Na endlich! Da haben sich die Norddeutschen nach dem wirklich hörbaren „Radical peace“ knappe 3 Jahre Zeit gelassen, um nun mit „Cannibal nation“ ein Album zu veröffentlichen, welches nicht auf dem ersten Durchhören zündet, sondern viel mehr Zeit benötigt, um sich richtig zu entfalten. Negativ? Absolut nicht, denn nichts ist schlimmer als Eintönigkeit, bei der man auf diesem wirklich mehr als gelungenen Album vergeblich sucht. Vielmehr kann der Sechser, den ich mit Gamma Ray letztes Jahr erstmalig live zu Gesicht bekam und mehr als begeistert war, mit Artenvielfalt, tollen Songstrukturen und einem riesigen Haufen Abwechslungsreichtum punkten.
Mob rules ist keine dieser typischen teutonischen Power Metal Bands, die sich nur auf ihre Wucht oder hymnenhafte Arrangements verlassen, sondern nehmen ihre Hörer mit auf eine Reise, die Musiksachverstand und ein gutes Ohr bedürfen, um die Jungs zu verstehen und sie dementsprechend gebührend abzufeiern. Auch ich tat mich beispielsweise schwer, nach dem erstmaligen Hören des in meinen Augen etwas schwachen Opener „Close my eyes“ eine Linie zu finden, doch im Verlaufe des zweiten oder dritten Hörens merkte ich, dass auch dieser Song perfekt in das Gesamtbild passt, welches Mob rules hier in Noten malen. Über allem thront der herausragende Gesang Klaus Dirks’, der entweder ruhig und fast melancholisch seine Weisen vorträgt wie bei „Ice and fire“ oder dem eben angesprochenen Eröffnungssong oder richtig Dampf auf den Kessel gibt, zu hören beim tollen Stampfer „The sirens“, dem pumpenden „Soldiers of fortune“. Die gesamte Klasse des Albums zeigt sich beim absolut herausragenden „Tele box fool“, der mit seiner unterstützenden Hammond Orgel alle Trademarks dieser famosen Band in sich vereint. Interessant für Geschichtsfreaks ist mit Sicherheit „Scream for the sun (May 29th 1953)“, in dem mal kein krieg, Aufstand oder ähnliches behandelt wird, sonder….tja, das ist die große Preisfrage, die es zu beantworten gilt. Der Hauptprotagonist dieses Datums ziert jedenfalls in Neuseeland den 5 Dollar Schein. Dann sucht mal schön. Ebenfalls ein Sonderlob gibt es für den Rausschmeißer „Sunrise“, denn man muss als Band schon ziemlich dicke Euer besitzen, um ein solch starkes Album mit einem ruhigen Song zu beenden. Mutig!
„Cannibal nation“ ist ein Album, welches man als Ganzes hören und betrachten muss und nicht beim ersten Hören wirklich zu zünden weiß. Eher muss man sich darauf einlassen, mitgehen und finden. Wenn man dieses tut, eröffnen sich Klangwelten, die ich so von Mob rules nicht erwartet hätte, doch das macht den Reiz ja aus. Der einzige Kritikpunkt von mir geht an die Produktion, die den Songs nicht immer gerecht werden und etwas mehr Druck hätte vertragen können. Doch drauf geschissen, das Album ist saustark, interessant und wird noch einige Runden bei mir drehen.
Bewertung: ganz starke 8,9 von 10 Punkten
Tracklist:
01. Close my eyes
02. Lost
03. Tele box fool
04. Ice and fire
05. Soldiers of fortune
06. The sirens
07. Scream for the sun (May 29th 1953)
08. Cannibal nation
09. Sunrise