METALLICA – 72 Seasons (2023)
(8.300) Olaf (5,5/10) Heavy Metal
Label: Blackened Recordings
VÖ: 14.04-.2023
Stil: Heavy Metal
Egal wie negativ die Kommentare der letzten Monate, Jahre oder mittlerweile Jahrzehnte durch die alteingesessenen Fans und auch mir waren, man kommt einfach nicht umhin, sich mit dem neuen und mittlerweile elften Album (die Garage Days zähle ich nicht mit) Studioalbum der wohl größten Band der Welt, Metallica, auseinanderzusetzen. Egal, wie schlecht die Alben über die Jahre hinweg waren, niemand darf ernsthaft behaupten, nicht in irgendeiner Form von den Fab Four beeinflusst worden zu sein. Sei es bei den Älteren (wie mir) durch „Ride the lightning“, „Masters of puppets“ oder „Kill ‚em all“, die mit „…and Justice for all“ und diesem beschissenen Sound den ersten Nackenschlag hinnehmen mussten, oder den „Jüngeren“, die durch den zum Millionenseller avancierten, schwarzen Album ihre Liebe zu Metallica entdeckten.
Dementsprechend ist es natürlich und selbstverständlich, dass man mit einer so enorm großen Erwartungshaltung an neue Scheiben der Band herangeht, die niemals in irgendeiner gearteten Form erreicht werden kann und man dadurch ein weiteres Mal enttäuscht wird. Man kann einfach beim Hören oder reviewen nicht ausblenden, dass es sich hier um DIE Band handelt, die unsterbliche Klassiker veröffentlich hat, die jeder von uns irgendwie schon einmal live gesehen und zu denen man bei jeder Party sich früher die Kehle wundgesungen hat.
„72 Seasons“ heißt das vorab bereits kontrovers diskutierte Album und es ist schwer, aufgrund dieses enormen Stellenwertes, die die Band irgendwo bei JEDEM von uns hatte oder noch hat, ein einfaches Review darüber zu schreiben und vor allem vorurteilsfrei zu bleiben. Ich habe es dennoch versucht und ich finde es nur faitr, hier auf jeden einzelnen Song etwas genauer einzugehen.
01. 72 Seasons (7:39) (5,0)
Der eröffnende Titeltrack war ja schon durch diverse Rotationen im Internet bekanntgemacht worden und ist immer noch nicht so richtig Fisch oder Fleisch. Der beginnende Basspart von Robert Trujillo ist stark, doch danach ist das leider einmal mehr Einheitsbrei, den man tausendfach schon gehört hat. Dazu gesellt sich der Umstand, dass Lars Ulrich einmal mehr an Ideenlosigkeit nicht zu überbieten ist und ich mir immer mehr die Band mit einem Drummer a’la Dave Lonbardo oder Gene Hoglan wünschen würde, die beide diesem Einstieg weitaus mehr Drive verliehen hätten als der gescheiterte Tennis Profi aus Kopenhagen. Und vor allem…3 Minuten weniger hätten es auch vollkommen getan.
02. Shadows follow (6:11) (7,9)
O.k., da muss ich ein wenig Abbitte leisten, denn „Shadows follow“ ist gar nicht mal soooo übel. Der Refrain erinnert zwar sehr an „My friend of misery“, doch musikalisch hätte das Teil durchaus auch auf „Masters of puppets“ Platz finden können. Das Grundriff ist herrlich drückend und auch die schleppenden Parts gehen mächtig ins Gebälk. Wirklich überraschend und vor allem Hetfield haut hier gesanglich ein richtiges Pfund raus.
03. Screaming suicide (5:31) (6,9)
Fängt mächtig lahmarschig an, entwickelt sich im weiteren Verlauf aber durchaus zu einem der besseren Songs des Albums, bei dem gerade Kirk Hammet im Mittelteil ein richtig geiles Solo raushaut. Ja, der hätte verdammt schmissig werden können, wenn nicht der Refrain wäre. Sowas von cheesy und überhaupt nicht zum Song passend reißt sich der Vierer mit dem Arsch das ein, was man vorher aufgebaut hat.
04. Sleepwalk my life away (6:55) (4,8)
Meine Fresse, fällt denen nichts mehr ein? Ok, auf die Beantwortung der Frage kommen wir später noch zurück, aber das hier ist in meinen Augen eine Frechheit! Das Riff, der gesamte Songaufbau ist „Enter sandman“ und den fand ich schon immer scheiße. War so, ist so und wird immer so bleiben! Als meine damalige Band auf die unfassbar innovative Idee kam, diesen Song covern zu wollen, drohte ich mit sofortigem Ausstieg. Zurück zum Song.
Zu lang, zu geklaut und einfach dermaßen grausam, dass ich glatt die „St.Anger“ nochmal auflegen werde. Einziger Lichtblick ist wieder einmal Robs Bassspiel, welches richtig drückend aus den Boxen wummert. Man stelle sich diesen Song auf der „Justice“ vor. Dann wäre das ein dicker Kandidat, nach „Lulu“ als mieseste musikalische Darbietung in die Bandhistorie einzugehen. Wie sagt Hetfield am Ende? „That’s good, isn’t it?“ Nee, das war Kacke.
05. You must burn! (7:02) (4,5)
Ok, es geht noch schlimmer. An Langeweile kaum zu überbieten, gibt es diesmal das Grundtempo von „Sad but true“ und ja, es ist traurig aber wahr, dass Metallica hier einen Song abliefern, den jede noch so kleine Kellerband im Demostaus besser hinkriegen würden. Ja, dieser Song sollte brennen du zwar lichterloh!
06. Lux Æterna (3:26) (7,8)
Was ist das Internet durchgedreht, als dieser Song erstmals im Netz auftauchte und ja, ich mag ihn immer noch und wenn das ganze Album so geworden wäre…nicht auszudenken, dass ich mich zu einer höheren Note hätte hinreißen lassen. Schön schnell, ein nettes Grundriff und ja, Hetfield zeigt hier eine echt grandiose Gesangsleistung. Dazu knackige dreieinhalb Minuten, so gehört sich das! Nicht so aufgeblasen wie das bislang gehörte Material und durchaus einer der besseren Metallica Songs der letzten Dekaden.
Fazit der ersten Hälfte: Verdammt viel von sich selbst geklaut, kaum Material dabei, welches man wirklich auf einem Konzert hören möchte und kaum relevante oder gar neue Ideen. Sprich, keine Überraschung, denn ich war schon vor dem Hören des gesamten Albums eher skeptisch, wie das Album bei mir abschneiden würde. Bislang 6,2 von 10 Punkten
07. Crown of barbed wire (5:49) (7,9)
Huch, ein überraschend guter Song, der durchaus auch ein paar Neuerungen aufweist und nicht wie eine 08/15 Kopie ihrer selbst klingt. Ein starkes Grundriff und ein durchaus geiler Beat vom dänischen Trommelzwerg. Dennoch auch hier kein Song, bei dem ich live meine Fäuste nach oben recken würde, sondern diesen eher anerkennend kopfnickend mit einem Bier in der Hand genießen würde.
08. Chasing light (6:44) (7,5)
Der Anfang des Songs lässt Schlimmes erahnen, entwickelt sich aber im weiteren Verlauf zu einem starken Rocker, der ein wenig asynchron aus den Boxen wummert und definitiv auch keine Metallica Einheitsware darstellt. Nee, der geht gut ab und bestärkt durch viele Tempiwechsel, doch irgendwann musste ich mir wieder ins Gedächtnis rufen, über welche Band ich hier eigentlich schreibe und für den Vierer ist auch „Chasing light“ nicht der Heilsbringer, obwohl die Nummer 8 wirklich einer der besseren Tracks des Albums ist.
09. If darkness had a son (6:36) (4,5)
Seit dem Erscheinen des zweiten vorab veröffentlichten Songs hat sich an meiner Meinung zu diesem Stück nichts geändert. Langweilig, stumpfsinnig von der akustischen Umsetzung her, langatmig und niemals auf den Punkt kommend sind diese knapp sieben Minuten verschwendeter Lebenszeit kaum mehr zu ersetzen. Persönliches Album hin, Vergangenheitsbewältigung her. Das Teil tötet mir den letzten Nerv.
10. Too far gone? (4:33) (5,0)
Der zweitkürzeste Song des Albums weckte in mir die Hoffnung, dass Metallica endlich mal auf den Punkt kommen würden, was aber leider erneut nicht der Fall war. Dieses Rumgejaule von Hetfield ist unerträglich und ich schaute besorgt aus dem Fenster, ob aufgrund dieser scheinbar akustischen Indianer-Rituale es gleich zu regnen beginnen würde.
11. Room of mirrors (5:33) (4,0)
Für mich der schlimmste Song der gesamten Scheibe. Ein musikalischer Stoppelhopser mit einem Refrain, der an den morgendlichen Sitzkreis in der Kita Friedrichshain erinnert, bei dem einem der Appetit auf die sich bereits ausdehnende Weizenkleie mit Chia-Samen im Handumdrehen vergeht. Hier passt wirklich gar nichts und ich werde den Verdacht nicht los, dass dies der Lückenfüller Song war, der bereits während der Aufnahmen auf der Kippe stand.
12. Inamorate (11:11) (kann ich nicht bewerten)
Bei dieser Spielzeit jubiliert jeder Karnevalist innerlich. Mir hingegen graut es bei Songs über 10 Minuten immer genauso sehr, wie wenn Maik eine Band reviewen muss, deren Name mehr als zwei Worte umfasst. In diesem Song passiert…NICHTS! Über 11 Minuten esoterisches Gejaule, abgrundtiefe Langeweile und auch wenn hier Persönliches verarbeitet wird: Wer nimmt mir das Trauma dieses wohl belanglosesten Metallica Songs der letzten 30 Jahre? Unfassbar, wie man sich mit einem Song noch mehr ins Verderben stürzen und die altvorderen Fans gegen sich aufbringen kann.
Fazit der zweiten Häfte: Ich habe es überstanden und freue mich darauf, mir gleich mit der neuen Vomitory einmal mehr das Hirn freiblasen zu lassen. 4,8 von 10 Punkten
Schlussendlich hat das Album exakt das gehalten, was die vorab veröffentlichten Songs versprochen haben…nämlich nichts! „72 seasons“ reiht sich leider nahtlos in die belanglosen Veröffentlichungen der Band ein, die trotz alledem nichts an ihrer Popularität einbüßen wird. Die Produktion ist so lasch, so unglaublich steril und lediglich Robert Trujillo weiß mit seinem filigranen Spiel zu überzeugen. Hetfield singt an manchen Stellen wie zu alten Glanzzeiten…und das war’s! Die Soli von Hammet hat man bereits tausendmal gehört und Ulrich ist und bleibt einer der miesesten Drummer im metallischen Universum.
Es gibt musikalische Lichtblicke und wenn man an den wirklich guten Songs angeknüpft, den Härtegrad erhöht und vielleicht die Dauer etwas komprimiert hätte, wäre ein durchaus gutes Album dabei herausgekommen. Somit hat man aber das Gefühl, dass der Band nichts mehr einfällt, ein gerade erst gekauftes Presswerk aber einen Haufen Kohle verschlingt, die ja irgendwo wieder reinkommen muss.
Ich bete zum Metalgott: Lass Metallica gerne noch ein paar Jahre auf den Bühnen dieser Welt spielen, aber bitte lasst sie keine neuen Alben mehr aufnehmen. Oder nur dann, wenn Hammet seinem Wunsch nach einer zweiten „Masters of puppets“ nachgehen darf. Außerdem ist Gelb die hässlichste Farbe im Universum.
Bewertung: 5,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. 72 seasons
02. Shadows follow
03. Screaming suicide
04. Sleepwalk my life away
05. You must burn!
06. Lux Aeterna
07. Crown of barbed wire
08. Chasing light
09. If darkness had a son
10. Too far gone?
11. Room of mirrors
12. Inamorata