TETHRA – Withered Heart standing (2024)
(9.277) Olaf (8,9/10) Doom Metal
Label: Meuse Music Records
VÖ: 06.12.2024
Stil: Doom Metal
Es gibt Bands, die haben diese unheimliche Fähigkeit, ihre Hörer mitten ins Herz zu treffen – Tethra gehören definitiv dazu. Die italienischen Melancholiker aus dem Piemont (ohne Kirschen) haben sich seit ihrer Gründung 2008 dem melancholischen Doom verschrieben und dabei eine unverkennbare Handschrift entwickelt. Nach dem Meisterwerk Empire of the Void (2020), das für mich glatt in der Liste der Platten des Jahres landete, legt das Quintett nun mit Withered Heart Standing nach. Doch wie heißt es so schön? Der Thron ist wackelig, und die Erwartungen sind hoch.
Tethra haben sich über die Jahre als Meister des atmosphärischen Doom etabliert, der stets eine Balance zwischen Schwere und Melodie findet. Nach ihrem Debüt Drown into the Sea of Life (2013) beeindruckten sie bereits mit Like Crows for the Earth (2017) und perfektionierten ihre Mischung aus düsteren Riffs, variablen Vocals und Gänsehaut-Momenten mit Empire of the Void. Das Cover von David Bowies „Space Oddity“ war ein Geniestreich, und das Album strotzte vor Klasse. Doch mit Withered Heart Standing schwingen sie erneut den Doom-Zauberstab – mit ein paar kleinen Schönheitsfehlern.
Beginnen wir mit einem Punkt, der mich beim ersten Hören irritiert hat: der Gitarrensound. Für meinen Geschmack kommt er stellenweise etwas zu dünn daher, besonders wenn man ihn mit dem druckvollen Klang des Vorgängers vergleicht. Doch wie bei einem guten Wein braucht es manchmal Zeit, um den vollen Geschmack zu erfassen. Nach mehreren Durchläufen konnte ich mich auch mit dem Sound anfreunden, auch wenn er nie ganz meine Erwartungen erfüllt hat und es keine Liebe auf dem ersten Hören war.
Frontmann Claude beweist erneut, warum er einer der aufstrebendsten Sänger des Genres ist. Seine variablen Vocals, die von tiefem Grollen bis zu klarem, emotionalem Gesang reichen, tragen das Album mühelos. Besonders der Megahit „Days of Cold Sleep“ ist ein emotionales Meisterwerk. Das Duett mit Elisabetta Marchetti und das großartige Cellospiel von Adriano Ancarani lassen die Seele fliegen.
Doch damit nicht genug: „Like Water“ überrascht mit einer grandiosen Saxophon-Einlage, die den ohnehin abwechslungsreichen Charakter des Albums unterstreicht. Und dann ist da noch „Behind the Scars“ – ein eingängiger Track, der sich erst durch seine „schief“ klingenden Gitarrenstrukturen auszeichnet, um dann am Ende eine erstaunliche Harmonie zu entfalten. Mutige Komposition, die belohnt wird!
Der abschließende Song „Commiato“ – italienisch für „Lebewohl“ – sorgt für bittersüße Abschiedsstimmung, die Hoffnung macht, dass Tethra noch lange nicht am Ende ihrer kreativen Reise angekommen sind.
Withered Heart Standing ist ein Album voller Emotionen, das seinen Vorgänger nicht ganz erreicht, aber dennoch beeindruckt. Während die Produktion anfangs gewöhnungsbedürftig ist, offenbart die Platte mit jedem Hören neue Facetten. Mit Hits wie „Days of Cold Sleep“ und den einzigartigen Momenten, die Tethra immer wieder kreieren – sei es durch Saxophon oder Cello – beweisen sie, dass sie zu den besten ihres Genres gehören und endlich auch die Anerkennung verdient hätten, die ihnen zweifelsohne zusteht.
Für Fans von Paradise Lost, Sentenced oder auch in kleinen Teilen Sorcerer ist dieses Album ein Pflichtkauf. Und auch wenn der Titeltrack „Lebewohl“ suggeriert: Ich bin überzeugt, Tethra haben noch viel zu erzählen – und ich kann es kaum erwarten, ihnen weiter zuzuhören.