DEPRESSIVE AGE - First depression
VÖ : 30.03.1992
Label : GUN Records
Stil : Melancholic Thrash
Running Time : 44:58
Studio : Music Lab - Nov/Dez '91
Producer : Harris Johns
Warum schreibt man ein Review in der Rubrik "Classics"? Sicherlich weil man die Mugge geil findet, Songs davon jeder kennt und "Kult" sind, jeder darüber spricht, das Album schon zig Jahre aufm Buckel hat?! Meine Intension ist ganz schlicht und einfach Respekt.
Da ich Teile der Band ja schon zu Ostzeiten kannte, damals auch meine ersten Gehversuche als Musikant machte, selbst 1988 ausgereist bin, vermag ich viele ihrer Probleme, Erfahrungen und Leiden nach vollziehen zu können.
Als ich irgendwann das erste Tape von Depressive Age in die Hände bekam war ich sofort infiziert und es erfüllte mich mit Stolz und Bewunderung. Ich fühle bis heute dieses ganz Besondere dieser Band.
1991/92 wurde auch die deutsche Musiklandschaft von der amerikanischen Grunge - und späteren BioPanTuraHead - Welle überspült. Nur die ehemalige Mauerstadt schien davon unbeeindruckt. Seit Jahren kochte Berlin mit alteingesessenen Bands wie Forsaken, Calderone, Chor Chorea, White Mania oder Neulingen wie Orth, Postmortem oder Harmony Dies ihr eigenes Süppchen. Eine Band sticht aber zu dieser Zeit besonders hervor. DEPRESSIVE AGE. Hervorgegangen aus der ehemaligen Ost-Kultband BLACKOUT, konnten nun endlich die Früchte der jahrelangen Entbehrungen und Anstrengungen geerntet werden.
Nach bereits zwei Demos schnappte sich Boggi Kopec die Jungs, um sie für sein neugegründetes Label unter Vertrag zu nehmen. Es ging dann auch flux im heimatlichen Berlin ins Studio um unter Regie von Produzentenlegende Harris Johns das Debüt "First Depression" ins Pult zu rotzen. Im Frühjahr 92 erschien dann endlich dieses Meisterwerk. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Die Presse jubelte zu recht und die Fans der Band potenzierten sich. Kein Wunder. Was sie zu hören bekamen war und ist Metal der besonderen, innovativen Art - neu, anders, eigen. Dafür zeichnen die beiden Kreativköpfe Jochen Klemp als Gitarrist und Sänger Jan Lubitzki zum größten Teil verantwortlich.
Die Musik war / ist pure Energie, die eine völlig eigene Welt offenbart. Viele traurig schöne Melodien einigen sich mit harten Riffs und verschmelzen zu einen wahren Kosmos aus herzergreifenden und intensiven Gefühlen. Über allem thront die zerbrechliche Gesangsstimme, die uns auch lyrisch Zerrissenheit, Theatealik und vor allem innere Befreiungskämpfe offeriert. Durch diese perfekte Symbiose erschufen Depressive Age nicht nur ihren eigen Stil, den Melancholic Thrash, sondern waren und sind dadurch einzigartig, noch immer relevant, zeitlos und vor allem authentisch.
Anschließend ging die Luzie erst richtig ab. Die Band schenkte sich und uns allen noch drei weitere, großartige Alben und tinkelte großflächig durch die Gegend. 1999 war dann aber leider Feierabend, da die Band zerbrach. Diverse Wiederbelebungsversuche in einer anderen Besetzung und ein Demo von 2005 konnten aber das wirkliche Flair der Band leider nicht reproduzieren. Der Beliebtheit der Band tut dies bis dato aber keinen Abbruch. Noch immer in aller Munde wird man geschätzt und verehrt. Vor allem das unglaublich mitreißende Debüt ist scheinbar seitdem unsterblich.
In diesem Sinne - Happy Birthday "First Depression"
Abschließend noch ein paar kleine Anekdoten, viele Erinnerungen aus jenen Tagen sowie aktuelle Gedanken einiger Schöpfer zu dieser Platte. Und wer weiß, vielleicht beinhalten jene Ausführungen sogar irgendwo am Rande noch eine kleine Sensation.
Jan Lubitzki
wow – ich hab jetzt irgendwie gar nich gewußt, das das alles schon dreißig Jahre her is.
Tscha, vor dreißig Jahren – da waren wir alle so mitte 20 und haben uns alle gerade so in Westberlin eingelebt. Ich war schon seit Sommer 1987 aus der DDR – Haft übergesiedelt. Tim kam ein Jahr nach mir und wohnte auch bei mir. Jochen kam dann endlich zwei Jahre später per Ausreise. Wir spielten ja schon früher zusammen bei Blackout und gründeten nun Depressive Age. Hinzu kam dann Ingo, ein Gitarrenschüler von Jochen. Sehr talentiert, vor allem in den 16tel – Anschlägen, in der rechten Hand rhythmisch sehr gut. Und dann kam Norri, ein sehr talentierter Punk / Hardcore – Drummer aus Westberlin.
Irgemdwann ergaben sich aus den verschiedenen Musikeinflüssen zwei 5 – Track Demos, die dann später zu dem Debütalbum “ First Depression” wurden. Unser damaliger Produzent Andy Gerhart, der leider nicht mehr unter uns weilt, war auch ein echt super Typ, ein enthusiastischer Junge, der sich da immer voll reingelegt hat.
Als wir dann ein Label hatten, haben wir ja mit Harris John gearbeitet. Wir fanden den auch super und es war ne tolle Zeit mit ihm. Er hatte ja sein Studio in Kreuzberg an der Möckernbrücke, da sind wir dann immer nach getaner Studioarbeit in irgendwelchen Kneipen wie Sexton oder Milchbar versunken. Und nexten Tag dann wieder in Studio. Manchmal hats halt nich so geklappt, da mussten wir halt auch mal nen Tag aussetzen.
Als meine damalige Freundin mit einem, zu gut aussehenden, Rockerboss durchbrannte, war ich so am Boden zerstört, dass ich nur noch durch die Musik mit der Band existieren konnte. Mein alter Freund Peter “Brutus” Habermann schrieb damals noch gut die Hälfte der Texte von “First Depression”. Meine traurigen Erlebnisse in der Haft bewegten uns dann auch dazu den Song “ Innocent in Detention” zu schreiben. Ich merkte halt ziemlich schnell, dass man dadurch seine negativen Erfahrungen aufarbeiten kann.
Was mir immer noch gut an dieser Platte gefällt, sind die verrückten Gitarrenideen wie zum Beispiel der Anfang von “ Autumn Times”, wir sagten immer Bienenschwarm dazu.
Oder auch das Gitarrensolo von “Cicles Colour Red”, wo es um son Mörder geht, der irgentwelche Blackouts hat und durchdreht. Ich erinnere mich auch gern an den Einstieg ins Album, mit seinen 10-16tel / 11-16tel – Abschlägen. Nach dem klassischen cleanen Gitarrenintro folgte “Beyond Illusions”. Bei 160bpm ging dann die volle Doublebass – Action los. Oder auch ein Song wie “The Light”, der ja irgendwie son leichten Darkwave – Charakter hat, aber trotzdem mit schnellen Gitarrenanschlägen und Doublebass – Attaken. Interessant an diesem Album ist aus meiner Sicht halt auch die Vielfalt. Jeder Song hat auch ein anderes Tempo. Das war uns auch wichtig. Somit ist ein Album spannender, als wenn sich die Tempi immer gleichen.
Damals hätte ich mir gewünscht, ich hätte mehr sone Reibeisenstimme. Hab da leider immer so probiert, aber schwach intoniert. Wenn wir so mit Bands wie Sodom unterwegs waren, hat Tom Angelripper mit seiner Brutalovoice immer alles weggeblasen. Aber irgendwie haben uns die Leute trotzdem gut angenommen, obwohl wir im eigentlichen mehr eine melodische Band waren. Ich hab auf der Bühne immer versucht mit meinem Körperfasching irgendwie alles wett zu machen. Diese kleinen Probleme habe ich dann aber mit Gesangsunterricht verbessert und natürlich auch immer mit Bier.
Jochen Klemp
Mit "First Depression" verbinden sich für mich viele Erinnerungen und Erlebnisse, die sicherlich etliche Musiker mit dem ersten Album verbinden...
Nach zwei Demo-Tapes einen Plattenvertrag zu bekommen, das erste Mal in einem professionellen Tonstudio mit einem international erfolgreichen Produzenten zu arbeiten, die ersten Touren zum Album, die Clubtour mit SUN und MONKEYS WITH TOOLS oder die große, lange Europatour mit Sodom, die Rezessionen in verschiedenen Magazinen, die erste Fanpost usw. Für mich persönlich, aber sicherlich auch für die anderen Bandmitglieder Jan, Tim und Ingo, hatte First Depression aber auch noch eine ganz andere Bedeutung, bedingt durch unsere spezielle Situation, in der DDR mit Musik begonnen zu haben. Denn mit diesem Album wurden sämtliche Ziele, Träume und Wünsche tatsächlich Realität, die man als Amateur-Tanzkapelle Blackout so hatte, wenn man Samstagnachmittag im Madhouse in Berlin-Biesdorf saß und der Metal-Stunde mit Matthias Hopke oder Achim Gröschel lauschte. Einmal im Metal Hammer und Rock Hard zu sein, nur noch mit eigenen Songs auf der Bühne zu stehen und einfach frei, professionell und mit allen Möglichkeiten Musik zu machen.
Und drei spezielle Sachen sind mir noch immer in Erinnerung geblieben:
Das die Beziehung mit meiner ersten langjähringen Freundin zwei Monate vor den Aufnahmen auseinander ging, was für mich persönlich ziemlich schrecklich war, aber natürlich bestens zum Albumtitel und zur Stimmung in der Musik passte.
Dann das erste Konzert zum Album im Hamburger Club "Logo", als tatsächlich erste Fans auftauchten und "Innocent in Detention" mitsangen...cooles Erlebnis, mit viel Gänsehaut. Und die erste Europa-Tour mit Sodom, hier vor allem das letzte Konzert der Tour in Spanien, als wir nach unserem Auftritt Tom Angelrippers Mikrofon mit einem Baguette tauschten und Chris Witchhunter eine Tüte Mehl in seinen Ventilator schütteten...
Übrigens, viele Leute finden noch immer das "First Depression" - Album am besten, interessanterweise vor allem Leute, die eigentlich nicht unbedingt auf diese Art von Musik stehen. Aber das liegt ja vielleicht daran, dass das erste Album immer etwas Besonderes hat...
Norbert Drescher
Vielleicht zum Anfang mal wie ich eigentlich zu dieser Bande dazugekommen bin.
Die Jungs waren ja schon ein eingeschworenes Team, schon damals als Blackout in Ostberlin. Tatsächlich habe ich als erstes Jan in Berlin, im guten alten Sexton kennengelernt. Das war die Musikerkneipe in Schöneberg, wo alle Musiker, und die, die auch gerne welche sein wollten, immer rumhingen. Immer harte Mugge gehört, fleißig Bier getrunken und so weiter. Irgenwann habe ich mich mit ihm angefreundet. Wir beide haben zufällig beide damals in Neukölln gewohnt und sind dann auch öfters immer mal zusammen nach Hause gefahren, da wir ja beide die gleiche Richtung hatten.
Irgendwie haben wir uns ja immer darüber beschwert, dass wir eigentlich nie in einer gemeinsamen Band spielen können, da wir beide ja Schlagzeuger waren. Und wer brauch schon zwei Drummer in einer Band. So lief das dann ne ganze Weile, wir haben uns immer öfters getroffen und zusammen gefeiert.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ja noch meine eigene Band „ Greedy Maggots“ - son ziemlich deftiges Hardcore / Metal / Crossover – Zeugs. Und wir hatten zufällig auch in der Ringbahnstrasse in son Proberaumkomplex unseren Proberaum. Drei Türen weiter probten halt immer Depressive Age, wie gesagt noch mit Jan als Schlagzeuger. Man hörte natürlich was da nebenan die anderen so trieben. Irgendwann hat mich Jan mal angesprochen und meinte das er jetzt der Sänger in der Band wäre und sie jetzt nun einen Drummer bräuchten. Und wie das günstige Schicksal es wohl eben so wollte, hatte sich gerade meine verrückte Band in Wohlgefallen aufgelöst.
Wir waren zu dem Zeitpunkt gerade im Studio und meine damaligen Kollegen waren dermaßen schlecht vorbereitet, da hatte ich die Faxen dicke. Und zack, haben die Jungs mir 3 Songs zum üben gegeben. Dann habe ich die geübt, allerdings auch mehr schlecht als recht, da ich damals eigentlich auch nur am feiern war. Ich dachte schon – ok, das war jetzt aber mal ein Schuß in den Ofen. Aber tatsächlich haben sie mir eine Chance gegeben. Da es ja auch zu der Zeit schwierig war Schlagzeuger zu bekommen, dachten sie - naja – geben wir ihm mal ne Chance, wir werden das schon irgendwie hinbekommen. Ich war darüber dermaßen erstaunt, dass ich erst mal für die nächsten Monate das feiern weggelassen habe. Die Jungs waren so unfassbar gut. Da habe ich dann jeden verdammten Tag im Proberaum wie ein Irrer geübt um auch dieses Level der Kollegen zu erreichen.
So ging es dann halt immer weiter, es gab tatsächlich auch einen Plattenvertrag und sind dann auch im Studio gelandet um die „First Depression“ aufzunehmen. Wow, ich habe es geschafft all diese coolen Songs zu spielen. Alle Songs habe ich allerdings nicht eingespielt, weil Jan unbedingt drei Songs selbst eintrommeln wollte. Es war in der kurzen Zeit auch etwas schwierig den Style von Jan zu übernehmen, zumal ja auch die Songs alle schon soweit fertig waren. Hat jedenfalls alles super geklappt.
Ja – und danach ging alles gleich Knall auf Fall los. Sodom – Tour und und und – Wir waren von Null auf Hundert sofort am Start. Das war echt eine mega geile Zeit. Auch wenn man das damals vielleicht noch nicht wirklich zu würdigen wusste. Jeder einzelne Musiker hatte eine eigene Crewhand und das als Supportband. Wahnsinn. Ich musste nicht mein Schlagzeug selbst auf – und abbauen. Wow – welch Luxustour. War ne krasse Zeit. Wir hatten alle den unbedingten Willen es irgendwie zu schaffen. Kannte ich so gar nicht aus der Westberliner Szene, da war halt nur der Focus aufs Feiern gerichtet, dachten aber trotzdem, dass sie coole Rock n Roller sind. Aber die Jungs wollten es unbedingt wissen. Tscha – irre Zeit, noch drei weitere Platten gemacht, sogar zwei mal Platte des Monats im Rock Hard. Viele geile Touren gespielt. Wahnsinn.
Tscha – jetzt wollen die Jungs ja tatsächlich wieder was mit Depressive Age machen. Jan hat mich gefragt ob ich nich wieder Bock habe. Leider bin ich aber mit meinen Bands wie Corax Covax mehr als ausgelastet und kann das zeitlich leider nicht erfüllen. Jedenfalls wird da was passieren.
Harris Johns
Der erste Kontakt war mit Jan, der mir ein Demo gegeben hat. Ungewöhnliche Musik dachte ich mir. Ich konnte aber ohne Plattenfirma nichts mit der Band versuchen. Irgendwann waren sie dann tatsächlich bei mir im Studio.
Gute Musiker, straighte Arbeitsweise, wunderbar. Vor allem Jochen, Tim und Nori wussten genau was sie wollten. Jochen und Tim haben die Regie geführt. Hat alles Sinn gemacht und Jan hat tapfer durchgehalten und tollen Gesang abgeliefert. Schade, dass sie nicht weitergemacht haben. Aber es ist immer schwer mit ausgefallener Musik populär zu werden. Gute Musik reicht nicht. Es muss ein gutes Zusammenspiel zwischen Band und Plattenfirma, den Promotern und den Veranstaltern geben. Nur selten schaffen es Bands in weniger als 5 Jahren an die Spitze des machbaren. Was im Fall Depressive Age bleibt, sind gute Erinnerungen und tolle Alben.
TRACKLIST
01. Awaits / Intro 1:28
02. Beyond Illusions 5:30
03. The Light 5:23
04. No Risk 3:56
05. Autumn Times 7:02
06. Transition 5:09
07. Innocent In Detention 6:26
08. Never Be Blind 3:45
09. Circles Colour Red 6:09