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MISANTHUR – Ephemeris (2021)

(7.451) Schaacki (9,8/10) Post Black Metal


Label: Season of Mist
VÖ: 15.10.2021
Stil: Post Black Metal

 

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Was liebe ich manchmal meine Aufgabe als Rezensist – was würde mir nicht manchmal alles sonst entgehen. Zum Beispiel das Debüt von Misanthur hier verzaubert mich innerhalb von wenigen Minuten. Vom Klang des Bandnamens erwartete ich irgendwas aus dem eher paganen Bereich, doch dann kam alles anders. Schon der Opener („Enter the Void“) verblüfft mich: der Rhythmus ist gediegen, der Bass spielt statt des erwarteten Metal Sounds Stoner Rock, die Gitarre trägt eine dezent melancholische Melodie mit sich und der Gesang ist klar und ruhig. Dann steigert sich der Basslauf und mit einem kurzen Break wechselt die Stimmung. Aus dem Rock wird Metal der schwereren und stampfenden Art, der freundliche Gesang weicht derbem Gebrüll. Ich befinde mich plötzlich in ange-sludge-tem Post Metal und weiß gar nicht, wie mir geschieht. Kurz darauf wird es wieder still, ein Klavier ertönt und verzaubert mich erneut. Und wieder wird es aus heiterem Himmel rockig und knarzig. Über ein Interlude lande ich auf einmal nun tatsächlich im Black Metal Dickicht. Was zur Hölle passiert hier gerade?! Das ist ja der Wahnsinn! Denn was sich vielleicht etwas konfus liest, passiert in Wirklichkeit so unbeschreiblich harmonisch, dass mir die Kinnlade so akut runterknallt, dass ich Angst habe, mein Schreibtisch könnte gleich durchschlagen werden. Ein vollkommen faszinierender und überraschender Einstieg!

Zum Verdauen gönnt mir das aus Polen stammende Duo erst mal noch ein kurzes Zwischenspiel („Dense Mental Trace“), bevor es sich weiter offenbart. Mit „On the Heights of Despair“ schwingt nun gleich der Hammer zu Beginn des Songs. Selbstverständlich rede ich nicht von stumpfen Geprügel. Trotz hart scheppernden Drums ist die Atmosphäre super dicht, die Gitarren drehen durch und erzeugen genialen Melodien. Nach gut zwei Minuten dieser herrlichen Raserei wird das Tempo ganz langsam runtergefahren. Im Midtempo angelangt wechselt Hauptinstrumentalist und Sänger Hellscythe zunächst in den Klargesang, holt aber im Anschluss auch wieder sein Keiforgan hervor. Das Niveau ist verdammt hoch, die Abwechslung noch höher. Das beweist abermals das nun folgende „Essence“. Eine im post-rock beheimatete Gitarre schreddert vor sich hin und wird kurz darauf von Beats und Bass begleitet. Über all diesem thront der überaus gefühlvolle Gesang der scheinbar (noch) unbekannten, aber sehr talentierten Agnieszka Leciak. Der Track mag nicht gerade sehr metallisch sein, aber für mich, der eben auch eine Band wie Esben And The Witch feiert, ist das Stück eine wahre Perle.

Darauf folgt nun wieder die Dunkelheit und für einen Moment denke ich kurz an Watains „Legions Of The Black Light“, ist das zu hörende Gitarrenriff doch irgendwie ähnlich. Lange bleibt es aber nicht ganz so schwarz und schon bald gehen Misanthur in eine andere Welt über. Die Gitarren sind nun etwas zurückhaltender, zwar noch immer melodisch, doch deutlich rhythmusorientierter. Es kommt eine doomige Stimmung auf und auch Hellscythe Gesang ist nun deutlich tiefer angesiedelt – alles ein sehr passendes Konstrukt zu einem Text, der Traurigkeit und Verzweiflung ausdrückt. Und da auf solche Gefühle auch Wut folgen kann, ist es nur richtig, dass der Track zum Ende hin noch einmal Fahrt aufnimmt. Mit seiner Melancholie und seiner Melodie sowie dem gewissen Druck erinnert der Schluss an die Musik von Misanthurs Landsleute Mgła. Der Titeltrack „Ephemeris“ zwingt mich nun endgültig, den Vergleich mit Wolves In The Throne Room, den ich mir eigentlich mal verkneifen wollte, zu machen. Doch diese Stimmung, die die amerikanischen Wölfe vor allem in ihren eher doomigen Passagen haben, ist einfach eine zu naheliegende Referenz. Aber auch hier wird nicht einfach irgendetwas kopiert, nein, Misanthur haben ihren Stempel auch deutlich auf diesen Track gedrückt; sei es mit dem zurückgekehrten Klargesang Hellscythes oder dem Bassspiel seines Kompagnons Draugr.
 



War ausgerechnet „Ephemeris“ eben mit immer noch 6:20 Minuten der kürzeste Titel der Scheibe (das Interlude am Anfang mal ausgeklammert), so folgt nun mit „The Serpent Crawls“ der längste Song (9:14). Verrückterweise kommt einem dies nicht im Ansatz so vor, da das Stück weder langatmig noch langweilig ist. Okay, ein paar Abschnitte sind eventuell etwas gedehnter als sie vielleicht sein müssten, aber das ist dann schon Kritik auf Höchstniveau. Und das heftige Klanggewitter am Ende macht dies eh wieder wett. Es mag albern klingen, wenn ich sage, dass ich den Titel „Crush the Stone with the Sea“ schon toll fand, noch bevor ich die Musik des Songs gehört habe, aber da dieser auch noch so herrlich vertont wurde – das Geräusch der See, das Lachen der Möwen etc. – muss ich das einfach erwähnen. Denn etwa über die Hälfte des Liedes wird auch genau all dies zum Fundament des Stückes gemacht, bevor jenes den Umschwung zum doomig schwarzen Post Metal antritt. Zwar bleibt es dann auch in diesem Fahrtwasser, wodurch ein ganz großer Knall zum Albumende etwas ausbleibt, doch ist dieses besonnene Ausklingen der Scheibe, erneut mit den Geräuschen des Meeres, auch eine gelungene Alternative.

Damit geht nun eine knappe Stunde Musik zur Neige, die mich durch und durch fasziniert hat. So viel Vielfalt, so viel Tiefgang, so viel Abwechslung hab ich bisher nicht allzu oft erlebt. Wenn man dann noch bedenkt, dass wir es hier mit einem Debüt zu tun haben, kann ich nach all den vielen Zeilen, nun nur noch wortlos verstummen.

Anspieltipps: Enter the Void“, „On the Heights of Despair“, „Essence“


Bewertung: 9,8 von 10 Punkten


Tracklist:

1. Enter the Void
2. Dense Mental Trace
3. On the Heights of Despair
4. Essence
5. Black Clouds & No Silver Linings
6. Ephemeris
7. The Serpent Crawls
8. Crush the Stone with the Sea




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