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DØDHEIMSGARD / DHG – Black Medium Current (2023)

(8.316) Patrick (10/10) Avantgarde Black Metal


Label: Peaceville Records
VÖ: 14.04.2023
Stil: Avantgarde Black Metal






Ganz kurz zur Einleitung. Wer seine musikalischen Genüsse gern in diverse Schubladen aufteilt und auch gerne mal eher engstirnig in denselben denkt, der sollte am besten zum nächsten Review weiterscrollen, denn eigentlich kann man dieses Meisterwerk gar nicht mit Worten beschreiben, geschweige denn den künstlerischen Anspruch dieser Platte in irgendeiner Form greifen oder gar begreifen und somit stellt dieses Review lediglich den kläglichen Versuch dar, dieses Manifest in angemessener Art und Weise vorzustellen und entsprechend zu würdigen.

Wenn man auf die stilistische Bezeichnung „Avantgarde-Black Metal“ trifft, dann macht man sich innerlich schon auf eine fette Portion Chaos gefasst. Man erwartet grenzenlose, künstlerische Freiheit, dargeboten auf einem enorm hohen kompositorischen Level, welchem der Hörer vielleicht auch nicht immer vollends zu folgen vermag. Keine Band prägte diese ausdruckstarke Randgruppe der dunklen Musik intensiver als die norwegischen Avantgarde Pioniere DØDHEIMSGARD, denn in Sachen kompositorischer Weitsicht, atmosphärischer Dichte, versetzt mit einer riesigen Schippe Wahnsinn, können ihnen höchstens noch die Landsmänner von ARCTURUS oder mit einigen Abstrichen noch ULVER oder MANES das Wasser reichen, wobei die beiden letztgenannten mit Metal im herkömmlichen Sinne nicht mehr viel gemeinsam haben.

Ganz anders sieht es da im DØDHEIMSGARDschenKlangkosmos aus, denn hier steht der grimmige Metal definitiv und trotz aller fremdartig wirkenden Einflüsse, immer noch an vorderster Stelle und ja, auch ich bin den Frühwerken dieser Satansbraten völlig verfallen. Das Debütalbum „Kronet Til Konge“ (1995) und speziell der Nachfolger „Monumental Possession“ (1996) stehen in meiner Black Metal Sammlung sehr hoch im Kurs, doch auch ein ewiger Nostalgiker wie ich es bin, hat irgendwann einmal begriffen, dass diese Zeiten unwiederbringlich vorbei sind, absolut nicht reproduziert werden können und dementsprechend sollte man derartige Erwartungen erst gar nicht wecken, ganz besonders dann nicht, wenn man es mit einer solch Genresprengenden und grenzenlos Visionären Band wie DØDHEIMSGARD zu tun hat. Ebendiese waren mir hier im Denkansatz einige Jahre voraus und haben diese Tatsache bereits Ende der 90er erkannt, öffneten sich vielerlei anderen und genreuntypischen Einflüssen und begannen sich keinerlei Limits im Songwriting mehr zu setzen. Umso erstaunlicher wirkt die Tatsache, dass Album Nummer sechs „Black Medium Current“, trotz aller fremdartiger Klänge, wie aus einem Guss klingt und eine heimelige, stellenweise eine fast chillige Stimmung erzeugt. Kurz…..die Platte geht seltsamerweise, aller wirren Wendungen zum Trotz, verdammt gut ins Ohr!

Dies wird mit dem Opener „Et Smelter“ umso deutlicher, denn dieser grandiose Song vermag mich in eine Zeit zurückzuversetzen, in der ULVERs „Bergtatt“ gerade das Licht der Welt erblickte. Was für eine traumhafte Reise! Seichte Keys und eine sanfte Gitarre, über der sich flüsternder Gesang erhebt, geleiten uns in den Song, bevor primitives, klirrend kaltes Riffing und drückende Blastbeats das Geschehen übernehmen und für einige Minuten beherrschen. Dazu gesellen sich die typisch gekreischten und in Landessprache vorgetragenen Vocals, welche sich eindrucksvoll mit wirklich herrlich ergreifenden und wunderbar heroischen Klargesangpassagen abwechseln. Gänsehaut pur, aber DØDHEIMSGARD wären nicht DØDHEIMSGARD, wenn nicht nach knapp acht Minuten der nostalgischen Wehmut, die Moderne Einzug in den Song halten würde und diesen mit irre spacigen und dennoch sphärischen Tastentönen zum Ende führt. Wow! Das folgende „Tankespinnerens Smerte“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, legt weiterhin die Black Metal Wurzeln der Band frei, überrascht aber mit einem nicht zu verachtenden Prog-Anteil im Songwriting. Besonders auffallend sind auch hier wieder die unfassbar geilen Vocals, welche zwischen Kreischen, singen, flüstern und leidend wimmernd so ziemlich jede Artikulationsform abdecken.

Interstellar Nexus“ wirkt dagegen schon fast poppig, überzeugt mit unfassbar eingängigen Gesangslinien und einer wunderbar sphärischen Keyboardbegleitung. Einzig das technoide Song-Ende knallt dem Hörer völlig unerwartet in die Fresse, wirkt etwas verstörend, fast deplatziert, aber so seltsam das auch klingen mag, irgendwie passt es auch perfekt dahin. Mit „Halow“ ist den Jungs dann auch noch eine pechschwarze und furchtbar eingängige Hymne gelungen, die im Allgemeinen nur als wunderschön zu bezeichnen ist, bevor in „Det Tomme Kalde Morke“, zumindest am Anfang wieder die rasende Black Metal Keule geschwungen wird.

Prinzipiell ist es über die gesamte Albumdistanz der unfassbar gut austarierte Spagat zwischen seliger Nostalgie, irren Windungen und Wendungen, modernen Einflüssen und wahnwitzigen Prog-Rock artigen Songstrukturen, welche dieses Album so dermaßen groß wachsen lassen. „Black Medium Currant“ ist eine Achterbahnfahrt in allen Belangen. Egal ob stilistisch, klanglich, künstlerisch, kompositorisch, visuell oder sogar auf der Gefühlsebene, hier herrscht die blanke Perfektion und ich bin restlos begeistert von diesem, fast 70 Minuten andauerndem Meisterwerk. Unfassbar, wie viele Emotionen DØDHEIMSGARD mit dieser Platte heraufbeschwören, zusammenführen und mich als Hörer in einem ständig pendelndem Gefühlskarussell, bestehend aus purer Freude, blankem Entsetzen bis hin zur völlig einnehmenden Gänsepelle, inklusive stellenweise auftretender Ratlosigkeit zurücklässt.

Das ist nicht einfach nur Musik. Das ist nicht einfach nur ein Album. Nein…..DAS ist vertonte Kunst in allerhöchstem Maße und rechtfertigt nichts weniger als die Höchstwertung! Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntlich nah beieinander und genau das bieten uns die Norwegischen Verrückten. „Black Medium Current“ ist ein wahrhaft fantastisches und umso faszinierenderes Werk geworden. Was für ein Trip! Geniale Scheibe! Ich ziehe anerkennend meinen imaginären Hut. Chapeu!

Anspieltipps: „Et Smelter“ und „Halow“


Bewertung: 10 von 10 Punkten


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