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Live on Stage Report: SEPULTURA | JINJER | OBITUARY | JESUS PIECE
22.11.2024 – Berlin @ Columbiahalle
Nachdem die Cavaleras mit ihren drei Neueinspielungen der „Morbid Visions“, „Bestial Devastation“ und vor allem „Schizophrenia“ mächtig vorlegten, ausverkaufte Konzerte spielten und keine Gelegenheit ausließen darauf hinzuweisen, dass Sepultura ohne Iggor und Max halt nicht Sepultura seien, musste Andreas Kisser und seine Mannen natürlich nachlegen. Aber dann gleich auflösen? Viele Altvordere begrüßten diesen Schritt und auch ich war nicht unbedingt tottraurig über diese Nachricht, haben die letzten Alben nicht so gezündet, wie das alte Material. Aber ich bin alt und voreingenommen.
Dennoch stand es für mich außer Frage, dieser Band meinen Tribut zu zollen, die ich von Anbeginn verfolgt habe und die mich in vielen Lebenslagen begleitet hat, auch wenn ich mir im Vorfeld nicht vorstellen konnte, dass in der Setlist gerade das alte Material genügend Aufmerksamkeit bekommen würde. Aber dazu kommen wir später.
Die Columbiahalle meldete bereits im Vorfeld „ausverkauft“, was mich dazu veranlasste, frühestmöglich vor Ort zu sein, damit ich vom Balkon aus dem Geschehen folgen konnte, denn auf dem Mob habe ich seit Jahren schon keinen Bock mehr und vor allem ist aus dieser Sicht kaum eine vernünftige Berichterstattung möglich. Also die Mitglieder der Reisegruppe „Sepujinjerjesustuary“ eingesammelt, ab in die Öffis, ein paar Gin Tonic zum Vorglühen verhaftet und rin in die Location, die bereits eine halbe Stunde vor der ersten Band ordentlich gefüllt war. Die Merchpreise waren erwartungsgemäß im oberen Drittel, doch für solch ein Event (ich wiederhole: Das letzte Mal Sepultura in Berlin!!!) zückt man gerne mal den Bausparvertrag. Gerade auch dann, wenn Obituary wohl das beste Shirtmotiv ihrer Karriere im Angebot hatten. Schnell noch Getränke organisiert und Feuer frei!
Die aus Philadelphia stammenden Jesus Piece hatten die Ehre, diesen Abend zu eröffnen, ballerten ordentlich dissonant los und konnten das bereits anwesende Partyvolk bestens auf Trab halten. Frontmann Aaron Heard war unentwegt auf der recht platzsparenden Bühne unterwegs und die recht Metalcore lastige animierte viele dazu, mächtig die Tanzbeine zu schwingen. Ich fand’s ok, aber nicht überragend. Doch die Menge war angeheizt und geil auf die folgenden Bands, was bedeutet: Mission accomplished!
Ich hatte Bock auf Obituary, auch wenn ich die Band um die Tardy Brüder bereits inflationär oft gesehen habe und mich wunderte, wieso die Todesblei Veteranen bereits als zweite Band unter den vertrauten Klängen von „Redneck Stomp“ so früh auf die Bühne mussten. Druff jeschissen, denn ab sofort kreisten die Matten und Olaf war wieder 17. Ein brutal guter Sound, was bei Obi in der Vergangenheit auch nicht immer Grundvoraussetzung war und eine Band in absoluter Spiellaune.
Natürlich hatten die Floridianer wie immer einen Aktionsradius eines Bierdeckels, was aber aufgrund der energetischen Performance sowas von Wurscht war, denn Brecher wie „Turned inside out“, „Slowly we rot“, „Threatening Skies“ oder das ewig nicht mehr gehörte „Solid State“ vom „World demise“ Album gaben mir die Vollbedienung, auf die ich mich im Vorfeld schon mächtig gefreut hatte. Alles in allem ein überragender Gig, der eigentlich kaum mehr zu toppen war.
Zumindest nicht von Jinjer. Ich weiß einfach nicht, was die Leute an dieser Truppe finden. Immer wieder verdammt gute Ansätze in ihren Songs, die dann mit völlig überflüssigen Breakdowns zunichte gemacht werden. Dennoch war das Publikum vom ersten Ton an voll auf der Seite der Ukrainer, die mit Tatiana Shmailyuk natürlich DEN Blickfang in ihren Reihen haben, zumindest für das männliche Geschlecht, was sich für die Damenwelt später natürlich mit Derrick Green ändern sollte.
Der Sound war definitiv fett und auch ansonsten präsentierte sich die Band aus Lwiw äußerst lauffreudig und auch wenn meine persönlichen Animositäten bezüglich dieser Truppe meine Denkweise blockiert, so kann ich zumindest mit guten Gewissen behaupten, dass Jinjer die sich hier bietende Gelegenheit äußerst effektiv genutzt hat, um einmal mehr auf sich aufmerksam zu machen, auch wenn es einfach nicht mein Cup of Tea war, ist und wohl auch bleiben wird.
Nun aber der laute Abgesang auf eine DER genrerpägendsten Bands der letzten vier Dekaden, ob man die neueren Sachen nun mochte oder nicht. Sepultura ließen sich dann auch nicht lumpen und starten gleich mal mit dem Tripple „Refuse/Resist“, „Territory“ und „Slave new World“ voll durch und ja, ich hatte Erpelparka am ganzen Körper. Was für ein bruteler Sound und ehrlich, ich habe die Brasilianer schon sehr oft gesehen, doch das hier war eine verdammte Machtdemonstration!
Und ja, die Setlist war klasse und repräsentativ für 40 Jahre Sepultura. Da fanden sogar Klassiker wie „Escape to the Void“, „Troops of Doom“, „Inner self“ oder „Arise“ den Weg auf die große Bühne und alle, ob junge oder alte Fans, waren begeistert. Selbst die neueren Stück waren achtsam gewählt und fügten sich perfekt in eine rundum gelungene Show ein, bei der vor allem Neu-Drummer Greyson Nekrutman einen verdammt starken Eindruck hinterließ. Auch „der Neue“ Derrick Greene wütete sich durch einen grandiosen Set, der keinen Stein auf den anderen ließ. Die Columbiahalle flippte jedenfalls vollkommen aus und ließ keinen Stein auf dem anderen.
Bei „Kaiowas“ wurde natürlich mit allen Vorbands zusammen getrommelt, was das Zeug hielt und spätestens beim abschließenden „Roots bloody Roots“ wurden noch einmal alle Kraftreserven mobilisiert und die morschen Haxen im Takt in die Luft gewirbelt. Was für ein grandioser Anblick in der völlig überfüllten Columbiahalle, in der wir nicht die einzige Familie generationsübergreifend waren, die sich dieses überragende Abschiedskonzert mit einer Träne im Knopfloch anschauten. Danke Sepultura für 40 Jahre weigweisende Musik und für diesen großartigen Abend! Obrigado…