Label: Century Media Records
VÖ: 01.03.2019
Stil: Progressive Metal
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Album Nummer 3 nach dem Ausscheiden von Geoff Tate und dem meiner Meinung nach mehr als gleichwertigen Einstieg von Nachfolger Todd la Torre. „No Tate - no Ryche“ titelte unlängst mal ein Post. Tja, das ist wohl wahr, zumindest steht das für den Zeitraum, in dem Geoff Tate noch am Mikro stand. Und diese Zeiten, das darf man unumwunden sagen, sind vorbei und waren sicher auch sehr erfolgreiche Zeiten. Nur haben sich QUEENSRYCHE seit dieser Zeit neu formiert und insgesamt auch wiedererstarkt neu ausgerichtet. Und dass Todd auch von der Gesangscharakteristik her nun mal an die Sangesqualität seines Vorgängers heranreicht und auf Augenhöhe ++ operiert, ist ein Fakt und kann ihm selbst und der Band wohl kaum als Schwäche oder Nachteil ausgelegt werden. So habe ich mich nicht selten aufs übelste über Sprüche aufgeregt, die Todd als Karaoke-Sänger herabwürdigten - FRECHHEIT! QUEENSRYCHE haben mit Todd im Gegensatz zu den letzten Tate Alben wieder deutlich an Qualität hinzugewonnen, da rücke ich keinen Millimeter davon ab. Und die überwiegende Mehrheit der alten QUEENSRYCHE Alben liebe ich immer noch, das steht hier keineswegs im Widerspruch zu diesen Zeilen.
Fünf Jahre ist es nun her und mit „The Verdict“ wird eben drittes Studioalbum mit Todd am Mikro veröffentlicht. Und um sich nun von Todd und dieser unsäglichen Diskussion um ihn in dieser Hinsicht wieder abzuwenden, stehen deshalb nicht nur er, vielmehr die ganze Band im Fokus und darum soll es hier und heute gehen. 15 Studioalben liegen inklusive „The Verdict“ seit 1984 nun hinter dieser Band. Und deren Sound, deren unverkennbare Art Musik zu machen, sind aus diesem Genre nicht mehr wegzudenken.
QUEENSRYCHE haben sich stilistisch eigentlich nicht verändert und dies liegt im Wesentlichen im musikalischen Fundament, in der Qualität und dem Spirit der verbliebenen Gründungsmusiker begründet. Insofern überrascht mich, und wenn dann positiv, auch auf diesem Album das Songwriting nicht wirklich. Die Kompositionen sind durchweg auf harmonischen und intelligenten Strukturen basierend. Insgesamt wirkt die QUEENSRYCHE typisch progressive Ausrichtung doch gewohnt und trifft meinen Nerv ein ums andere Mal.
„The Verdict“ ist ein Album, dass in seinem Facettenreichtum gleich in vielfältiger Weise eine wohltuende Eigenständigkeit aufweist und punktuell dennoch an den Charme der Alben Mitte der 90er und vorher erinnern lässt. Songs wie „Blood of the Levant“, „Man The Machine“ oder „Lights-years“ besitzen Frische und zeichnen sich durch eine teils zügigere Gangart aus. Das gekonnt dargebotene Gitarrenspiel von Wilton/Lundberg erzeugt den Charakter, den wir alle von QUEENSRYCHE bereits zu schätzen wissen. Insbesondere „Light-years“ bringt trotz der kommerzielleren Note Mystik und Experimentierfreudigkeit mit sich. Allen drei Nummern liegen auf den ersten Blick wenig aufdringlich, dennoch aber nachvollziehbare Gesangslines zu Grunde, die die Atmosphäre des jeweiligen Tracks eigentlich erst, beinahe unbemerkt, in den Refrains zur Geltung kommen lassen. So bauen sich die Songs in sich gesehen schlüssig auf. An Melodie und akzentuierter Modulation jedenfalls mangelt es nicht. Das macht Todd wirklich gut.
Im Ansatz etwas schleppender, getragener und schwerer geht „Inside Out“ in ruhigere Gefilde über. Unterbrochen von groovigen Parts und griffigen Rhythmen, beinhalten vor allem die Solis jede Menge Gefühl, diese wirken in der Gesamtbetrachtung vielleicht ein wenig Abstrakt oder besser gesagt progressiv. Für mich bringt dieser Song wegen seiner Komplexität das Prädikat „sehr stark“ mit sich.
Quasi als Aufrüttler donnert dann „Propaganda Fashion“ aus den Boxen. Roh und ungeschliffen. Erinnert mich vom Songwriting her an die Zeiten von „Rage für Order“. „Dark Reverie“ überzeugt mich wegen seiner Dynamik, dem abermals progressiven Aufbau, der unnachahmlich in einen Refrain mündet, der zumindest in meiner Wahrnehmung mit einem hohen Wiedererkennungswert gekennzeichnet ist. Vor allem Todds‘ Stimme zeigt hier eine etwas andere Klangfarbe auf. So kommen auch hier die Ruhe, die eher besinnlichen Sequenzen nicht zu kurz. Zwar nicht lupenrein als Ballade zu bezeichnen, dennoch aber irgendwie anmutig.
Vermeintlich übersichtliches Riffing, verspielt-akzentuierte Drums finden sich in „Bent“ wieder. QUEENSRYCHE gehen zurück und bedienen sich alter Stilelemente. „Bent“ erzeugt eine sehr ergreifende Atmosphäre, die mitzureißen weiß. Wären es nicht QUEENSRYCHE, die ich da höre, hätte ich „Inner Unrest“ mit den ersten Takten bis zum Einsatz der Vocals auch als Maiden Nummer durchlaufen lassen können. Für mich einer der stärksten Songs auf „The Verdict“, schon des Refrains wegen.
Nicht weniger eindrucksvoll vermag „Launder the Conscience“ Aufbruch zu erzeugen. Der Groove sucht seinesgleichen. Tragendes Element sind die Drums, machen diese in den Strophen den Unterschied. Die Solis geben unmissverständlich zu verstehen, dass es sich hier um QUEENSRYCHE dreht und sie laufen auf Hochtouren.
Den Abschluss eines rundum gelungenen Albums macht dann „Portrait“. Psychedelische Einflüsse zieren einen sehr eigenwilligen Song. Eingebettet in teils gezupfte Gitarrenparts tobt sich Todd grandios aus. Er zeigt hier die volle Bandbreite seines Gesangsstils.
Als Liebhaber von QUEENSRYCHE kann ich mir nach den letzten drei Alben unter der Mitwirkung von Todd la Torre keinen passenderen Sänger als ihn in dieser Band vorstellen, er passt sozusagen wie der Deckel auf den Topf. Hört man sich die alten Klassiker der Band mit Todd live an, so ist wohl auch der letzte Zweifel beseitigt, er ist ein begnadetes Gesangstalent und sehr ausdrucksstarker Sänger, als hätte nie jemand anders am Mikro gestanden. Vergleicht man dies zum Beispiel mit IRON MAIDEN unter Blaze Bayley, so ist das nicht mehr ganz neue Projekt QUEENSRYCHE mit Todd la Torre ohne Frage ein Volltreffer, der, und dass macht die ganze Sache am Ende wohl nicht leichter, den Liebhaber immer und immer wieder vor die Wahl stellt, welcher Vorstellung von QUEENSRYCHE er sich mehr oder weniger hingezogen fühlt.
QUEENSRYCHE zeigen auf „The Verdict“ all das, was die Band schon in der Vergangenheit ausmachte. Durchdachtes Songwriting, komplexe Songstrukturen, markante Gitarren, perfekt aufeinander abgestimmte Basslines und Drums und eben das einzigartige Feeling von QUEENSRYCHE, nach all dem hatte ich mich immer verzehrt. Die Produktion ist gleichermaßen hochwertig. Mit jedem neuen Durchlauf entdeckt man die Tiefe der Songs und Kurzweile ist angesagt.
„The Verdict“ kommt einer hervorragenden Flasche Rotwein gleich, deren Bouquet sich auch nicht sofort auf den ersten Schluck vollumfänglich entfaltet. Da muss man schon öfter dran nippen, um die ganze Qualität entdecken und genießen zu können.
Anspieltipps: „Man The Machine“, „Light-years“ und „Inside Out“, das ganze Album
Bewertung: 9,3 von 10 Punkten
Tracklist:
01. Blood of the Levant
02. Man the Machine
03. Light-years
04. Inside Out
05. Propaganda Fashion
06. Dark Reverie
07. Bent
08. Inner Unrest
09. Launder the Conscience
10. Portrait
Gesamtspielzeit: 44:14
Line-Up:
Eddie Jackson - Bass
Michael Wilton - Guitars
Parker Lundgren - Guitars
Scott Rockenfield - Drums
Todd La Torre – Vocals