HERBST IN DER SCHWÄBISCHEN ALB
Der dritte Festival-Tag startet dann gleich mit einer Überraschung: nach der doch eher durchwachsenen Witterung der Tage zuvor, meinte es der Wettergott am Samstag gut mit uns und lässt seine gelbe Adjutantin den ganzen Tag über strahlen. Nicht zuletzt daher ist auch der Platz vor der Open Air-Bühne bereits zur spät vormittäglichen Stunde recht gut gefüllt. Das dürfte aber auch der ersten Attraktion zuzuschreiben sein, denn das schwedische Quintett Black Trip wird euphorisch willkommen geheißen. Da die Jungs bereits mit den beiden Scheibletten „Goin‘ Under“ und „Shadowline“ gehörig Staub in der Szene aufwirbeln konnten und Presse und Fans sich selten so einig darüber waren einen der heißesten Newcomer der letzten Jahre zu Gehör bekommen zu haben, lässt sich der Empfang durchaus erklären. Mit Vorschusslorbeeren wie diesen muss eine Formation zwar erst einmal fertig werden, hält man sich jedoch vor Augen, dass hier ohnehin altgediente Recken im Line-Up zu finden sind, ist die Überraschung ob der auch auf der Bühne dargeboten Leistung nicht mehr ganz so gewaltig. Sehr wohl aber Stimmung, den das Schweden-Kommando mit einer spielfreudigen und überaus ambitionierten Vorstellung einläuten darf. Allen vor der ständig in Bewegung befindliche Sänger Joseph Tholl (ansonsten als Gitarrist bei Enforcer aktiv) weiß mit seiner sympathischen Art die Zuseher auf seine Seite zu ziehen. Zugegeben, besonders schwierig ist dieses Unterfangen auch nicht, Songs wie „Die With Me“, „Berlin Model 32“ oder „Shadowline“ kämen auch ohne jedwede „Animation“ gut zur Geltung. Das tun die Nummern selbstredend auch hier und heute, mehr noch, das Publikum scheint regelrecht gierig auf die Tracks der Sverige-Boys, die in der Live-Umsetzung sogar noch ein wenig intensiver grooven und nicht zuletzt durch die permanent vorhanden Thin Lizzy-Schlagseite noch besser reinflutschen. Jede Wette, dass Black Trip nicht nur ihre Fans überaus zufrieden gestellt haben, sondern mit dieser Vorstellung erneut zahlreiche Classic Rock-Liebhaber mehr zu ihrer Klientel zählen dürfen. Starke Leistung!
Während die Schulen in und um Balingen üblicherweise von Samstagmittag bis zum Montag geschlossen bleiben, gibt sich auf der Open Air-Bühne die berühmteste aller „Schulorganisationen“ im Rock-Biz die Ehre und eröffnet mit „Demolition“ ihr vorwiegend auf Klassikern basierendes Set. Ihre Spielfreude ist Girlschool nicht nur ab den ersten Takten anzumerken, sie wirkt förmlich ansteckend, weshalb sich der Platz vor den Brettern im Verlauf der Spielzeit auch zusehends füllt. Wenig verwunderlich, denn wer Hämmer wie „C'mon Let's Go“, „Hit And Run“ oder „Emergency“ im Gepäck hat, ist in Balingen immer willkommen. Da Kim McAuliffe auch noch auf überaus ehrenvolle Manier sowohl Ronnie James Dio (dem das von ihm geschriebene und gemeinsam mit der Band auf dem 2008er Album „Legacy“ intonierte „I Spy“ gewidmet ist) sowie logischerweise auch LEMMY, zu dessen Ehren man „Take It Like A Band“ darbietet) zu würdigen weiß, gewinnt das Quartett obendrein auch noch Sympathiepunkt bei den Fans, die den Damen für diesen gelungenen Auftritt entsprechend Applaus spenden.
Mit Damengesang geht es auch weiter, jedoch in deutlich weniger rockender Manier. Den NiederländerInnen Delain wird erstmals die Ehre zu Teil das Festival auch von der Open Air-Bühne aus zu beschallen und diese Chance weiß die Truppe auch zu nutzen. Zwar sorgt der symphonische Bombast-Sound (inklusive einem fast schon aufdringlich in den Vordergrund gemischtem Keyboard) der Formation wie auch der Gesang von Charlotte Wessels für geteilte Meinungen, die Reaktionen auf die pompöse Show geben den Veranstaltern aber Recht, denn die Stimmung in der „Frontrow“ ist überaus gut. Die Band lässt sich auch nicht lumpen und kredenzt neben diversen Hits mit „The Glory And The Scum“ auch bereits einen Ausblick auf das demnächst erscheinende neue Studio-Album. Mit Bomben und Granaten (genauer gesagt einer Explosion und anschließendem einem Konfetti- und Papierschlangenregen) endet die Vorstellung der Truppe, deren Frontdame trotz drückender Hitze ihr Fell(?)-Jäckchen bis zum Ende anbehält. Ihren Fans gegenüber wirkt Charlotte jedoch alles andere als „unterkühlt“, weshalb man vor und auf der Bühne ausnahmslos erfreute Gesichter erblickt.
Mehr als nur zufriedene und selbstredend auch bestens unterhaltene Zuseher hinterlassen danach einmal mehr auch die Frankfurter Thrasher Tankard. Einen ganz besonders spaßigen Tag scheint Gerre erwischt zu haben, denn der Kerl treibt permanent Schabernack und hat logischerweise die Meuten schon nach dem eröffnenden „Zombie Attack“ fest im Griff. Besonders angetan hat es der Sänger offensichtlich einer immer wieder lautstark ihre Freude über den Gig kundtuende Dame in den ersten Reihen. Gerre verspricht ihr darauf nicht nur ein Kind, er ist sich auch schon darüber im Klaren, dass es sich um ein Mädel handeln wird, das auf den Namen „Cerveza“ getauft werden wird. Aber nicht nur damit sorgt der, in ein schickes „Sauf Jetzt!“-Shirt seiner Eintracht gekleidete Derwisch für Lacher, auch so mancher Fotograf kann sich wohl nur schwer halten, wenn der gute Gerre seine Wampe entblößt und sie unmittelbar an das Objektiv drückt. Aber auch Veranstalter Horst und seine Crew wissen für Entertainment zu sorgen und platzieren sich im Laufe des Sets einfach mal so mit Stehtischen im hinteren Bühnenbereich. Wirklich irritiert wirkt Gerre aber erst, als Horst ihm ein Bierchen anbietet und dafür eine vermeintliche Marshall-Box öffnen und ihm ein offenbar gut gekühltes Blondes in die Pranke drückt. Kühlschränke in diesem Design könnten durchaus zu einem Verkaufsschlager werden. Zumindest aber zu einem Kult-Objekt, wie es auch das Tankard-Debüt ist, dessen Signature-Tune „Empty Tankard“ einmal mehr den Schlusspunkt unter einen überaus gelungen Auftritt der Frankfurter Schluckspechte setzt und - wie es sich geziemt – auch entsprechend mitgegröhlt wird. Prost!
Das Nachmittagsbierchen mundet bei den hochsommerlichen Temperaturen zwar auch ohne Animationsprogramm, sorgt aber auf jeden Fall für gut geölte Kehlen, die auch bei den folgenden Great White vonnöten sind um deren Programm entsprechend mitzufeiern. Das Quintett erweist sich obendrein als gelungene Abwechslung zwischen dem Thrash der Frankfurter und der folgenden Teutonen-Stahl Institution GRAVE DIGGER. Angeführt von Terry Ilous, der stimmlich absolut auf der Höhe ist und sich selbst von einem für ihn über sein Ear-Plug-System entstandenes offenbar sehr schmerzvolles Sound-Problem zu Beginn des Sets nicht aus der Ruhe bringen lässt, kredenzend die Herrschaften aus den Staaten eine gediegene Hard Rock-Vorstellung, inklusive der immer schon einen festen Bestandteil ihres Klangbildes ausmachenden urwüchsigen Blues-Klänge. Von daher ist das in der Mitte des Sets positionierte „House Of Broken Love“ ebenso logisch wie für Abkühlung sorgend. Auch, dass Mark Kendall und sein Arbeitsgerät für den Betrachter eher den Eindruck erwecken im Hintergrund zu agieren. Dabei ist es gerade dieses „Team“, das den Stil von Great White prägt und zudem, was den Sound betrifft, die uneingeschränkte Führungsposition innehat. Auch wenn sowohl die Rhythmus-Abteilung wie auch der zweite Gitarrist und Keyboarder Michael Lardie satt grooven und posen wie die Weltmeister, bleiben der an sich bei XYZ aktive Sänger und der einstige Bandgründer an der Sechssaitigen die auffälligsten in Reihen der US-Recken. Der Sound kommt ausgewogen aus den Boxen und auch die Setlist kann sich sehen und hören lassen und enthält erlesene US-Hard Rock-Perlen wie „Desert Moon“, „Mista Bone“ und „Lady Red Light“. Zum Schluss wird noch das für die Band obligatorische Cover „One Bitten Twice Shy“ intoniert, mit dem die einen beschwingten wie gelungenen und abwechslungsreichen Auftritt beendet, bei dem obendrein die größten Dichte an Weibchen an vorderster Front zu verzeichnen ist.
Geradezu einem Stilbruch kommt der daran anschließende harsche Teutonen Metal von Grave Digger gleich, der Publikumszustrom indes bleibt trotz bemerkbarer Wanderung gleich. Da Chris Boltendahl und seine Mannschaft längst zu den lebenden Legenden zählen, verwundert das auch keineswegs, und wer mit einem unsterblichen Klassiker wie „Headbanging Man“ ins Geschehen einsteigen kann, hat ohnehin leichtes Spiel bei diesem Festival-Publikum. Doch nicht nur uralte Kamellen werden ausgepackt, selbstredend gibt es auch Exzerpte späterer Scheiben zu hören. Besonders imposant kommt das knochentrocken „ The Round Table (Forever)“ zur Geltung, in dem auch Chris seine Stärken ausspielen kann. Die Stimme und auch das Auftreten des „Chefs“ waren und sind ja noch immer das Thema schlechthin für Fans und Kritiker der Band. Freilich, man muss seine Röhre selbstverständlich nicht zwingend gut finden, die Darbietung passt aber einfach perfekt zu dieser Art von Heavy Metal. Und auch die Hingabe, mit der dieser Mann schon seit langen Jahren die Songs mit jeder Faser seines Körpers förmlich zelebriert, muss man einfach honorieren. Mehr Metal geht nicht! Das denken auch unzählige eingeschworene Fans vor der Bühne, die Grave Digger lautstark unterstützen. Besonders imposant: der vom Publikum in ohrenbetäubender Lautstarke intonierte Chor bei „Rebellion (The Clans Are Marching)“. Nicht minder begeistert aufgenommen wird auch das Finale „Heavy Metal Breakdown“ mit dem die Herrschaften ihre rundum gelungene, auch optisch gut in Szene gesetzte Show beenden und nichts als glückliche Gesichter vor der Bühne hinterlassen.
In der Halle gibt es inzwischen eine Art „Wiedersehen mit alten Freunden“ zu feiern. Die im letzten Jahr erst wieder reaktivierte Formation Warpath aus dem hohen Norden Deutschlands hatte ihre erfolgreichste Zeit Anfang bis Mitte der 90er, als ein herber Mix wie ihrer, aus Groove, Thrash und reichlich Hardcore als „Up To Date“ galt. Als „heißer Scheiß“ wird der „Crossover“ der Nordlichter zwar nicht mehr durchgehen, die vom in Bälde aufgelegten neuesten Dreher „Bullets For A Desert Session“ stammenden Tracks wie der auf Anhieb für lautstarkes Gegröle sorgende Stampfer „I Don’t Care“ lassen aber auf jeden Fall einiges erwarten. Doch auch das Material aus der Frühzeit der Band verfehlt seine Wirkung nicht, schließlich wird es immer noch auf jene brachial groovende Weise dargeboten wie früher und sorgt immer noch für akuten Mitmach-Alarm. Auch die Mimik und Gestik von Sänger Dirk „Dicker“ (der diesen Spitznamen inzwischen völlig ungerechtfertigter Weise trägt) Weiss hat nichts an Faszination eingebüßt. Es wirkt immer noch beängstigend wie dieser Kerl seine Augen nach oben rollen kann und man als Beobachter den Eindruck gewinnt, Dirk hätte nichts als das „Weiße“ in den Augenhöhlen. Kurz, ein echtes Bühnen-Viech! Aber auch seine neuen Mitstreiter Sören (Bass) und Flint (Gitarre) wissen was `ne Harke ist und brettern unterstützt von ihrem satt groovenden Drum-Kollegen amtlich durch die Songs. Wirklich massentauglich ist das massive Gebräu zwar immer noch nicht, weshalb sich die Anzahl an Zuschauer in der Halle auch in Grenzen hält, nichtsdestotrotz liefert die Truppe aber eine begeisternde Show, die im lautstark bejubelten Klassiker „In Rage“ einen überaus gediegenen Abschluss findet.
Der erfolgt nahezu zeitgleich mit der mächtig intonierten Einleitung von „Gypsy“ mit dem die britischen Rock-Urgesteine Uriah Heep ihr Set eröffnen. Phil Lanzon bearbeitet seine Orgel in Manier eines Eisenbiegers und drischt dem Augenschein nach in die Tasten, die dabei erzeugten Klänge lassen jedoch sehr wohl das Feingefühl der Keyboard-Untermalung zu Mick Box’s unsterbliche Riffs dieser Nummer erkennen. Spätestens als Bernie Shaw dem Publikum auf imposante Weise unter Beweis stellt, dass er in seiner Liga mit zu den besten zählt, hat die Band fast schon gewonnen. Es sollte generell ein leichtes Spiel für die Herren werden, denn wer danach mit „Look At Yourself“ einen weiteren unsterblichen Rock-Klassiker servieren kann, hat Balingen logischerweise sofort erobert. Der Triumphzug findet aber auch durch das Einflechten neuer, vom lässigen 2014er-Opus „Outsider“ stammender Tracks kein Ende und als man im späteren Verlauf des Sets auch noch „Sunrise“, „Stealin'„ und „July Morning“ (klingt zwar irgendwie eigenwillig an diesem immer noch heißen Frühabend, aber immerhin trifft man monatsmäßig in die Vollen) kredenzt, steht das Auditorium nahezu vollends Kopf. Nicht zuletzt dieser Vorarbeit ist es auch zu verdanken, dass man die NICHT mit in den Refrain einsteigenden Zuseher beim finalen „Lady In Black“ (auch wenn der Mitsingpart vielleicht doch ein wenig zu üppig geraten ist) an einer Hand abzählen kann. So muss Rock‘n’Roll!
Während dessen ist die Spannung förmlich zu spüren, wenn man am späteren Samstag-Nachmittag die Halle betritt. Klar, die Melodic-Fraktion bekommt schließlich einen ganz besonderen Happen serviert, auf den sie lange Zeit geduldig warten musste. Die Kernfrage dabei lautet, ob es Danny Vaughn und seine Mannen nach dem umjubelten Comeback-Album „„Dig In Deep“„ auch auf der Bühne in ähnlich quicklebendiger Form zu sehen geben würde. Und ja, das tut es, und in welch‘ beeindruckender Form auch noch! Zwar bedarf es auf Grund einiger Terminkollisionen einmal mehr des berüchtigten Balinger „Parallel-Slaloms“, die Ordner-Truppe bei Ein- bzw. Auslass aus der Messehalle hat die Sache aber gut unter Kontrolle, weshalb es kein Problem darstellt, immer wieder zwischen Heep und der Halle hin- und her zu wechseln. Das muss einfach sein, schließlich steht mit Tyketto eine Band auf den Brettern, von der man lange keine Gigs mehr sehen konnte. Klar, dass die Formation wie verlorene Söhne empfangen wird. Schon beim Betreten der Bühne zeigt sich, dass auch die Band verdammt gut drauf sein muss und als es dann tatsächlich losgeht wird klar, dass der am Tag darauf seinen 55. Geburtstag feiernde Frontmann nicht nur mit Spaß und Feuereifer bei der Sache ist, sondern zudem weder etwas von seinem Charisma, noch von seiner Ausstrahlung und schon gar nichts von seiner Stimmgewalt eingebüßt hat. Doch nicht nur Danny, auch seine Mitstreiter agieren mit einer bemerkenswerter Spielfreude und lassen von Beginn an keinen Zweifel daran aufkommen, dass beim Comeback von Tyketto finanzielle Gründe wohl nur eine ganz leises Nebengeräusch gewesen sein können. Danny weiß nicht nur die Massen zu dirigieren und gemeinsam mit dem Publikum das zu feiernde Album „Don’t Come Easy“, das vor 25 Jahren veröffentlicht wurde, stimmlich fein darzubieten, der Kerl erweist sich auch als überaus unterhaltsamer Zeitgenosse. So weist er unter anderem darauf hin, kurz vor der Show endlich einmal Udo Dirkschneider, einem seiner Jugendidole seit „Metal Heart“ persönlich begegnet zu sein. Klarerweise hättet er gerade deshalb auch sein Outfit entsprechend auf Heavy Metal getrimmt – und weist auf den Fisch auf seinem T-Shirt, von der behauptet, dass es sich um ein ganz besonders gefährliches Exemplar handeln würde. Charme und Entertainment zählen also immer noch zu den Stärken dieses Mannes, der aber dennoch in erster Linie als Sänger brilliert und so gedieht das zu Beginn dargebotene „Sail Away“ (das an sich das Finale des „Jubiläumsalbums“ darstellt) ebenso zu einem schlicht wunderbaren Melodie-Ereignis, wie auch „Nothing But Love“ oder der Album-Opener „Forever Young“, der ein grandioses Finale darstellt. Aber auch die nicht vom erwähnten Dreher stammenden Edel-Perlen wie „The Last Sunset“ (Gänsehaut!) oder „Rescue Me“ (beide vom 1994er „Strength In Numbers“) sind perfekter Stoff für die leider viel zu kurze Melodic-Rock-Vollbedienung. Auf das bereits eingespielte, von Mr. Vaughn im Laufe der Spielzeit für den kommenden Oktober zur Veröffentlichung angekündigte neue Album „Reach“, freut sich die Zielgruppe jedenfalls schon jetzt!
Dem erwähnten „Parallel-Slalom“ ist es geschuldet, dass es mir nicht möglich ist den gesamten Auftritt von Dirkschneider mitzuerleben. Das tut zwar ein wenig weh, zumal es die letzte Tournee ist auf der Udo Dirkschneider Accept-Klassiker zum Besten gibt, doch alles kann man bekanntlich nicht haben. Auf jeden Fall entschädigt das Gebotene mehr als ordentlich, die Band agiert nämlich überaus engagiert und wirkt auch spielerisch auf höchstem Niveau. Welche Reaktionen ein Auftritt, der ausnahmslos aus deutschen Metal-Klassikern besteht bei einem Publikum wie dem in Balingen entfacht, braucht wohl nicht gesondert erwähnt werden, oder? Eben. Man muss es einfach in dieser Deutlichkeit sagen: Was sich hier vor der Bühne abspielt, würde problemlos auch einem Headliner-Set gerecht und diesen hätte der Großmeister des deutschen Heavy Metal mit diesem Programm auch locker verdient. Vielleicht liegt es ja auch am Umstand, dass man – wie auch Twisted Sister – dieses Programm in solcher Form nie wieder geboten bekommt, den Reaktionen des Publikums nach zu schließen ist das den Leuten bewusst und so ist bei Dirkschneider eine ähnliche Euphorie mitzuerleben wie bei Dee und den „Sisters“. Ganz egal, ob zu Beginn als es nach „Starlight“ und „Livin‘ For Tonite“ bei „London Leatherboys“ erstmals einen Publikumschor von unfassbarer Lautstärke zu hören gibt, oder auch später im Programm, es besteht keinerlei Zweifel daran, dass die Verpflichtung von „Uns Udo“ einen vollen Erfolg für alle Beteiligten darstellt. Was sich beispielsweise bei „Princess Of The Dawn“ oder „Restless And Wild“ abspielt, fällt schlicht in die Kategorie „sensationell“ - mehr Metal geht wirklich nicht! Davon ist auch der Meister selbst überaus angetan und stachelt die Meute, aber auch seine Band, zu weiteren Höchstleistungen an. Zwar muss man sehr wohl auch festhalten, dass bei „Metal Heart“ die Gitarren nicht mit der Genialität eines Wolf Hoffmann aus den Boxen kommen, allerdings wirkt selbst die eigen(willig)e Interpretation des Solo-Teils durchaus gelungen. Ein klein wenig Wehmut ist zwar gegen Ende der Vorstellung auch festzustellen, die Freude der letztmaligen Chance Udo dabei zuzuhören - besser gesagt dabei mitzuerleben - wie er mit seiner unnachahmlichen Röhre „Balls To Wall“ intoniert, ist aber dennoch deutlich größer. Keine Frage, der Auftritt von DIRKSCHNEIDER wäre eine Headliner-Show Wert gewesen, in Anbetracht der Vorzeichen, ist aber auch die Entscheidung des Veranstalters durchaus nachvollziehbar. Hammer-Gig! Schade, dass es so etwas in dieser Form nie wieder geben wird.
Doch das sollte es längst nicht gewesen sein. Zwischendrinnen gilt es einen abermaligen Besuch in der Halle abzustatten, in der Threshold die undankbare Aufgaben haben etwa die Hälfe ihres Gigs zeitlich mit DIRKSCHNEIDER absolvieren zu müssen. Der Band selbst scheint das nichts auszumachen, im Gegenteil die Herren wirken bis in die Haarspitzen motiviert und legen mit einer fulminanten Version von „Slipstream“ mächtig los. Allen voran Damain Wilson, der fast schon hyperaktiv wirkt zieht die Blicke auf sich und weiß bei aller Komplexität des Material im weiteren Verlauf des Sets immer wieder unter Beweis zu stellen, dass er in den letzten Jahren zu einem echten Entertainer herangewachsen ist. So versucht er sich in späterer Folge bei „Pilot In The Sky Of Dreams“ als „Moses“, teilt das Publikum so, wie dieser einst des Meeres Wellen unter seine Macht gebracht hatte, und setzt seine Gesangsvorstellung wahlweise im von ihm installierten „Mittelgang“, oder aber direkt im Publikum fort. Prog Metal kann also durchaus auch amtliches Rock-Entertainment sein! Alle Achtung! Selbstredend stehen ihm seine Mitstreiter in nichts nach, unter anderem kann man beobachten wie Karl Groom und Pete Morten während einer Instrumentalpassage mit der Griffhand den Gitarrenhals des anderen bearbeiten. Sieht nicht nur lässig aus, die Chose kommt auch technisch ohne etwaige „Ausrutscher“ daher. Respekt! Schade zwar, dass es nach einem abermaligen Besuch bei Dirkschneider danach nur noch ein ausgedehntes „Watchtower On The Moon“ sowie „Ashes“ zu hören gibt, da die Hallenuhr inzwischen langsam aber sicher das Ende der Show anzeigt, eine überaus imposante Vorstellung kann man den Briten aber auf jeden Fall attestieren. Mehr noch, eine solch‘ furiose Umsetzung ihrer Tracks hätte wohl kaum jemand von Threshold erwartet, durchaus möglich also, dass auch die Briten bei einem der nächsten Festivals auf die Hauptbühne dürfen.
Vor dieser machen sich inzwischen die Zuseher für Iced Earth bereit, den eigentlichen Tages-Headliner. Zwar ist die Menschenansammlung im Vergleich zur Twisted Sister-Sause am Vortag deutlich geringer, man hat aber auch schon wesentlich weniger Schaulustige zu dieser Tageszeit in Balingen miterleben können. Da die Band an sich gerade im Studio ist um ihr kommendes Album fertigzustellen, erwartet man keine großartig einstudierte Show, sondern begnügt sich in erster Linie mit einem einwandfrei dargebotenen „Best Of“-Set, zur Auswahl steht Jon Schaffer und seiner Mannschaft ja wahrlich eine ganze Menge. Einiges davon darf durchaus als Klassiker betrachtet werden, allen voran das „Dark Saga“-Album, mit dessen Titeltrack die Formation vor ihrem Monster-Backdrop auch ins Geschehen einsteigt. Der Sound ist okay, das Stage-Acting ebenso, einzig Stu Block wirkt einmal mehr leider etwas übermotiviert und scheint mit Gewalt den „Barlow“ geben zu wollen. Wesentlich besser wirkt seine Vorstellung im unmittelbar danach gespielten „Plagues Of Babylon“. Klar, diese Nummer ist ihm auf den Leib geschneidert worden. Sein Animationsprogramm kommt aber auch hier ein wenig überkandidelt rüber, nichtsdestotrotz kann er die getreue Schar an Bangern vor der Bühne voll auf seine bzw. auf Seite der Band ziehen. Dennoch muss man festhalten, dass stimmungstechnisch bei Dirkschneider deutlich mehr los gewesen ist. Alles in allem geht die Vorstellung von Iced Earth aber auf jeden Fall in Ordnung. Die Setlist weiß durchaus zu gefallen, selbst wenn man zu sehr auf Nummer Sicher geht und nicht wie erhofft, schon einen Vorgeschmack auf das kommende Album liefert, sondern ausschließlich auf Klassiker setzt. Verdammt intensiv kommt an diesem Abend „Venegance Is Mine“ aus den Boxen, aber auch der Uralt-Track „Pure Evil“ vermag mächtig mitzureißen. Diskussion in wie fern die Setlist anders gestalten hätte werden können, gibt es im Publikum aber auf jeden Fall schon während des Konzerts. Was soll’s, wer eine derartige Fülle an Song-Perlen geschrieben hat, kann es eben nicht jedem Recht machen. Der überwiegende Teil der Zuseher ist mit der Darbietung auch hochzufrieden, weshalb die Band nach dem umjubelten „My Own Savior“ auch lautstark auf die Bretter zurückgeholt wird um dem Publikum den Gnadenstoß in Form von „Dystopia“ (einmal mehr ein - Achtung - absoluter Block-Buster), „The Hunter“ und „Watching Over Me“ zu verabreichen. Und wie lange auch immer man im Nachhinein über diverse verbesserungswürdige Details dieses Auftritt im Sinne von „hätte, wäre….“ philosophiert haben mag, an der Tatsache, dass die Herren ihren Fans einen überaus gelungenen Abend besorgt haben und das Festival mit Anstand beendet haben, gibt es nichts zu diskutieren.
Der Großteil der Zuseher verlässt danach zwar relativ rasch das Open Air-Gelände, in der Halle dagegen herrscht nach wie vor Betrieb. Die während der Iced Earth-Vorstellung zur Death Metal-Vollbedienung ladenden Unleashed lassen einmal mehr nichts anbrennen und kredenzen ein üppiges Set. In der für die Formation bekannten Agilität lässt das Quartett bei brüllend lautem, aber durchaus ausgewogenem Sound ein Hammer-Set vom Stapel. Dieses macht einmal mehr klar, weshalb die „alten Schweden“ immer noch zur absoluten Speerspitze des Genres zu zählen sind. Fronthüne Johnny Hedlund erweist sich einmal mehr als ebenso redselig wie sympathisch und leitet auf seine charmante Art durch das Programm. Neben seinen obligatorischen, die Inhalte der Tracks kurz erläuternden Ansagen gibt es heute sogar einige Gedanken zum aktuellen Weltgeschehen zu vernehmen, aber auch eine Huldigung an Lemmy, dem der Nackenbrecher „To Asgard We Fly“ gewidmet wird. Was könnte diesen Auftritt idealer beenden, als ein von allen Anwesenden lautstark mitgegröhltes „Death Metal Victory“? Eben, nichts.
An sich wären danach zwar noch Crematory auf dem Programm, die allerdings scheinen nach den vier zurückliegenden, ereignis- und höhepunktreichen Tagen nur noch ihre eingeschworene Klientel in die Halle gelockt haben. Auch meine Wenigkeit zieht nun endgültig von dannen und wird auch von diesem Festival Erinnerungen an zahlreiche verdammt gelungene Auftritte auf ewig in sich tragen.
Die abermals unvergleichliche Atmosphäre und die bereits jetzt feststehenden Verpflichtungen für 2017 werden mich wohl auch im nächsten Jahr wieder auf die schwäbische Alb gondeln lassen, denn dem Festival-Motto „Bang Your Head!!!“ bei Vicious Rumors und Vince Neil (den man schon mit MÖTLEY CRÜE mehrfach verpflichten wollte, jedoch an den Gehaltsvorstellungen scheiterte), der ein „Best Of“-Programm seines Schaffens präsentieren wird, nachkommen zu dürfen, kann man sich einfach nicht entgehen lassen!