Label: Metal Blade
VÖ: 20.03.2020
Stil : Industrial
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Die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch verschwommen an die alten PCs der 386er Baureihe. Genau. Die mit dem Speicherplatz, den heute jeder USB-Stick um’s Mehrfache toppt. Und einer Rechengeschwindigkeit, die heute fast lächerlich wirkt. Würde man dieser Tage mit so einem Ding ins Internet gehen, könnte man, während sich die Startseite aufbaut, mühelos zwei Kinder großziehen, ein Einfamilienhaus abbezahlen oder den Kölner Dom in Echtgröße aus Streichhölzern nachbauen. Um diesen archaischen, besseren Taschenrechnern ein Denkmal zu setzen, springt das Projekt MASTER BOOT RECORD in die Bresche, und auch der Albumtitel „Floppy Disk Overdrive“ zeigt den geistigen Weg auf.
Die „Songs“ haben alle Titel, die an die Programmnamen erinnern, die damals beim Hochbooten des Rechners eingeblendet wurden. Auch das Coverart paßt, sieht man doch da eine Diskette, welche mit diversen Brandflecken und runenartigen Symbolen verziert wurde. Diskette? Kennt Ihr noch? 1.44 MB Speicherplatz? Da würde nicht mal einer der MP3-Tracks draufpassen! Doch zur Musik! Wenn mich noch vor Kurzem jemand gefragt hätte, ob man Metal auch mit rein elektronischen Mitteln machen könne, hätte ich aus tiefster Überzeugung verneint, und den Fragesteller ob seines scheinbaren Wahnsinns an die nächste Klappsmühle verwiesen. Doch mußte ich mich nun teiweise eines Besseren belehren lassen. MASTER BOOT RECORD produzieren tatsächlich auf rein elektronischer Basis eine Art Riffs, die mich ab und an sogar an Metal- Songs erinnern. Da die ganze Geschichte dann natürlich auch noch mit Elementen der elektronischen Musik und sogar der Klassik vermischt werden, ist es schwer, zu erkennen, ob da jetzt wirklich ein Metalriff gecovert wurde, oder ob das nun rein zufällig war.
Aber irgendwie hatten mich „ANSI.SYS“ und „EMM386.EXE“ an JUDAS PRIEST erinnert, und „SMARTDRV.EXE“ hatte irgendwas von METALLICAs „Master Of Puppets“. Auch „EDIT.COM“ bietet ein thrashmäßiges „Riff“. Alles in allem klingt die ganze Geschichte ein wenig, als hätte JEAN MICHEL JARRE unter Anleitung von Johann Sebastian Bach Metal-Songs gecovert. Das wirkt sicher auf den einen oder anderen verstörend, und auch ich war beim ersten Hören erst einmal irritiert. Aber irgendwie klingt die Mucke auch ganz cool. Da es sich hier allerdings um reine Instrumentalstücke handelt, und zur Unterscheidung der Stücke etwas der Gesang fehlt, fängt es spätestens beim Anbruch des letzten Drittels ein wenig an zu plätschern. Denn ab da nutzt sich das eigentlich recht interessante Konzept so langsam ein wenig ab. Außerdem wird auf traditionellen Metal fixierten alten Säcken wie mir dann auch so langsam klar, daß da irgendwie Gitarren fehlen.
Zusammenfassend gesagt, eine interessante Geschichte, die auf Länge zwar etwas schwächelt, aber Freunden oben genannter Einflüsse sicher ganz gut reinlaufen könnte.
Anspieltipp: „ANSI.SYS“ und „SMARTDRV.EXE“
Bewertung: 8,2 von 10 Punkten
Tracklist:
01. ANSI.SYS
02. EDIT.COM
03. FDISK.EXE
04. DISPLAY.SYS
05. CHKDSK.EXE
06. DEFRAG.EXE
07. RAMDRIVE.SYS
08. DBLSPACE.EXE
09. SMARTDRV.EXE
10. DISKCOPY.COM
11. EMM386.EXE
12. HIMEM.SYS