Alben des Jahres 2023

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Was sagte Gott, als er das Ruhrgebiet erschuf? Essen ist fertig! Jaja, ein oller Kalauer, dennoch eine gute Einleitung, um auf die Herkunft der thrashenden Groove Monster The very end hinzuweisen, die mit einer kleinen Verzögerung am 15.05.2021 endlich ihr langerwartetes viertes Album namens „Zeitgeist“ in die Rinne schoben und mich dabei ziemlich erfolgreich wegflexten. Dennoch wird sich im Verlaufe meines Gespräches, welches ich in zwei Teile aufgeteilt habe, mit Frontmann und Hansdampf in allen Gassen Björn auch die Frage stellen, weshalb zwischen „Turn off the world“ und dem neuen Rundling satte neun Sommer lagen. Aber auch sonst erwies sich mein gegenüber als äußerst gesprächiger und mehr als angenehmer Zeitgenosse, dem aufgrund dieses bärenstarken Albums und unserer Auszeichnung als „CD der Woche“ doch die Sonne aus dem Arsch scheinen müsste, oder Herr Gooßes?

Wir sind auf jeden Fall erstmal super happy, dass das Album nun endlich draußen ist, denn es war wirklich eine schwere Geburt und auch wettertechnisch klappt das ja nun auch mit der Sonne aus dem Arsch scheinen (lacht). Auch die Reaktionen sind gut bis sehr gut, auch wenn nun vieles anders ist, als es früher war. Neue Bandmitglieder, neues Label, aber auch gerade die Tatsache, dass die Scheibe so lange gedauert hat, hat einen gesunden Abstand hergestellt, den man vorher so nie hatte.

Bei allen vorherigen Alben hatte man den Release, hat eine Show dazu gespielt, Festivals, ist im günstigsten Falle auf Tour gegangen und war auf klassische Art in einem üblichen Trott drin. Aufgrund der momentan vorherrschenden Situation ist das alles etwas surreal, womit wir, wie alle anderen Bands natürlich auch, erstmal klarkommen, doch wir machen das Beste draus. Wir sahen deswegen auch keinerlei Veranlassung dazu, die Scheibe noch länger zurückzuhalten, da “Turn of the world” nun auch schon achteinhalb Jahre alt ist.

Wir sind keine Band, die finanziell drauf angewiesen ist, Konzerte spielen zu müssen, da wir alle nebenbei noch reguläre Jobs haben und die Band nicht hauptberuflich betreiben. Aber natürlich haben in der Bandkasse auch finanzielle Einbußen, doch es war uns einfach extrem wichtig, die Scheibe jetzt rauszubringen, Corona hin, Konzerte her.

Du erzähltest mir im Vorfeld, dass „Zeitgeist“ schon seit etwas längerer Zeit fertiggestellt war…

Wir haben uns ja vor ein paar Jahren einvernehmlich von unserem alten Label Steamhammer/SPV getrennt und wollten daraufhin mit einem fertigen Album auf unsere möglichen neuen Kooperationspartner zugehen, nicht mit irgendwelchen Demos oder Vorabaufnahmen. Das dauert dann natürlich bei diesem Weg so seine Zeit zwischen Fertigstellung und Veröffentlichung. Im Oktober 2019 haben wir zuletzt im Proberaum gestanden, da im November schon die ersten Schlagzeugtakes von Jerome aufgenommen wurden und das hat sich dann halt bis durch den Winter hinweg durchgezogen.

Wir haben im Gegensatz zu vielen anderen Bands nicht klassisch aufgenommen, sondern zuerst das Schlagzeug, welches wir mit Makka von Bonded auf Band gebannt haben, Gitarre und Bass wurden dann im Homestudio von Rene eingespielt und Anfang 2020 war ich dann dran. Ich war da allerdings direkt im Studio von Cornelius Rambadt, der die Scheibe dann auch schlussendlich gemixt hat. Wir sind in der komfortablen Situation, an die ganze Geschichte extrem entspannt ranzugehen, denn wir wohnen beide in Essen, nahmen zwei Songs auf, machten einen Tag Pause, um die Stimme zu schonen und so zogen sich die Gesangsaufnahmen bis Anfang, Mitte Februar 2020.

Danach haben wir ganz entspannt mit dem Mix und dem Mastering begonnen, inklusive der einen oder anderen Ehrenrunde, die man gedreht hat, weil man ein paar Details verändern wollte. Das finale Mastering stand dann Anfang April 2020 und da befanden wir uns dann plötzlich direkt in der ersten Corona Welle. Das war besonders bitter, denn in der letzten Märzwoche wollte ich mit meiner Frau nach Dublin, doch es wurde alles annulliert. Von daher kann ich mich an die Zeit genau erinnern.

Also hatten wir gar keine andere Wahl, als mit der fertigen Platte die Zeit zu nutzen und auf Labelsuche zu gehen. Das hat sich dann natürlich aufgrund der neuen Situation und der einhergehenden Unsicherheit seitens der Labels was Signings betrifft auch etwas verzögert. Im Laufe des Jahres hat sich das dann alles ein wenig relativiert und wir hatten Gespräche mit einigen interessierten Labels, wobei Apostasy tatsächlich eines der letzten Labels war, welches sich bei uns gemeldet hatte. Der Funke sprang dann auch relativ schnell über, hatten mit der One Man Army Tomasz einige Video Meetings und haben den Deal dann eingetütet.

Dann waren wir etwas blauäugig und dachten, dass wir es schaffen würden, das Album noch Ende 2020 rauszubringen, dem dann aber leider nicht so war. Gerade die kleineren Labels hatten ihren Veröffentlichungsplan schon einige Monate im Voraus zusammengestrickt und somit sprachen wir dann über Frühjahr 2021, was uns ein wenig frustrierte, denn wir wollten die Scheiße dann endlich rausbringen (lacht). Doch gerade bei kleineren Bands, zu denen wir ja gehören, braucht das alles eine vernünftige Vorlaufzeit für die Promo etc. Dann stand der 30.04.2021 fest, wir bereiteten uns drauf vor, alles lief so weit gut, doch irgendwann mussten wir nochmal einen Delay von 2 Wochen einschieben, da im Presswerk für das Vinyl ein Coronafall aufgetreten war. Die 14 Tage machten den Kohl dann auch nicht mehr fett. Das war die nicht ganz kurze Geschichte zur Entstehung des Albums, hahaha.

Ich mehr als überrascht, denn solch eine starke, abwechslungsreiche und vor allem knüppelhart produzierte Scheibe hatte so nicht erwartet. An manchen Stellen klingt auch eine ganze Menge Wut mit. Wie seid Ihr an die neuen Songs rangegangen?

Gegenfrage: Warum war es für Dich überraschend? Weil Bands über die Jahre hinweg softer werden?

Nein, aber bei einer solchen Zeitspanne zwischen den Alben treten meist unweigerlich Veränderungen auf, die manchmal auch zum Verlust des Härtegrads führen. Bei Euch ist es allerdings so, dass es das mit Abstand beste Album Eurer Karriere ist…

Stimmt, ist es (Gelächter). Ich muss aber zugeben, dass unser Debüt „Vs.Life“ von 2008 näher dran am neuen Album ist als die beiden darauffolgenden, da Corny damals schon involviert und für den Klang verantwortlich war. Aber um auf Deine Ausgangsfrage zurückzukommen. Ich weiß gar nicht, ob sich da was aufgestaut hat, so dass wir grantiger geworden sind. Ich denke aber weiter, dass Deine Wahrnehmung auch eine Menge mit dem Klang des Albums zu tun hat, denn die Direktheit und Räudigkeit ist schon ziemlich verschieden zu den letzten beiden Alben.

Andererseits kann es aber durchaus sein, dass das alles auch mit unserem neuen Drummer zu tun hat, der ja quasi das Rückgrat einer Band ist und Jerome, der ja seit 2017 in der Band ist und mit 15 Jahren Altersunterschied eine ganze Menge frischen Wind eingebracht hat, zeigt halt gerne, was er kann. Es geht nicht um Schnelligkeit oder Aggressivität, sondern um das Gesamtpaket und da hat er eine großartige Leistung abgeliefert.

Ich verstehe aber, was Du meinst und denke, dass es auch ein wenig mit den Vocals zusammenhängt, da ich diesmal eine Menge experimentiert und tiefer gesungen habe als üblich. Ich bin ja grundsätzlich eher der Schreier als der Grunzer und das ist natürlich auch ein Faktor, der bei Dir vielleicht den Eindruck erweckt, dass die Scheibe ein wenig wütender ist.

Inhaltlich glaube ich eher weniger, dass sich Wut angestaut hat, obwohl wir uns manchmal schon ein wenig Druck gemacht haben, dass das letzte Album bereits 2012 erschienen war. Dennoch haben wir ja nicht auf der faulen Haut gelegen, hatten mehrere Line Up Wechsel, einen krankheitsbedingten Ausfall unseres Hauptsongwriters, Labelwechsel, da wirst du einfach zurückgeworfen und die Zeit verstreicht. Wir proben halt auch nicht zweimal die Woche und von daher dauert das halt seine Zeit.

In manchen Belangen hat sich das sogar positiv ausgewirkt, denn „Turn of the world“ war das Album, welches wir von allen im kürzesten Zeitfenster geschrieben haben und der Umstand, dass Dir das Album nicht so gefällt, lag vielleicht daran, dass es zu diesem Zeitpunkt auch personell nicht die stärkste Zeit der Band war. Und das hat sich nun durch unsere beiden Neuen komplett geändert, auch wenn wir auf material zurückgegriffen haben, welches schon weit vor deren Einstieg entstanden ist. Diese lange Zeitspanne zwischen Album 3 und 4 hat auch bewirkt, dass man ein wenig seine bisherige Karriere reflektieren konnte und einfach auch mehr auf die Songs geschaut hat.

Wir haben tatsächlich einige Songs in die Schublade gepackt, einen Monat nicht angefasst und dann eine Neustrukturierung angestoßen. Das haben wir uns früher gar nicht getraut. Man ist schon in einem gewissen Maße betriebsblind und wo wir früher an einen Song ziemlich schnell einen Haken gesetzt haben, haben wir bei „Zeitgeist“ tatsächlich drauf geachtet, dass alle Mitglieder den jeweiligen Song auch wirklich geil finden. Durch dieses längere Reifen haben die Songs vielleicht auch ein wenig an Durchschlagskraft hinzugewonnen, was zu Deinem Eindruck beiträgt, dass die Scheibe, nennen wir es „wütender“ geworden ist. Meine Texte sind auch diesmal etwas nihilistischer, angepisster, aber nicht unbedingt wütender geworden.


In der heutigen Zeit ist es ja schon fast Gang und Gebe, dass das Besetzungskarussell permanent in Bewegung ist. Wenn man allerdings bei Euch schaut, so sieht man, dass seit Bandgründung 2004 mit Dir, Bassist Marc Beste und Gitarrist Renè Bogdanski der harte Kern immer noch an Bord ist und Ihr lediglich 2017 mit dem „Küken“ Jerome Reil einen neuen Drummer auf den Schemel gesetzt und Euch nunmehr mit Marc Bräutigam einen neuen Sechssaiter gegönnt habt.

Ist diese Kontinuität ein entscheidender Faktor bei der Entstehung neuer Musik? Gerade in Eurem Fall klingt das alles, trotz eingestreuter Komplexität, nachvollziehbar und niemals zu kopflastig. Und wie kam es zum Wechsel an der Klampfe?

Naja, das klingt jetzt ein wenig cheesy, doch mit dem Einstieg von Marc fühlte es sich an, als ob etwas zusammenwächst, was zusammengehört. Auch wenn Essen immer als Herkunft von The very end bezeichnet wird, so haben wir unsere Keimzelle in Marl, wo Marc Beste und Rene herkommen und wir auch unseren ersten Proberaum hatten und unser neuer Marc stammt eben auch aus Marl, war vorher schon in vielen anderen Bands aktiv und war immer ziemlich breit aufgestellt. Prog Metal, ein obskures 2-Mann BM Projekt und spielt auch bei Exumer. Unsere Wege haben sich über die Jahre immer wieder gekreuzt, aber es gab nie eine wirkliche Zusammenarbeit.

Mit unserem alten Gitarrist Alex harmonierte es irgendwann nicht mehr auf der persönlichen Ebene, das passiert halt manchmal. Musikalisch hatte es immer gepasst und es sind auch einige Riffs vom Alex Bartkowski auf dem Album gelandet und es war geil, was wir über die Jahre zusammen gemacht haben, von daher gab es keinen Grund, dass Material in die Tonne zu treten. Als wir dann einen Nachfolger suchten wussten wir eigentlich sofort, dass es Marc Bräutigam werden würde, andere Kandidaten gab es eigentlich nicht. Er hatte dann auch Zeit und Bock und es passte sofort, persönlich wie musikalisch. Er hat sich auch gut einbringen können, doch das wird beim nächsten Album noch mehr.


The very end waren immer ein kreatives Kollektiv, welches mit Marc, Rene und mir das Gerüst hat, doch das war nie wirklich Absicht und hat sich über die Jahre hinweg entwickelt. Wir sind eine Band und diese drei blieben halt immer übrig (lacht). Rene ist unser Chorleiter, bei dem alle Fäden letztendlich zusammenlaufen. Jeder durfte immer seinen Senf zur Musik dazugeben, das war immer so und wird immer so bleiben. Musikalisch sind wir extrem breit aufgestellt und unsere Regel war immer, keine Regeln aufzustellen.

Im Falle von Jerome muss im Übrigen die Frage gestattet sein, ob Papa Ventor, der ja bei Kreator zu Weltruhm gelangt ist, schon ein Lob aus berufenem Munde dagelassen hat. Ich finde ja, dass der Filius seinem alten Herrn hier in Nichts nachsteht…

Selbstverständlich hat er das! Ventor war und ist meist der Erste außerhalb des Bandkreises, der neues Material zu hören bekommt. Das passiert auch zwangsläufig, da Jerome und Papa Tür an Tür leben und er somit zwangsläufig alles mitbekommt (lacht). Jülle ist ein Guter und ist sogar Teil der Band und das nicht nur, weil er durch seinen Sohn die Ruhrpott Metal DNA in The very end platziert hat, sondern weil er auch, wenn er nicht in seinem Tattoo Studio oder mit Kreator beschäftigt ist, zu unseren Shows mitfährt und als Drumtech arbeitet. Glaub mir, dass kam schon zu bizarren und lustigen Situationen, wenn eine kleine Band wie wir in Pusemuckel aufschlägt und plötzlich kommt der Trommler einer der größten Thrash Bands ever um die Ecke. Das kann schon sehr spaßig sein.

Er ist hellauf begeistert und ich glaube, dass sich die beiden gegenseitig anstacheln. Manchmal landet sogar ein Kreator Beckencase mit der Aufschrift “Südamerika” bei uns im Proberaum, das ist schon geil (lacht).

Produziert hat „Zeitgeist“ Cornelius Rambadt, der sich mit seinem Arbeiten mit Sodom, Disbelief und vor allem Bonded bei mir in die vorderste Riege deutscher Produzenten geschlichen hat. Dazu das satte Mastering von Dennis Koehne, der sich seine Sporen u.a. mit Exumer oder Orden Ogan verdient hat. Man muss bei dem Endergebnis anerkennend Applaus spenden. Wurden Eure Erwartungen erfüllt oder vielleicht sogar übertroffen?

Erfüllt auf jeden Fall, übertroffen vielleicht auch. Ich muss für mich allerdings sagen, dass ich damit Probleme habe, mir einen konkreten Sound vorzustellen, ohne ihn vorher gehört zu haben. Man kann natürlich den Sound von band XY geil finden und sich diesen für seine eigene Band vorstellen, aber solange dieser Sound halt nicht existiert, fällt es mir schwer.

Natürlich machen wir Vorproduktionen, bzw. Demoaufnahmen, die aber zum großen Teil im Proberaum entstehen oder im Homestudio mit programmierten Drums und da versuchen wir schon, einen Sound zu kreieren, der nicht sofort Kopfschmerzen verursacht, wenn man später weiter am Material arbeitet. Dennoch ist das für uns lediglich eine Vorgeschichte und lassen dann den Produzenten freie Hand, weil die einfach besser wissen, was sie tun als wir. Aber manchmal gewöhnt man sich auch an die Vorproduktions-Sounds, was aber gefährlich ist, denn wenn man sich zu festbeißt sollte man sich sagen, dass der endgültige Sound ganz anders klingen wird.

So war es auch bei “Zeitgeist” und gerade der Schlagzeug Sound ist exakt so, wie wir ihn vorher auch entworfen hatten. Da wurde nichts gedreht und was Du auf Platte hörst, ist ziemlich genau das, was Jerome auch eingespielt hat. Wir sind mit dem Sound total happy, da er deutlich aggressiver ist, dabei aber weiterhin transparent und klar rüberkommt, was bei den letzten beiden Platten nicht so der Fall war. Es ist ja so, dass ein Album in einem gewissen Grundsound durchgebügelt wird und dann in den einzelnen Songs nur noch Nuancen verändert werden. Der Konsument in unserer speziellen Musikrichtung würde damit doch vollkommen überfordert sein, wenn jeder Song einen anderen Sound hätte.

Wir sind total happy mit unserem Sound, da wir immer eine Band waren, die sich kein Team von absoluten Mega Experten zusammengestellt, sondern mit einer kleinen, selbst zusammengestellten individuellen Gruppe gearbeitet haben. Wir haben früher mit dem Waldemar Sorychta gearbeitet, haben bei ihm eine Menge gelernt, wollten aber doch wieder etwas mehr zurück zu den Wurzeln und den guten Erfahrungen, die wir beim Debüt mit Corny gemacht haben. Es ist ein Klischeespruch, doch wenn man diesen nicht nutzen kann, hast du irgendwas falsch gemacht: Das aktuelle Album ist immer das beste...auch wenn man vielleicht nach einem Jahr feststellt, was man hier und da hätte anders machen können, doch das ist bei “Zeitgeist” absolut nicht der Fall. Ich kann mir die Scheibe heute noch mit gutem Gewissen und viel Spaß anhören (grinst).


Die Definition von Zeitgeist wird wie folgt beschrieben: „für eine bestimmte geschichtliche Zeit charakteristische allgemeine Gesinnung, geistige Haltung“. Besser kann man die derzeitige Situation auf der Welt und vielleicht speziell in Deutschland nicht auf den Punkt bringen. Nun müsst Ihr Propheten sein, denn der Titel stand ja, bevor uns Corona im Griff hatte...

“Zeitgeist” als Begriff passt eigentlich immer, da es diesen in jeder Epoche der Geschichte gibt. Der deutsche Text zum Titeltrack lässt sich perfekt auf die momentane Situation anwenden, gar keine Frage, doch ich schreibe meine Texte prinzipiell sehr metaphorisch. Jede Person, die meine Texte liest, kann sich seine eigene Interpretation zurechtlegen, nicht nur beim Titeltrack, sondern bei allen Texten generell.

Ich finde das im Grunde genommen gar nicht so positiv, dass man den Text auf die heutige Zeit anwenden kann, denn ich will nicht, dass die Fans denken, wir hätten ein Corona Album geschrieben. Das Thema ist mir künstlerisch nicht wichtig genug und ich mag es nicht wenn gedacht wird, dass wir uns nun irgendwie politisch äußern müssten. Metal und Politik ist oft ein falsch verstandenes Thema und die Leute, die schreien, Metal und Politik gehören nicht zusammen, haben aber Patches von Megadeth oder Sacred Reich auf ihrer Kutte. Das finde ich banane.


Überhaupt muss ich mal die Frage stellen, wie Ihr selber Eure Musik kategorisiert. Ich sage, es ist moderner Thrash mit einer satten Death Kante.

Unser weiser Basser, vier Saiten, fünf Promille, sagte mal: Best of Metal (lacht). Das ist natürlich auch Quatsch, denn das klingt so nichtssagend. Ich denke schon, dass wir im weitesten Sinne eine Thrash Metal Band sind, wobei es ja Nuclear Assault Thrash oder Megadeth Thrash gibt, sprich viele Abstufungen. Mir reicht es, wenn die Leute sagen, dass wir Metal spielen, da brauche ich nicht extra ein Subgenre aufmachen. Klar kann ich nachvollziehen, dass es einfacher ist, wenn eine Band klar zuzuordnen ist, aber das ist nicht mein Problem (grinst). Mir ist es scheißegal, wie wir bezeichnet werden. In den Reviews werden wir auch mal als Death Metal geführt und ein ganz Schlauer meinte, uns als Alternative Metal zu bezeichnen, nur weil ich ab und an mal melodisch singe. Das ist Quatsch!

Wenn man alle unsere Songs in einen Topf schmeißen, umrühren würde, um danach eine Essenz draus zu ziehen, dann käme was zwischen Thrash, Death und ein wenig Alternative bei raus. Es ist schwer, unsere Mucke zu kategorisieren. Dein Favorit ist ja wohl “Light the lows”, der nach dem Intro als lupenreiner Thrash Song beginnt, doch mit dem epischen Mittelteil und den langsameren Parts...ist das dann noch Thrash? Metal als Begriff steckt genug ab, doch wenn du so unterwegs bist, dass du bloß nichts vermischen willst, dann gehst du mir als Fan auf den Sack (grinst).

Ich mag solche Leute nicht, die beispielsweise verbale Schelte austeilen, wenn ihre Lieblingsband sich mal an ein Experiment herangewagt hat. Nicht nachvollziehbar! Klar kenne ich auch tolle Bands, die mal eine Kehrtwende eingelegt haben, was ich selbst scheiße fand, aber muss man denn alles mitmachen und gut finden?  Wenn ich Mucke wie auf den ersten vier Megadeth Alben hören will, höre ich halt nur die ersten vier Alben. Ich bin aber auch Fan eines Albums wie “Countdown to extinction”, wo du lediglich einen 4/4 Beat auf dem Schlagzeug hast und die Energie erst von der Gitarre kommt. “Youthanasia” wurde ja noch softer und dennoch hatte es auch ganz klare Thrash Anteile. Das sind so Themen, worüber sich ein eingefleischter Metalhead den ganzen Tag unterhalten und streiten kann.

Unterm Strich ist es uns am Ende des Tages vollkommen egal, als was wir kategorisiert werden, doch wir wünschen uns, dass man sich mit dem Album beschäftigt und nicht nach 10 Sekunden weiterskippt. Dann hast du tatsächlich ein Problem, The very end zu erfassen oder zu begreifen. Aber ok, es gibt sicherlich Alben, bei denen die jeweils ersten 20 Sekunden vollkommen ausreichen (lacht).

Beim Titeltrack kann man deutsche Texte erahnen, da diese leider etwas schwer verständlich rüberkommen. War das ein Versuch oder kann man in Zukunft mehr Lyrics in unserer Landessprache erwarten?

Ich glaube nicht, dass es da zu einer Regelmäßigkeit kommt, auf jedem Album einen deutschen Text haben zu müssen. Ich werde mich nicht dagegen sträuben, aber es muss auch passen. Es war eine Mischung aus Experiment und Trotzreaktion, denn auf dem letzten Album hatten wir beim Opener dreieinhalb deutsche Zeilen, die wir mit einem Augenzwinkern reingepackt haben. “Eins, Zwei, drei, vier, The very end is here (lacht). Das war schon bewusst dadaistisch, so a’la Trio oder Ton Steine Scherben, also so richtig schön simpel, doch es haben sich einige in ihren Reviews daran gestoßen. Das fanden wir so albern, so dass Rene dann meinte, dass auf dem nächsten Album ein kompletter deutscher Song drauf sein müsste. Ich hatte da allerdings gar keinen Bock drauf.

Ganz früher, noch bevor ich überhaupt in einer Band sang, habe ich so ein paar völlig verkopfte, in meinen Augen hochphilosophische Black Metal Texte geschrieben, die ich ganz alleine als philosophisch ansah (lacht). Dabei blieb es dann auch. Ich hatte da einfach nicht den Zugang zu, obwohl es durchaus einige deutschsprachige Bands gibt, die mir gefallen. Deutsche Texte nimmt man direkter wahr, es landet direkt in deinem Hirn, wo hingegen man englische Texte, wenn es nicht deine Muttersprache ist, wie durch einen Filter wahrnimmst. Du kannst über den größten Bullshit singen, doch in der Regel stört das dich nicht weiter. Englisch ist auch die Rock’n’Roll Sprache.

Nach meinem anfänglichen Sträuben gegen diese Idee hat es mich dann doch gepackt und nicht ganz losgelassen und im Sommer/Herbst 2019 kam mir schon der Gedanke, das Album “Zeitgeist” nennen zu wollen, weil ich die Idee spannend fand, dass es zwar ein deutscher Titel ist, dieser aber auch international verständlich ist. Es gibt ja einige Worte, die man nicht direkt ins Englische übersetzen kann, wie “Weltschmerz” oder “Lustmord” und im Zuge dessen konkretisierte sich die Idee, den Text dazu eben in Deutsch zu verfassen. Der Song ist halt auch sehr straight und in die Fresse, denn ich wollte keinen melodischen oder rockigen Titel für den Text haben. Ich wollte einfach nur abschreien (lacht).


Mit The Virus Project hast Du zusammen u.a. mit Greydon Fields Gitarrist Gregor und einigen anderen eine tolle EP aufgenommen, deren Erlöse den lokalen Clubs in Eurer Gegend zugutekommen sollten. Wie läuft’s? Alles weg? Sind die Millionen bereits angewiesen? Schade nur, dass keine der großen Bands etwas ähnliches gemacht haben...

Was die größeren Bands angeht in Bezug auf Charity Releases habe ich auch nicht mitbekommen, aber ich würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass die sich mit der Veranstaltungsbranche gar nicht solidarisch gezeigt haben. Ich meine von einigen Bands gelesen zu haben, die Crowdfunding Aktionen für ihre Crews ins Leben gerufen haben, weil gerade bei besagten größeren Bands sind es meist nicht die Musiker, die darunter leiden, sondern deren Peripherie, die Roadies, die Fahrer. Vielleicht wurden solche Aktionen auch gar nicht unter dem PR-Aspekt gestartet, damit der Verdacht der Selbstdarstellung gar nicht erst aufkommt.

Initiiert wurde The Virus Project, wie Du schon richtig sagtest, von Gregor, der in der Essener Metal Szene super vernetzt, ein superkreativer Kopf ist und mit Roll the bones Records auch ein kleines, feines Label unterhält. Diese ganze Aktion bezog bzw. bezieht sich auch nur auf 4 lokale Clubs, das Turock, Don’t Panic, Freakshow Bar und Cafe Nord und er sagte von vornherein, dass er trotz weiterer Clubs bei uns nur diese machen möchte, da er zu diesen eine persönliche Beziehung hat.

Er suchte sich dann ein paar Leute und herausgekommen ist eine recht witzige Truppe. Frank Stellmacher am Bass von Ghoster, dann Markus Siegemund am Schlagzeug, der früher bei Tombstone spielte und nun bei den großartigen Wolfskull hinterm Kit sitzt, die demnächst ihr Debüt veröffentlichen, am zweiten Mikro ist Olaf Reimann von Ra’s dawn und ich halt noch. Wir haben uns mal zu einem Videochat getroffen und da lernte ich Frank erstmals kennen. Die anderen kannte man schon, da man in der Vergangenheit schon oft gemeinsam was unternommen hatte. Eine coole Konstellation für das Projekt.

Die vier von Gregor geschriebenen Songs haben wir dann in EP Form gegossen und einen Sockelbetrag festgelegt, den wir erreichen mussten, damit Gregor seine Kosten gedeckelt bekommt. Bei
Bandcamp haben wir dann eingestellt, dass jeder, der die Songs haben möchte, diesen festgelegten Betrag bezahlt und alles was drüber ist, wurde dann gesammelt und gespendet. (Anm.d.Verf. - Spendenstand am 26.05.2021 1.925€). Die Resonanz war echt großartig und ja, für große Läden wie das Turock ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Du kannst dir ausrechnen, wieviel du für ein mehrstöckiges Gebäude in bester Essener Innenstadtlage normal bezahlen musst.

Von der tatsächlichen Geldspende abgesehen ging es hier einfach um ein Zeichen, dass man ein Projekt aus dem Boden stampfen kann, was uns genauso viel Spaß gemacht hat wie auch den Leuten, die das dann gekauft haben. Es sind vier coole Heavy Metal Songs, die letztendlich auch dazu beigetragen haben, sich in schwierigen Zeiten solidarisch zu zeigen. Auch wenn es langsam besser wird und als wir mit dem Projekt begannen, konnten wir nicht ahnen, dass wir im Mai immer noch in der Scheiße sitzen würden. Von daher kann es gut sein, dass da die letzte Note noch nicht gespielt ist, denn Gregor ist dafür viel zu kreativ. Wir haben uns gesagt, dass nach der Beendigung des Corona Ausnahmezustands das Projekt keine Daseinsberechtigung mehr hat, aber solange das noch der Fall ist, kann durchaus noch was kommen. Warten wir mal ab.


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