MARIANAS REST - Auer (2023)
(8.219) Olaf (10/10) Doom Death
Label: Napalm Records
VÖ: 24.03.2023
Stil: Doom Death
Es ist für jede Band schwer, nach einem absoluten Meisterwerk dieses in irgendeiner gearteten Form zu toppen. Im Falle der Finne aus Kotka gelingt dies nicht nur, sondern es wird noch eine Schippe draufgelegt, so dass ich überlege, für solche Fälle eine gesonderte Bewertung einzuführen, denn Genialität muss irgendwie belohnt werden.
Das Marianas Rest in unserer Redaktion im Jahr 2021 mit „Fata morgana“ das Album des Jahres stellten, war für mich persönlich schon etwas überraschend, freute mich aber umso mehr, da scheinbar nicht nur ich die Genialität der Finnen erkannte und dementsprechend dieses überragende Stück metallischer Musikgeschichte mit unserer höchsten Auszeichnung bedacht wurde. Aber wie bereits erwähnt ist solch eine Honorierung immer wieder mit dem Makel versehen, dass es schier unmöglich ist, so eine Leistung noch einmal in die Waagschale zu werfen, doch ich habe das Gefühl, die Finnen strotzen nur so vor musikalischen Genius, dass es fast unheimlich ist.
„Auer“ heißt das nunmehr vierte Werk und bietet eigentlich den perfekten Soundtrack zu einem eiskalten Novembertag, der grau, voller wabernder Nebelschwaden, nasskalt und trübe einem jedes Verlangen nach Leben und Freude raubt. Doch das Schöne (wenn man in diesem Zusammenhang dieses Wort überhaupt benutzen darf) ist, dass man bei dem Genuss dieser acht unfassbar dichten und brillant komponierten Songs auch die Augen schließen, Träumen und vielleicht sogar das eine oder andere Tränchen verdrücken kann. Ja, „Auer“ weckt in mir Emotionen, verursacht Gänsehaut und ich kann mich einfach nicht von lösen.
Gleich der Opener und gleichnamige Titeltrack startet mit einem schweren und tieftraurigen Grundtenor, besticht durch eine noch fettere und vor allem transparente Produktion, die gerade Frontmann Jaakko entgegenkommt und seine eh schon außergewöhnliche Stimme noch mehr in den Vordergrund schiebt, ohne allerdings dabei den anderen Bandmitgliedern irgendetwas an deren Performance zu klauen. Das folgende „Diseased“, zugleich ein Jahrhundertsong, zeigt, dass Keyboarder Aapo Koivisto nun mehr in das Gesamtgefüge eingebaut wird und er Raum hat, der Musik von Marianas Rest noch mehr Tiefe zu verleihen, was ich kaum für möglich gehalten habe.
Es hört auch nicht auf, denn gleich das Anfangsriff von „Light reveals our wounds“ setzt sich sofort im Stammhirn fest und ließ mich nicht mehr los. Dazu im Hintergrund die dezent eingesetzte Flöte, die im Gegensatz zu vielen anderen Bands nicht nervt, sondern die Grundstimmung dieses ebenfalls überragenden Songs noch verstärkt. „White cradle“ schlägt ebenfalls in diese Kerbe und ist quasi die Ballade des Albums. Ein dezenter Basslauf, ein leichtes Gitarrenlied und die geniale Stimme von Jaakko machen dieses Lied zum emotionalsten des gesamten Albums.
Es ist einfach nicht greifbar, dass das Level so unfassbar hoch bleibt, denn auch bei „The ground still burns“ reißt die Genialität nicht ab, sondern zeigt, dass es durchaus möglich ist, auch heutzutage in einer komplett digitalisierten Welt ein Album voller Hits zu schreiben, ohne auch nur eine Sekunde lang einen Qualitätsabfall bemängeln zu können. Richtig speedy werden die Finnen dann mit „Fear travels fast“, wobei „Tempo“ natürlich übertrieben wäre, doch für Marianas Rest ist das schon fast Raserei, die ebenfalls mit einer im Ohr hängenbleibenden Melodie für Gänsehaut sorgt.
Zum Ende hin wird die Band ein klein wenig experimentell, denn „The hanging blade“ ist musikalisch ein klein wenig anders aufgebaut als alle Songs zuvor, denn gerade die im Hintergrund agierende Stimme lässt eine fast apokalyptische Stimmung aufkommen, die ich so von den Jungs noch nicht gehört habe. Den absoluten Kracher hat man sich aber bis zum Schluss aufbewahrt, denn nicht nur das „Sirens“ so unfassbar traurig ist, sondern man hat mit My dying Bride Fronter Aaron Stainthorpe, der ja selber persönlich eine Menge mitmachen musste, den perfekten Sänger für dieses zu Tränen rührende Stück gefunden…du ja, bei mir öffneten sich die Schleusen.
„Auer“ ist vertonte Melancholie, Furcht, Hoffnungslosigkeit, die mich zu Tränen rührte. Emotional eine der besten Platten, die ich jemals gehört habe. Ich hatte eine durchgängige Gänsehaut, leicht wässrige Augen und bin aufgrund dieses akustischen Weltwunders einfach nur platt, sprachlos und über alle Maßen begeistert. Marianas Rest gehören zu einer der besten Bands der Welt, denn niemand schafft es, den Weltschmerz so überzeugend rüberzubringen wie die Mannen aus Ost-Finnland.
Bewertung: 10 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Auer
02. Diseased
03. Light reveals our wounds
04. White cradle
05. The ground still burns
06. Fear travels fast
07. The hanging blade
08. Sirens (feat.Aaron Stainthorpe)