of the innocent“ schon gemerkt, was für ein Monster Ihr erschaffen würdet?
Danke Dir für das Lob und nein, denn wir schreiben niemals Songs wenn wir merken, dass sie monströs werden könnten, hahaha. Als wir 2019 mit den Arbeiten begannen, haben sich diese über mindestens ein halbes Jahr lang entwickelt und schlussendlich standen fast 14 Songs zur Auswahl. Natürlich waren wir etwas nervös, wie die Leute darauf reagieren würden, denn wir haben eine Menge Arbeit und Herzblut investiert, wussten aber nach dem Aufnehmen schon, wie gut diese sind.
Was die Reaktionen der Presse und vor allem der Fans mehr als wiederspiegelt. Ihr müsstest momentan die glücklichsten Musiker überhaupt sein.
Wir sind dankbar und voller Demut, wie das Album von allen aufgenommen wird. Wir haben so viele Mühen und Zeit investiert, um es genauso zu machen, wie es jetzt veröffentlicht wird. Und wenn man dann solche Reaktionen bekommt ist es herrlich und wir sind stolz wie Oskar. Wir lieben unsere Fans!
Ich bin seit dem ersten Album ein großer Fan Deiner Stimme und was Du jetzt auf dem neuen Album anlieferst, ist absolut phänomenal und mit das Beste, was der Doom Metal zur Zeit zu bieten hat. Ist Deine Stimme eine Gabe der Natur oder musstest Du Dir das hart antrainieren?
Nochmals vielen Dank! Ich singe seit nunmehr fast 30 Jahren, glaube und hoffe, etwas auf dieser langen Reise mitgenommen zu haben. Natürlich ist mir klar, dass ich die Stimme mit dem zunehmenden Alter ein wenig ändert und versuche, damit klarzukommen. Heutzutage denke ich mehr darüber nach, wie meine Stimme zum jeweiligen Song passt, statt so hoch wie möglich zu singen. Ich konzentriere mich auf die Melodie, damit ich meine Stimme dieser anpassen kann. Wie immer habe ich beim Schreiben und den Aufnahmen eng mit unserem Co-Produzenten Conny Welen zusammengearbeitet. Er kennt mich mittlerweile so dermaßen gut, dass er immer das Optimum aus mir herausholt. Wir haben eine absolut fantastische Beziehung zueinander.
Was war der Grund dafür, dass Ihr „Lamenting of the innocent“ digital bereits eine Woche vorher veröffentlicht habt, die CD und Vinyl Varianten aber erst 7 Tage später?
Die Verzögerung war klar eine Folge der Covid-19 Situation, denn ursprünglich sollte die Platte ebenfalls bereits am 29.05.2020 erscheinen, wurde dann aber um eine Woche verschoben. Leider hatten wir zu dem Zeitpunkt bereits den Release-Party-Stream gebucht. Dafür haben wir die digitale Veröffentlichung wie geplant durchgezogen und damit die Vorfreude bei vielen noch verstärkt. Wir konnten halt urplötzlich nicht alles ändern. Im Endeffekt lief aber alles gut für uns ab.
Bitte erzähle mir doch ein bisschen über die Entstehungsgeschichte von „Lamenting of the innocent“. Seid Ihr nach der Entstehungsphase immer noch von der Scheibe überzeugt? Viele Bands brauchen ja meist erstmal etwas Abstand, um das eigene Material dann wieder vorurteilsfrei hören zu können.
Wir produzieren unsere Alben immer selbst und arbeiten lediglich mit Conny als Co-Producer zusammen. Wir wissen bereits im Vorfeld genau, was wir wollen und wie wir es umsetzen und von daher gab es bei den Aufnahmen nie zu größeren Problemen. Max Norman hat den Bonustrack gemischt, was sich im Nachhinein ebenfalls als tolle Entscheidung entpuppte. Ansonsten stand mit Ronny Björnström ebenfalls ein Mann unseres Vertrauens hinter den Knöpfen und hat der Scheibe den finalen Mix verpasst. Er ist mittlerweile ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unseres Sounds.
Klar bin ich von unserer Scheibe mehr als überzeugt und höre sie gern und häufig, fast jeden zweiten Tag. „Inverted cross“ höre ich nicht mehr allzu oft, im Gegensatz zu „Fire king“, die ich bis heute absolut großartig finde.
Wenn ich mir Euer Artwork in Zusammenhang mit dem Titel, gibt es nicht viel Interpretationsspielraum. Wie seid Ihr auf den Titel und Konzept gekommen?
Der Albumtitel wurde festgelegt, als alle Texte geschrieben waren und ich zusammen mit Justin Biggs und Conny das Konzept entwickelte. Aber Du hast recht, viel Spielraum für Interpretationen gibt es da wirklich nicht. Der Titel gibt exakt das wieder, was wir mit dem Konzept und dem Cover ausdrücken und vermitteln wollten.
Das Cover stammt aus der Feder von Dejan Marcović, der mir bislang unbekannt war. Wo habt Ihr ihn gefunden? Wenn ich mir seine Arbeit anschaue kann ich mir gut vorstellen, dass seine große Zukunft vor ihm liegt.
Du hast recht, er ist ein wirklich überragender Künstler. Ich war von seinen verschiedenen Arbeiten komplett begeistert, die er bereits vorher für Bands und Bücher abgeliefert hatte. Ein klasse Kerl und ein fantastischer Künstler. Gefunden habe ich ihn tatsächlich auf Facebook und als ich ihn den anderen vorgeschlagen und gezeigt hatte, lautete die Antwort einhellig: Ja, das ist unser Mann!
Ihr habt zu jedem einzelnen Song ein Video gedreht und veröffentlicht, was absolut unüblich, aber großartig ist. Wie kam es dazu und es muss doch ein Vermögen gekostet haben?
Ich habe von meinem Freund Simon Johansson, dem Gitarristen von Wolf, einen Tip bekommen, dass es da einen komplett oldschooligen Typen gibt, der wirklich visuell ansprechende Sachen macht. Nachdem ich ihn ausgecheckt hatte und mit der Idee bei der Band vorsprach, waren wir uns schnell darüber einig, das so durchzuziehen. Daniel Wahlström ist ein visionärer Künstler mit einem extrem hohen Tempo und Standards, was wir sofort als großartig empfanden.
Anfangs redeten wir über 1-2 Videos, doch als sich herauskristallisierte, dass es ein komplettes Konzeptalbum werden würde, meinte Johnny nur: Hey, lass uns doch gleich für jeden Song ein Video machen. Ich erzählte es Daniel und er sprang mir sofort zur Seite. Da er weder CGI noch Green Screens verwendet, sind die Kosten für die Videos viel geringer als man vermuten würde und somit stand dem Projekt nichts im Wege. Aber natürlich haben uns die freiwilligen Akteure und andere Umstände dabei geholfen, die Kosten auf ein Minimum zu beschränken.
Ich habe das Gefühl, dass Ihr mit „Lamenting“ den großen Wurf gelandet habt und man sagt ja, dass das dritte Album richtungsweisend für den Durchbruch und den kommerziellen Erfolg einer Band ist. Habt Ihr alles auf eine Karte gesetzt?
In solchen Begriffen denken wir nicht. Wir haben mit Metal Blade ein Label, was an uns glaubt und wir sind dazu entschlossen, zu jeder Zeit unser Bestes zu geben. Diese Kombination kann uns auf die nächste Stufe, das nächste Level bringen. Wir werden einfach abwarten und schauen.
Die letzten Worte sollen Dir gehören.
Vielen Dank für Deinen Support und Dank an alle unsere Fans da draußen, seien es alte oder neue. Wir sind sofort on the road, wenn all dieser Mist endlich vorbei ist. Also haltet Eure Augen und Ohren offen, checkt unsere Kanäle, um auf dem Laufenden zu bleiben und den Glauben zu bewahren (grinst). Nach dieser schweren Zeit werden wir wieder zu einer Art Normalität zurückkehren. Und vergesst ja nicht, Euch immer die Hände zu waschen. Prost!