Label: Metal Blade
VÖ: 27.03.2020
Stil: Avantgarde
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Ufffff. Das ist mal ein recht harter Brocken für einen eher traditionell eingenordeten Metalhead. Denn was hier geboten wird, ist derart abgedreht, dass es weder in irgendeine Schublade passt noch sich sonst wie einsortieren lässt. Man sagt ja gern mal, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen. Und wo andere auf diesem schmalen Grat balancieren, scheint es mir, dass hier diese beiden Geisteszustände einträchtig und eng umschlungen in eine Supernova tanzen. Man mische Elektrobeats, Hardcore, Metal, Barockmusik und noch etliche andere Sachen zusammen, und man bekommt IGORRR.
Ähnlich den Igors aus Terry Pratchetts Scheibenweltromanen ergibt das Ganze nämlich ein Patchwork, welches allerdings mit chirurgischer Präzision aneinandergenäht wurde. Der Kopf hinter diesem Projekt, Gautier Serre, zeigt keinerlei Scheu, alles zu verwenden, was ihm passend erscheint, und Elemente zu kombinieren, die sich theoretisch gegenseitig beißen. So treffen in „Downgrade Desert“ asiatische Saitenklänge auf doomiges Riffing, während sich in „Nervous Waltz“ erst barocke Streicher mit heavy Riffs paaren, und später opernhafter Gesang mit Blastbeats unterlegt wird. Und bei „Barrocco Satani“ trifft Orffscher Bombast auf ein bratendes Black Metal Riff. „Camel Dancefloor“ – oh je, das Kopfkino - brilliert mit orientalischen Bauchtanzklängen, während „Musette Maximum“ akkordeonunterstützt ein Mittelding zwischen französischer Caféatmosphäre und Schuhplattlersound heraufbeschwört. Bei „Parpaing“ wird dann sogar einmal der Death Metal - Hammer ausgepackt, und für den gesanglichen Part auf diesem Track hat Monsieur Serre keinen Geringeren als Chris „Corpsegrinder“ Fisher engagiert. Auch sonst bedient sich der Maestro etlicher Gastmusiker, um seine Vision umzusetzen. Und eine Menge elektronische Effekte komplettieren dann letztendlich das Sammelsurium. Das Ende beschließt „Kung Fu Chèvre“ – Kung Fu-Ziege ? Und schon wieder habe ich Kopfkino ! – wo sich chansonhafte Klänge mit einem fetten Riff vereinen. Wer dieses Album als abgefahren oder ungewöhnlich bezeichnet, verpasst eine grandiose Gelegenheit, Worte wie bizarr, obskur oder hyperavantgardistisch zu verwenden. Und das allerallerabgefahrenste ist, dass der Kram auch noch cool klingt. Irgendwie. Allerdings auch anstrengend. Dürfte wohl größtenteils Menschen mit außergewöhnlichem Musikgeschmack anziehen.
Und obwohl solche Musik sicher nicht zu meinen Hörgewohnheiten zu rechnen ist, komme ich doch nicht umhin, diesem Album eine gewisse Genialität zuzusprechen. Ich werde mir dieses Werk nun bald wohl noch öfter anhören können, denn ich habe es meiner besseren Hälfte vorgespielt, und sie war derartig begeistert, dass sie es sich spontan zum Geburtstag gewünscht hat. Wer nun also neugierig geworden ist, oder einfach eben einen extravaganten Musikgeschmack hat, und abgefahrene Mucke in sich aufsaugt wie ein schwarzes Loch, kann „Spirituality And Distortion“ gern mal an seinen Ereignishorizont schieben.
Anspieltipp: „Nervous Waltz“ und „Parpaing“
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
Tracklist:
01. Downgrade Desert
02. Nervous Waltz
03. Very Noise
04. Hollow Tree
05. Camel Dancefloor
06. Parpaing
07. Musette Maximum
08. Himalaya Massive Ritual
09. Lost In Introspection
10. Overweight Poesy
11. Paranoid Bulldozer Italiano
12. Barocco Satani
13. Polyphonic Rust
14. Kung Fu Chèvre
IGORRR – Spirituality And Distortion (2020)
(6.138) Maik (9,0/10) Avantgarde