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PROGENY OF SUN – Throne Of Desolation (2023)
(8.656) Maik (8,2/10) Melodic Death Metal
Label: Inverse Records
VÖ: 08.12.2023
Stil: Melodic Death Metal
Auch der Melodic Death Metal hat sich im Laufe der Jahre in verschiedenste Untergruppen aufgedröselt. Da gibt es die eine Ecke, die voll auf die Fresse eher beim Thrash und Black Metal ihre Geschosse einkauft und geht über viele Zwischenstationen bis zu dem Punkt, wo dieser Stil schon mal an der Tür zum Metalcore anklopft.
Die Finnen von PRODEGY OF SUN haben es sich anscheinend zum Ziel gestellt, alle Facetten des Melodeath abzudecken, was einerseits ein recht abwechslungsreiches Album ergibt, andererseits…aber ich greife vor.
„Throne Of Desolation“ heißt das hier vorliegende Scheibchen, welches nach etlichen EPs und Singles der erste Langspieloutput der Jungs aus dem Land des Sonnenuntergangs – Helsinki – darstellt. Und ohne irgendwelchen Introzirkus oder dergleichen geht es mit dem Opener gleich mal forsch zur Sache. Ein bösartiger, hart am Schwarzmetall und extremem Thrash entlangbalancierender Hassbolzen namens „Forged By The Devil“ zieht schon mal den Scheitel. Da kommt doch gleich schon mal Freude auf.
Und es scheint in diesem Stil weiterzugehen, denn das nun anschließende „Damsel“ brilliert zunächst mit krassestem Black Metal- Riffing. Das wütende Gekreisch lässt von allein die Hörner aus dem Schädel sprießen. Doch was nun, plötzlich ein Umschnitt, zarte Pianoklänge leiten einen krassen Tempowechsel ein, und plötzlich scheint man sich im Gothic Doom mit düsterem Klargesang wiederzufinden. Dann werden noch mal die Daumenschrauben angesetzt und der Song wandelt sich zu Death Doom, der recht melodisch ausklingt. Oha, das scheint interessant zu werden.
„Heartless Doom“ spannt den Bogen vom Melodeath zum brutalen Death Metal, abwechselnd mit Kreisch – und Grollgesang. Hier geht es dann auch größtenteils im Midtempo zu. „Caldera“ geht eher in die Thrash – Richtung, während „False Radiance“ wieder mehr den Death Metal- Bereich abdeckt.
Etwas getragener, schon am Rande des Death Doom kratzend, agiert „Dweller“, atmosphärische Synthteppiche im Hintergrund inklusive. „Coward“ kommt wieder recht schwarz daher, mit Pagan- mäßigem Akustikpart in der Mitte. Dafür hat dann „Invasion“, passend zum Titel, einen marschähnlichen Rhythmus.
Mit schwarzmetallischer Raserei beginnt „Courier“. Klar, so ein Kurier muss ja recht schnell unterwegs sein. Zwischendrin geht es etwas getragener zu, aber größtenteils wird hier ordentlich gebrezelt. Auch gesanglich geht es recht bunt zu. Zu fiesem Schwarzwurzelgekreisch gibt es Klargesang, düsteres Todesgrollen und sogar gelegentlich ein grindcoreiges ‚breeeee‘. Zum Ende zu wandelt sich der Song in eine Wand aus stampfenden Rhythmen, bis zarte Pianoklänge den Kurier in den Schlaf wiegen.
In die klassische Melodeath- Schiene geht dann „Restoration“, der sich so zwischen AT THE GATES und frühen IN FLAMES eine Komfortzone schafft, die auch den Szenepuristen befriedigt. Dafür ist „Human Disposal Site“ dann schon wieder fast getragen, und wirkt mit den Keyboardteppichen vordergründig brav, schafft es aber, mit fiesen Riffs und eben dem Gesang auch den einen oder anderen Brutalitätspunkt zu erzielen. Überraschend dann auch das gothicmäßige Schlußdrittel des Songs.
Auch in punkto Spiellänge ziehen PROGENY OF SUN alle Register. Hat nämlich der furiose Opener gerade mal die anderthalb-Minuten- Marke geknackt, breitet sich das abschließende „War Of Ages“ auf 9:37 aus. Der Track hat dann allerdings auch eine fast theatralische Ausstrahlung.
Ich habe eine Weile gebraucht, mich in „Throne Of Desolation“ reinzuhören. Die Vielfalt, die teilweise anfangs kaum nachvollziehbaren Wechsel hatten mich schlicht überfordert. Und ich befürchte fast, das tun sie immer noch. Und das hat nichts damit zu tun, dass Melodic Death Metal nicht gerade zu meinen Hauptspielplätzen gehört. Denn genaugenommen agieren PROGINY OF SUN überhaupt nicht strikt im Melodeath, sondern sehen dieses Subgenre eher als gemeinsamen Nenner der vielen Einflüsse und Ideen, die sie verarbeiten. Und wo es viele Vertreter des Melodic Death vielleicht etwas an Aggression fehlen lassen, halten die Finnen trotz vieler ruhiger Phasen den Brutalitätsfaktor doch ziemlich hoch.
Anspieltipp: „Forged By The Devil“ und „Caldera“