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SERVANTS TO THE TIDE – Where Time will come to die (2024)
(9.028) Jörn (9,0/10) Epic Doom Metal
Label: No Remorse Records
VÖ: 19.07.2024
Stil: Epic Doom Metal
Anschnallen, Leute. Denn egal, ob ihr euch die Vinyl auf den Teller gelegt oder die CD in den Player geschoben habt, oder das Album aus der Stream-Wolke auf euch hinabregnen lasst: Die nächsten 50 Minuten werden rau, werden hart, werden episch.
Die noch relativ frische Epic-Doom-Kapelle SERVANTS TO THE TIDE haut dieser Tage mit „Where Time Will Come To Die“ den Nachfolger ihres vor drei Jahren erschienen selbstbetitelten Debüts auf den Markt. Schon das Erstwerk konnte mit außergewöhnlichen Songs für erste Ausrufezeichen sorgen, aber mit Album Nummer Zwei wird noch einmal in allen Bereichen kräftig zugelegt.
Die sieben Songs bestechen allesamt durch ausschweifende Dynamik, ausgefallene Verläufe und originelle Strukturen, die sich zwar nicht direkt im Ohr festsetzen, aber von der ersten Sekunde an faszinieren. Neu sind die Chöre, die im Opener „With Starlight We Ride“ dezent eingesetzt werden, aber effektiv genug sind, um dem verhältnismäßig flotten und sogar etwas in Richtung Truemetal schielenden Song einen gehörigen teutonischen Anstrich zu verleihen.
Nach diesem relativ leicht zugänglichen Einstieg begibt sich die Band beim nächsten Song „Sunrise In Eden“ dann zum ersten Mal auf sperrigeres Doom-Gelände und gibt damit den Weg für die restlichen Stücke vor. Gespickt mit unvorhersehbaren Rhythmen und einem steten Wechsel von fetten und cleanen Gitarren zeigen die Hamburger ihr Gespür dafür, mit unkonventionellen Melodien große Songs entstehen zu lassen.
Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass sich zu den bereits genannten Chören im Laufe der Platte zwar noch die bereits vom Debüt bekannten Klavierstellen gesellen, der Band aufgrund des trotzdem nach wie vor reduzierten und rauen Sounds eine angenehme Ursprünglichkeit aber erhalten bleibt. Wo andere Genrevertreter mittlerweile immer mal dazu tendieren, ihre Musik in einem Übermaß aus Bombast zu ertränken, stellen SERVANTS TO THE TIDE lieber ihre Kompositionen im Vordergrund und kreieren trotz allem eine kilometerdicke Atmosphäre.
Und Songs wie das kraftvolle „The Trial“, das von einer Eiseskälte getriebene „White Wanderer“ oder das riesige „If The Stars Should Appear“ verlieren auch ohne üppigen Einsatz von zusätzlichem Schnickschnack nichts an ihrer epischen Wirkung.
Über allem steht der Gesang von Stephan Wehrbein. Zugegeben, seine Art zu Singen muss man mögen und wird sicherlich nicht jedem gefallen. Seine deutsche Herkunft kann er mit seinem recht deutlichen Akzent nicht verbergen, und auch gibt es sicherlich Sänger, die einen größeren Stimmumfang im Repertoire haben. Aber er vermag mit dem genau richtigen Maß an Pathos und Theatralik noch einmal kräftig auf die atmosphärische Wirkung der Songs einzuzahlen.
Und spätestens, wenn im abschließenden Titeltrack noch einmal für gut zehn Minuten zur letzten großen Reise gerufen wird, bin ich sowie längst gefangen und bereit, der Band bis ans Ende der Welt zu folgen und darüber hinaus.
Insgesamt kann ich nicht anders als SERVANTS TO THE TIDE ein großartiges Werk zu bescheinigen. Denn mit „Where Time Will Come To Die“ haben sie mir eines der intensivsten und immersivsten Alben der letzten Zeit geschenkt. Eine Band wie gemacht für Underground-Festivals a la KEEP IT TRUE und Konsorten, von der ich in Zukunft noch ganz viel hören und sehen möchte.
Anspieltipps: „Sunrise In Eden“ und „If The Stars Should Appear“