EIN GROßER FISCH IM KLEINEN TEICH
Natürlich ist es nicht einfach, bei den 2016 in Erinnerung an Drummer Martin „Kiddie“ Kearns gegründeten Memoriam NICHT auf die berühmte und von mir und vielen anderen verehrte Vorgängerband zu sprechen zu kommen, doch bereits im Vorfeld wurde seitens meines Gesprächspartners Karl Willetts deutlich und unmissverständlich klar gemacht, dass Fragen diesbezüglich nicht beatwortet werden und ein weiteres Aushorchen zu ähnlich gelagerten Themen sofort zum Ende des Gespräches führen würden. Nun ja, davon kann man halten was man will, doch zumindest ist der 1966 geborene Kult Frontmann heute noch genauso konsequent wie er und seine ehemaligen Mitstreiter besagter Vorband früher schon waren und sich damit in der Szene einen Ruf wie Donnerhall erarbeiteten. Doch zurück zum eigentlichen Thema und das heißt „To the end“.
Mit dem in gerade einmal 5 Bandjahren bereits vierten veröffentlichten Album haben sich die Herren Healy, Fairfax, Willetts und Neuzugang, Sacrilege und Killing Joke Drummer Spikey T.Smith, endgültig freigeschwommen, alte Fesseln abgelegt, ihren eigenen Sound manifestiert und sich zu etwaigen Ähnlichkeiten zu früheren Brötchengebern weitgehend distanziert. Überhaupt zeigt die Leistungskurve der Jungs aus Birmingham steil nach oben und nicht nur ich vertrete die Ansicht, dass nach den zwei eher mauen ersten Alben die Kehrtwende mit dem bärenstarken „Requiem for mankind“ eingeläutet und mit „To the end“ der verdiente Ausgleich zum 2:2 erzielt wurde. Ich war jedenfalls gespannt, was Karl mir alles erzählen würde, als wir uns zu einem Zoom Meeting verabredeten, welches extrem spaßig wurde, da Mr.Willetts in Plauderlaune war. Glaubt Ihr nicht? Dann schaut Euch das komplette Interview unten nochmal an.
Als Erstes möchte ich Dir sagen, dass ich mich sehr auf unser Gespräch gefreut habe, denn Deine Stimme hat mich seit den Achtzigern ständig begleitet und gehörte immer zu einer meiner liebsten. Hand aufs Herz: Wie sehr genießt Du es, solch einen Kultstatus zu haben?
Naja…ich habe lange und hart daran gearbeitet und dementsprechend kann man sagen, dass dieser sehr wohl verdient ist (lacht). Spaß beiseite. Es ist wirklich toll, in solch einer Position in diesem Part meines Lebens zu sein. Wenn Du mich mit 21 gefragt hättest, wo ich mit…Moment…ich bin 1966 geboren, also muss ich (rechnet nach) 54 sein…ich hätte das so niemanden geglaubt. Ich hätte herzhaft darüber gelacht, wenn mir jemand prognostiziert hätte, dass ich diese Musik über 30 Jahre lang machen werde. Es ist einfach klasse, immer noch die Möglichkeit zu haben, das zu machen, was mir Spaß macht. Da ist irgendwo hinter mir ein Antrieb, eine Macht, die mich antreibt, immer weiterzumachen.
Ich weiß natürlich, dass ich mich in einer recht privilegierten Position befinde, an der Ihr da draußen mitschuldig seid und ich fühle mich dankbar dafür. Ich liebe und genieße es jeden Tag und wenn ich dann auch noch höre, dass Menschen wie Du mit mir und meiner Musik groß geworden sind, besser gesagt, wir zusammen erwachsen geworden sind, dann hört sich das großartig an. Viele Leute sagten mir, dass meine Musik sie durch schwierige Zeiten begleitet haben und dabei half, Probleme zu lösen und so etwas macht mich unglaublich stolz. Aber die Reise wird weitergehen und ich habe keinerlei Absichten, in naher Zukunft aufzuhören. Außer mich stoppt eine Kugel (lacht).
Sag mal, was ist da eigentlich in Englands zweiter Liga, „The championship“ los? Der Birmingham FC nur auf Platz 21 in der Tabelle und gestern lediglich ein Unentschieden gegen Huddersfield. Steht Dein Team vor dem Abstieg?
(schlägt die Hände über dem Kopf zusammen) Absolut und es zerreißt mich total. Letzte Woche war das 10jährige Jubiläum unseres Sieges im Liga Cup gegen Arsenal und es war eine monumentale Gelegenheit, den Birmingham FC für die nächsten 10 bis 15 Jahre fit zu machen, weiterzugehen und auf diesem grandiosen Sieg aufzubauen (2:1, Tore von Zigic und Martins für Birmingham und van Persie für Arsenal).
Doch stattdessen ging es kontinuierlich bergab, erdrutschartig, was auch an den Besitzern lag, die beispielsweise eine völlig unsinnige Kooperation mit chinesischen Investoren eingegangen sind, die mehr an Gewinnen und Finanzen interessiert sind, statt in Fußball, und die absolut gar nichts gebracht hat. Das ist für die wie ein Besuch im Kasino. Das hat den Club unglaublich viel Geld gekostet, welches man an anderer Stelle weitaus gewinnbringender hätte einsetzen können. Dazu kommt, dass im Management viele Fehler gemacht wurden. Die falschen Spieler wurden entlassen, die falschen verpflichtet, was den Untergang des Clubs noch beschleunigte.
Ich denke, dass uns der Abstieg guttun würde, um sich in der dritten Liga wieder zu sammeln und neu anzufangen. Mann, die sielen den schlimmsten Fußball den ich in meinem ganzen Leben je von denen gesehen habe. (Er erzählte noch eine ganze Menge über den Manager und Taktik, das könnt Ihr unten nachhören)
Meine Liebe ist durch all diese Tragödien doch etwas erkaltet und dennoch höre ich alle Matches im Radio, verfolge die Spiele, auch wenn es manchmal einer Folter gleichkommt, gehe aber mittlerweile zu meinem lokalen Team den Solihull Moors und unterstütze die. Die spielen zwar in einer der unteren Ligen, doch da ist noch Herz, Leidenschaft und Kampfgeist bei und man merkt, dass die Jungs für die Fans und weniger fürs Geld spielen.
Geld hat viel im Fußball viel kaputt gemacht. Nicht nur in England, sondern auf der ganzen Welt. Diese Summen haben absolut nichts mehr mit der Realität zu tun und verdrehen den jungen Spielern nur die Birne. Dazu all die ganzen Wettanbieter, Sponsoring. Auch die Beziehungen der Klubs zu den Fans driften immer weiter auseinander. Es ist wirklich schlimm. Und wenn die Pandemie endlich vorbei ist, gehe ich zu den Moors und werde die komplett unterstützen. (Hier gab es dann noch ein paar Insider Informationen, die Ihr auch unten nachschauen könnt) Das war eine extrem lange Antwort auf eine sehr kurze Frage, hahahahaha.
Florian von Reaper Entertainment hat mich schon vorgewarnt, dass Du gerne und viel erzählst…
Wäre Sprechen eine olympische Disziplin, ich hätte einen Haufen Goldmedaillen (Gelächter). Ich hatte mal ein Interview, bei dem mir eine Frage gestellt wurde und ich begann, satte 45 Minuten zu sprechen. Als ich dann zum Ende kam fragte ich meinen Gegenüber, ob er noch irgendwelche Fragen hätte. Darauf er: „Nein, du hast mir bereits alles beantwortet“ (lacht).
Im Gegensatz zum Birmingham FC klopfen Memoriam aber jetzt an die Champions League Plätze des Death Metal an. Stimmst Du mir zu, wenn ich die These aufstelle, dass Ihr Euch mit „To the end“ endgültig freigeschwommen und allen Menschen, die Euch mit Deiner ehemaligen Band verglichen, zum Schweigen gebracht habt?
Absolut und definitiv. Hast aber schön die Kurve vom Fußball zur Musik gefunden, gratuliere (Gelächter). Es ist natürlich schwer zu steuern, wie die Menschen auf eine neue Band reagieren, wenn du solch ein Erbe mit dir rumschleppst und permanent mit diesem verglichen wirst. Das ist irgendwann verdammt nervig. Dann kommen natürlich auch die Nörgler: Das klingt ja genauso wie Band XYZ, oder da ist zu wenig von XYZ mit drin. Das ist eine ständige Debatte, ein Diskurs, den man einfach nicht gewinnen kann, also lassen wir es.
Das Resultat all dessen ist, dass wir uns einfach weiterhin auf das fokussieren, was wir mit Memoriam begonnen haben und versuchen, uns über unseren immer weiter ausbaufähigen Sound selber zu definieren und das Vergangene vergangen sein zu lassen. Natürlich hätten wir uns es sehr einfach machen können und den Sound meiner alten Band 1:1 kopieren, doch das macht für mich absolut keinen Sinn. Wir wollen etwas eigenes, eine eigene Identität und da befinden wir uns auf einem guten Weg.
Wir haben auf den ersten beiden Alben eine Menge herumexperimentiert, um exakt das zu erreichen, was ich eben erwähnt habe und um uns, wie Du es so schön gesagt hast, freizuschwimmen. Einiges davon hat funktioniert, anderes nicht und das ist vollkommen in Ordnung und war auch so von vornherein eingeplant. Das ist ein Part der Kreativität, Dinge auszuprobieren und an Ideen zu arbeiten.
Beim dritten Album "Requiem for mankind" hatten wir dann unseren Sound weitgehendst gefunden und die Scheibe entpuppte sich als das fehlende Puzzleteil. Ebenso wie Russ Russell, der als Produzent zu uns stieß und exakt das umsetzte, was wir uns immer vorgestellt hatten, aber irgendwie nicht aufs Brett bekommen haben. Mit seinem Einfluss und seiner Arbeit haben wir quasi die Blaupause für alle kommenden Memoriam Alben geschaffen und ich glaube, dass hatten wir uns nach der harten Arbeit vorher einfach verdient. Und komischerweise lag die Antwort so nah und war einfacher, als wir es uns jemals gedacht hatten.
„To the end“ ist der logische Nachfolger, sprich der zweite Teil von „Requiem“ und ja, wir beschreiten zum Teil Pfade, die wir bereits in der Vergangenheit beschritten, ohne uns allerdings auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern vielmehr diesen Sound zu refreshen, aufzumotzen und einen neuen Anstrich zu geben. Es gibt einen arschvoll Parts auf dem Album, die wir so in der Form noch nie probiert haben. Das Schlüsselwort hier heißt wohl „Abwechslung“.
Natürlich habe ich damit leben gelernt, permanent mit meiner alten Band verglichen zu werden, doch nach nunmehr 5 Jahren mit Memoriam fühlt sich das langsam etwas seltsam an, dass immer wieder solch alte Geschichten hochkommen. Ohne jetzt unhöflich zu wirken da ich weiß, welchen Platz diese Band für viele Leute in ihren Herzen einnimmt, aber es ist vorbei! Geht weiter, schaut nach vorne, macht es Euch selber, hahaha. Genießt den Moment, guckt in die Zukunft, umarmt Euch und Eure Freunde.
Natürlich ist mir klar, dass meine Vergangenheit maßgeblichen Anteil daran hatte, dass ich jetzt dort bin, wo ich bin und dafür bin ich auch zutiefst dankbar und werde mein Erbe auch immer in Ehren halten. Trotzdem bin ich genauso stolz darauf, was ich mit Memoriam in den letzten Jahren erreicht habe, denn ein Selbstläufer war das ganz sicher nicht.
Im Vorfeld zu den Aufnahmen gab es ein Wechsel am Schlagzeug: Andrew Whale stieg aus und wurde von Sacrilege Drummer Spikey T.Smith ersetzt. Warum? Ich muss allerdings anmerken, dass ich sein Spiel auf der Scheibe total geil finde…
Jaaa, wir haben einen neuen Drummer! Andie ist einer meiner besten und ältesten Freunde, wird es auch immer bleiben und wir wussten, dass wir irgendwann mal wieder zusammen Musik machen werden, weshalb er dann zu einem wichtigen Bestandteil von Memoriam wurde. Er musste nun leider sein Drumpodest verlassen, da er eine schwerwiegende Muskelverletzung in der Schulter hat, die es ihm unmöglich macht, weiterhin auf diesem Level zu spielen. Es ist eine weitverbreitete Drummer-Krankheit und die Folgen seines jahrelangen, exzessiven Drum-Stils.
Außerdem wartet er beruflich Alarmanlagen, muss dabei Leitern steigen und sein Job ist wichtig, weshalb er diese Entscheidung treffen musste. Er trainiert momentan ziemlich hart, um wirklich wieder zu 100% fit zu werden. Ich weiß das, da wir uns immer noch regelmäßig sehen und es geht ihm gut dabei. Ich habe ihm von vornherein auch gesagt, dass wenn er wieder komplett fit sein sollte, ob es nun in 6 oder 12 Monaten oder wann auch immer sei, die Tür weiterhin offen für ihn steht. Mal schauen, was die Zukunft bringt und ob sich unsere musikalischen Wege wieder kreuzen, ob bei Memoriam oder wo auch immer.
Ich habe mich danach aber unfassbar darüber gefreut, einen Drummer in die Band zu holen, der in einer meiner absoluten Lieblingsbands aller Zeiten an den Kesseln saß, Killing Joke. Allein diesen Namen in den Mund zu nehmen, verursacht mir eine Gänsehaut. Er hat auch bei The Damned gespielt, hat also eine unfassbar beeindruckende Vita. Diese dadurch entstandene Professionalität hat man vor allem daran gemerkt, dass er erst im August zu uns stieß und wir im Oktober ins Studio gingen, er also lediglich 8 Wochen Zeit hatte, sich unser komplettes Material draufzupacken und das inmitten einer fuckin‘ Pandemie.
Er war unsere absolut erste Wahl und als wir ihn fragten, sagte er sofort zu. Während den Proben merkten wir sofort, dass er seinen eigenen Stil mitbrachte, uns damit ziemlich nach vorne brachte und unserem Sound ganz neue Nuancen verlieh. Das soll absolut keine Respektlosigkeit gegenüber Whale sein, bitte nicht falsch verstehen, denn beide sind vollkommen unterschiedliche Schlagzeuger. Er brachte halt einen völlig neuen Flow mit rein, aufgrund seines doch etwas abseits von uns liegenden Backgrounds und es passte komplett! Es ist ein absolut neues Level, auf das er uns mit seinem Spiel gebracht hat und es bestätigt, dass wir mit unserer Entscheidung richtig lagen.
Ich freue mich tierisch darauf, in der Zukunft weiter mit ihm zusammenzuarbeiten, Liveshows zu spielen, sofern das irgendwann mal wieder möglich ist und weiter von seinen tollen Fähigkeiten zu profitieren. Er wird auch viel zum Songwriting beitragen, denn er ist ein vollwertiges Mitglied der Band!
Kommen wir zur Musik. Gleich zu Beginn des Albums kann man beim Opener „Onwards into battle“ Fragmente von Funksprüchen hören und ich meine dabei sogar einen deutschen erkannt zu haben. Erkläre mir doch bitte mal, was man da genau hört? Außerdem klingt das Gitarrenlead am Anfang ein wenig nach „South of heaven“ von Slayer, wie ich finde…
(lacht) Jaaa, tut es, es ist unser Slayereskes Anfangsriff, sehr gut gehört. Die Funkfragmente wollten wir so international wie möglich halten, daher kam auch ein deutsches dazu. Meine Güte, wir sind ja fast deutsch: Deutsches Label, die meisten Presseanfragen kommen aus? Deutschland! Das größte Publikum, das wir haben? Deutsche! Mein Vorname? Deutsch (lacht herzhaft). Wir haben eine starke Affinität zu Eurem Land und haben daher neben Funksprüchen der Royal Airforce auch welche der Luftwaffe eingebaut.
„Onwards into battle“ war ja auch die erste digitale Single, die wir zum Album veröffentlicht haben, sie lief hervorragend und zeigte uns gleich, wohin die Reise gehen könnte. Es ist ein toller Einstieg in das Album und gibt dem Hörer gleich von vornherein die Marschrichtung vor. Der Song beweist auch die Nähe zum Vorgänger Album, denn er orientiert sich sehr nah an dem Material und ist von daher die logischste Wahl als Opener gewesen.
Viele der anderen Songs schlagen da schon eine etwas andere Richtung ein und es ist Twist and turn aller Stücke, was die Platte auch für mich so spannend macht. „Onwards“ ist da vielleicht für die Fans der einfachste Einstieg in unsere Welt, die wir mit der zweiten Single „Failure to comply“ noch etwas erweitern. Der Rest könnte aber dann vielleicht ein Schock für die Alteingesessenen sein…ein positiver, wie ich hoffe, hahaha. Wir haben einige Songs, bei denen wir viel ausprobiert haben. „Each step (closer to the grave)“ zum Beispiel…
Der ziemlich doomig ausgefallen ist…
Ja, total epic Doom, was wir vorher nie ausprobiert haben.
„Vacant stare“ hat dagegen unfassbar viele oldschoolige Thrash Anleihen…
Genau, dazu „Mass psychosis“, der komplett industrial ausgefallen ist und einige etwas verschreckt haben könnte.
Und auch bei uns für viel Diskussionsstoff gesorgt hat, da er so irgendwie gar nicht in das Konzept Memoriams passen will.
Das sagst Du (lacht). Meine absolute Lieblingsband aller Zeiten ist und bleibt, wie bereits erwähnt, Killing Joke und irgendwie hatte ich schon immer einen dermaßen gelagerten Song im Blut, den ich irgendwann mal aufnehmen wollte, was wir jetzt getan haben. Als wir das Riff geschrieben haben war noch gar nicht klar, dass es dieses sein würde, was später zu dem von mir so erhofften Song führen sollte. Dann kam Spike dazu mit seinen Killig Joke Wurzeln und es entwickelte sich immer weiter. Als uns Shane Embury von Napalm Death im Studio besuchte, war „Mass psychosis“ sofort sein absoluter Lieblingstrack.
Wenn ich Interviews gebe frage ich meinen Gegenüber immer, welchen Song er am liebsten mag und vor allem warum und jede Person, die ich fragte, kam mit einem anderen Song an, was ich total geil finde. Für mich persönlich ist „As my heart grows cold“ mein absoluter Favorit, weil es eine epische Lebensgeschichte über Leben und Trauer ist, der mir sehr nahe geht und einer der besten ist, den ich jemals aufgenommen habe.
Mein Lieblingssong ist „Failure to comply“, auf dem Du schon fast melodiös singst im Refrain. Wie kam das denn zustande?
Das liegt an der Leidenschaft in dem Song, da habe ich wirklich alles reingelegt. Das ist auch alles der Pandemie geschuldet, denn wir hatten fast gar nichts zu tun und konnten unseren Fokus komplett auf das neue Album legen. Normalerweise machst du ein Album, spielst Gigs, gehst auf Tour, probst, gehst wieder ins Studio und hattest da vielleicht lediglich vier Wochen zur Vorbereitung. Meistens entstehen meine Texte erst während der Aufnahmen im Studio, wenn die Musik bereits vollkommen fertig ist.
Diesmal war die Musik im Juni/Juli komplett fertig und ich hatte haufenweise Zeit, mich an die Lyrics zu setzen und diese haarklein auszuarbeiten. Das war für mich mal eine vollkommen neue Herangehensweise und ich war total glücklich damit. Ich bin dann zu Scott (Fairfax) in sein Riffmaster Studio gegangen und habe Demos der Lyrics angefertigt, was ich vorher noch nie in meinem ganzen Leben getan habe. Es war großartig, denn ich konnte an Timings, an Aussprachen arbeiten und ich wusste genau, bevor wir ins Studio gingen, was mich erwartet und wie die Songs zu singen sein würden.
Diese Vorbereitungszeit hat das Album exakt zu dem gemacht, was es jetzt ist und die Aufnahmen, als Resultat daraus, waren dermaßen einfach und entspannt, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich bin kein Rob Halford, werde ich auch nie sein, doch ich kann mir nun exakt vorstellen, wie es ist, vorbereitet ins Studio zu gehen. Alles war geplant, wir wussten, was wir wollten und das fertige Resultat zeigt es deutlich.
Krieg ist ja schon seit je her ein zentrales Thema in Deinen Texten. Findest Du es eigentlich traurig, dass es immer noch so viel „Inspiration“ für Deine Texte auf der Welt gibt?
Ja, definitiv und vor allem merke ich es am meisten, wenn ich mich hinsetze und über neue Themen nachdenke. Dort stelle ich dann meistens fest, dass es noch eine ganze Menge an Material für viele weitere Alben gibt. Allerdings habe ich beim finalen Lesen der Lyrics für das neue Album gemerkt, dass ich unglaublich viel Politisches verarbeitet habe, was wohl der momentanen Situation geschuldet ist. Rassismus, der wieder aufkeimende Faschismus, die Black lives matter Bewegung, Trumpism (geiles Wort), das alles war wohl in meinem Kopf, als ich an den neuen Texten gearbeitet habe. „Failure to comply“ ist dafür das beste Beispiel und ich freue mich, dass Dir der Song so gut gefällt.
Ich versuche, eine Balance zu finden und nicht nur ausschließlich über Krieg zu schreiben, was ich ja sonst hauptsächlich tu, wie Du korrekt angemerkt hast. Ich will da auch niemals irgendetwas glorifizieren, sondern halte mich lediglich an die Fakten und das ist manchmal schon beängstigend. Ich muss allerdings anmerken, dass ich nach Beendigung der Lyrics tatsächlich noch einiges verändert habe, um kein komplett politisches Album aufzunehmen, denn das wäre tatsächlich ein wenig too much gewesen. Die Leute erwarten von mir Kriegsthemen und das gebe ich ihnen dann.
„Onwards into batle“ oder „This war is won“ waren zwei Songs, die vorher einen völlig anderen Kontext hatten und von mir noch bearbeitet wurden. Ja, sie handeln vom Krieg, aber genauso vom Leben. Es ist ein Zwiespalt, den ich hier versucht habe, herauszuarbeiten. Krieg ist leider auch Leben und umgekehrt, in vielen Aspekten. Jeder Tag ist ein Kampf und man versucht, zu überleben. Man muss sich sein Leben verdienen und es muss sich natürlich auch lohnen.
Diese beiden Songs sind für mich die stärksten, weil die Leute sich damit identifizieren, sich darauf beziehen und vieles herauslesen können. Es sind Erfahrungen, die ich gemacht habe und die andere machen können und werden und das habe ich versucht, in diese Texte einfließen zu lassen. Es ist eine schöne Balance in den Songs die passt und auch funktioniert, obwohl ich anfangs ein klein wenig zweifelte.
Für das Albumcover habt Ihr erneut Dan Seagrave gewinnen können, der, wie ich finde, seinen dritten Frühling erlebt. Für mich als Death Metaller seit den Achtzigern ist der Mann einfach unverzichtbar und ich liebe seine Arbeiten. Das müsste Euch doch genauso gehen, oder? Er hat doch wieder für das Cover von „To the end“ Unglaubliches abgeliefert…
Wer lief denn da gerade durchs Bild?
Das war mein Sohn…
Hallo Sohn! (Gelächter). Der soll mir ein Bier mitbringen. Ja, Dan Seagrave…es gab für uns keinerlei Fragen, erneut mit ihm zusammenzuarbeiten, da er ja schon die ersten drei Alben gezeichnet hatte und dadurch mit dem Gesamtkonzept mehr als nur vertraut war. Seine Artworks erzählen ebenso eine Geschichte wie auch unsere Songs. Wie Du ja sicherlich gemerkt hast, waren auf jedem der ersten Alben der Sarg abgebildet. Somit werden diese quasi als „Death-Trilogie“ in unsere Geschichte eingehen. Doch diese Geschichte ist abgeschlossen und wir überlegten, wie es weitergehen könnte. Und wie man das bildlich umsetzen könnte.
Dan macht unfassbar detaillierte Bilder und uns war und ist es wichtig, das Artwork Level hoch zu halten. Natürlich könnten wir auch mit anderen Künstlern zusammenarbeiten, doch dann besteht bei uns durchaus die Gefahr, ein wenig an der eigenen Identität einzubüßen, da diese Cover einfach zu uns gehören und uns identifizieren. Listen to the albumcover…äääh…the album (lacht). Das Cover ist ein essentieller Bestandteil unserer Musik und außerdem…wer von uns hat nicht in den Achtzigern einfach mal eine Schallplatte nur wegen des Covers gekauft?
Dans Arbeit ist ebenso wichtig wie die Musik. Sie erklärt die Geschichte, die Figuren. Das neue Artwork ist quasi ein Prequel zu den ersten drei Alben und beinhaltet diese Führungsfigur, welche seine Truppen in den Kampf schickt. Er geht quasi seinem eigenen Ende entgegen, „To the end“ und wird eine zentrale Figur in der nächsten Trilogie, also den nächsten drei Alben, inklusive diesem, sein. Nennen werde ich sie voraussichtlich „The Life-cycle“ und sie wird ein wenig leichter als die Vorgänger, denn ich will damit Hoffnung vermitteln, wie man eben auch am Cover ein wenig erkennen kann. Das ist Licht im Hintergrund, welches Hoffnung symbolisieren soll, gerade auch während dieser ganzen Covid Geschichte. Licht am Ende des Tunnels quasi.
Wir befinden uns am Anfang einer neuen Memoriam Trilogie, welche ihren Anfang mit „To the end“ hat. Dazu ein neues Label, einen neuen Drummer, eine spannende Zeit.
Du hast die einschneidende Veränderung im Hause Memoriam bereits kurz angerissen, denn mit dem neuen Album seid Ihr nicht mehr beim Branchenprimus Nuclear Blast, sondern beim steil empor steigenden Reaper Entertainment. Warum der Wechsel?
Ich glaube, dass war und ist eine natürliche Entwicklung. Außerdem waren wir mit unseren 3-Alben Vertrag bei Nuclear Blast durch und die dort stattfindenden Veränderungen waren so groß, dass wir uns nicht sicher waren, wie es dort weitergehen würde. Selbiges schien auch zu denken, denn die schüttelten ihr Roster ziemlich durcheinander und zogen die Option für ein viertes Album nicht.
Wir sind eben nicht Amon Amarth oder Sabaton, die mittlerweile einen Haufen Platten verkaufen, die sie auch durch große, aufwendige und ausufernde Tourneen promoten können. Wir waren ein kleiner Fisch in einem großen Teich und wollten die Dinge so anpacken, wie wir es für richtig halten und nicht umgekehrt. Dazu kam auch noch, das die Leute, mit denen wir direkt zusammengearbeitet haben, Nuclear Blast verlassen mussten, im speziellen Fall rede ich hier von Flori Milz, der dann sein eigenes Label gestartet hat (wozu wir demnächst auch ein ausführliches Gespräch bringen werden-Olaf) und uns versicherte, dass sich nichts großartig ändern würde, was uns sehr entgegenkam, denn die Arbeit mit ihm war immer mit Respekt und Spaß verbunden. Nun sind wir ein größerer Fisch in einem kleinen Teich, was sich gut anfühlt (lacht).
Reaper legen unglaublich viel Wert auf Qualität statt Quantität und veröffentlichen lieber ein gutes Album im Monat als 3 oder 4 halbgare pro Woche. Das zahlt sich für uns aus und wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit für die weiteren Alben. Happy Days (lacht)!!!
Produziert hat das Album der großartige Russ Russell, der auch schon Dimmu Borgir, Insidious Disease oder natürlich Napalm Death perfekt in Szene gesetzt hat. Ich finde, er hat einen verdammt guten Job abgeliefert, da der Sound jetzt nicht unbedingt sofort auf Russell als Produzenten hinweist. Wie siehst Du das?
Genauso! Er war sich durchaus bewusst, was wir wollten und dazu kam auch noch der Fakt, dass wir die erste Band waren, die in seinem neuen Studio aufgenommen haben. Er hat massiv aufgerüstet, hat sich neues Equipment zugelegt und wir waren quasi die Versuchskaninchen, hahaha. Wir wussten genau, was wir wollten und er hat immer noch genügend eigenen Input reingebracht, der unseren Sound noch verfeinert hat. Natürlich sind da gewisse Routinen drin und dennoch kamen immer wieder spannende Ideen, was wir anders machen könnten. Moment kurz…ich muss mal pissen (Gelächter).
Verdammt, das war nötig (lacht). Die Arbeit mit ihm war ein wenig leichter als bei den vorangegangenen Alben, denn er und wir wussten genau, wie die ganze Geschichte klingen muss, um noch als Memoriam erkannt zu werden. Wir waren gut vorbereitet und haben mit ihm zusammen exakt das erreicht, was wir uns im Vorfeld vorgestellt hatten.
Wir kommen langsam zum Ende, „To the end“ quasi, doch ich hoffe, dass es noch lange nicht das Ende von Dir und Memoriam war. Wieviel Pulver habt Ihr noch in Euren Kanonen? Ok, die neue Trilogie hattest Du ja schon im Verlauf unseres Gesprächs mehrfach angesprochen…
Wir haben UNMENGEN an Ideen und sind bereits beim Songwriting für das nächste Album. Was sollen wir auch anderes tun? Es finden keinerlei Konzerte oder Festivals statt, also nutzen wir die Zeit, um weiterhin an frischem Material zu arbeiten. Scott (Fairfax) hat schon für 4 bis 5 Songs die Riffs im Petto und erst vergangene Nacht war ich bei ihm im Studio, um mir alles anzuhören. Dazu arbeite ich nebenbei an ein paar sehr interessanten Projekten. Ich kann zumindest jetzt schon sagen, dass das nächste Memoriam Album in den nächsten 12 Monaten erscheinen wird. Dazu wird es irgendwann ein Coveralbum geben, auf dem wir Grind und Punk Klassiker neu aufgenommen haben, die uns maßgeblich beeinflusst haben.
Wir gehen vorwärts und genießen das, was wir im Moment haben, so gut es eben geht. Das Leben ist einfach zu kurz, um gelangweilt irgendwo in der Ecke zu sitzen.