ROCK HARD FESTIVAL 2023
26. bis 28.05.2023 - Gelsenkirchen @ Amphitheater
Eine herrlich geruhsame Nacht war das! Bis auf die Mücken, die heuer bereits im Mai beschlossen hatten, mich anzuzapfen, was für ein paar hässliche und juckende Beulen sorgte. Doch egal, denn das Programm am zweiten Tag des RHF hatte es wieder einmal in sich und ich wollte ums verrecken keine Band verpassen. Ist ja schließlich auch meine Chronistenpflicht.
Nachdem wir mit unserem Geheimwort auf dem VIP Parkplatz Einlass fanden, obwohl wir vorher dachten, man hätte uns mit ZWERGPINSCHER verarschen wollen, schlenderten wir gemütlich mit einem hochprozentigen Drink durch die Stände, wo ich mich dann dazu entschloss, ein paar Kartoffelpuffer zu mir zu nehmen. Böser Fehler, denn den Rest des Wochenendes kämpfte ich mit Montezumas Rache, der Sprühwurst oder Dünnpfiff, wie auch immer man es nennen mag. Und ehrlich, Flatterkacke auf einem Festival ist sowas von uncool, das glaubt niemand.
Ebenfalls war ich gespannt, wie sich die Stimmung entwickeln würde, wenn am heutigen Geburtstag meiner leider schon verstorbenen Mama Borussia Dortmund Meister werden und Schalke 04 in Liga Zwei absteigen würde. Die Luft jedenfalls knisterte und man konnte die Spannung mit den Händen greifen.
Bevor es allerdings an die Berichte des Tages geht, wurden wir am Eingang Zeuge eines Akustik-Gigs der Band Dark Sun, die beliebte metallerne Gassenhauer zum Besten gaben und dies für einen sehr ritterlichen Zweck taten. Aufgrund eines schweren Hausbrandes, bei dem zwei Metalheads alles verloren haben und leider ohne Versicherung dastanden, wurde hier auf diesem Weg (und überall auf dem Gelände) Geld gesammelt. Selbstverständlich flog auch von uns ein Schein in die Truhe, die am Ende des Festivals mit knapp 1.800 € recht ansehnlich gefüllt war.
TAG 2
Samstag, 27.05.2023
Midnight Rider waren als erste Band des Tages angehalten, die bereits feierwütige Meute anzuheizen, was ihnen mit ihrem bluesig angehauchten Hardrock auch prima gelang. Bemerkenswert war der Gitarrist, der scheinbar mit gebrochener Haxe auf einem Barhocker seine Riffs zum Besten gab und somit für einen Hingucker sorgte. War gut, um die alkoholbedingten dunklen Wolken des Vortages beiseitezuschieben.
Dafür gab es von den deutschen Senkrechtstartern von Knife mächtig eins vor den Frontallappen und das Publikum ging steil. Kein Wunder, trifft die Truppe mit ihrem schwarzen Thrash gepaart mit vielen oldschool Metal Anleihen den Nerv von vielen. Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung vor der Bühne und bewies, warum sich Napalm Records die Rechte an dieser famosen Truppe gesichert hat. Wir werden in Zukunft noch viel von Knife zu hören bekommen, was nach diesem starken Auftritt mehr als wünschenswert ist.
Die reformierten und an ein paar Positionen veränderten Depressive Age sollten jetzt an der Reihe sein, doch warum nur? Eigentlich waren Nestor angekündigt, doch die hingen noch an ihrem Heimatflughafen rum und wurden somit im Billing nach hinten gereicht. Kann man verschmerzen, wenn meine Berliner Urgesteine stattdessen schon ein wenig früher in die Saiten greifen, um ihre tieftraurige Lyrik zur Leier zu tragen. Ich bin normalerweise kein großer Fan von Reunion Bands, doch im Falle von DA macht das durchaus Sinn, denn ich hatte immer das Gefühl, dass nach der Auflösung irgendetwas fehlt oder noch nicht gesagt wurde.
Und somit hing ich Jan Lubitzki Lippen, dessen Schuhwerk für meine Augen etwas gewöhnungsbedürftig war, und freute mich über Hymnen wie „Lying in wait“, „Caio crabat“ oder das unverzichtbare „Eternal twins“. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich irgendwann tieftraurig auf die Tribüne setzte und an unseren Schrod denken musste, der diese Wiedervereinigung gerne miterlebt hätte und mit dem ich zusammen damals noch weit vor eben jener Reunion mit Jochen Klemp über eben Depressive Age gesprochen habe. Ich glaube, Schrod hätte an diesem Tag selig lächeln mit seiner XXL Jäger/Red Bull Mische am Bühnenrand gestanden und hätte einfach genossen.
Die Truppe wirkte eingespielt und ich hatte immer das Gefühl, da stehen gute Freunde auf der Bühne. Allen voran Markus Marth, der zum Ende hin auch noch vom Publikum durchs weite Rund getragen wurde. Auch Mr.Baxter (nicht der HP, WICHTIG) machte seine Sache außerordentlich gut, was meinen ersten DA Gig nach Jahrzehnten zu einem Ereignis werden ließ. Freue mich auf die erneute Zusammenkunft 2024 in der Karibik.
Voivod musste ich dann leider sausen lassen, da Montezumas Rache, verursacht durch die bereits erwähnten Kartoffelpuffer, mir einen Strich durch die Rechnung machte, so dass ich erst wieder bei Brian Downey’s Alive and Dangerous vor die Bühne trat und im Gegensatz der vielen Anwesenden (meine Frau eingeschlossen) nicht so abging wie alle anderen. Ja, ich bin großer Lizzy Fan und freute mich über die üblichen Hits, doch der Funke wollte bei mir einfach nicht ankommen. Klar war das Ganze verdammt gut gemacht, doch irgendwie fehlte mir da was. Ich konnte es nicht greifen und ich beschloss, einfach noch einmal eine große Runde über das Gelände zu machen, um für den Endspurt des Abends halbwegs fit zu sein.
Dennoch verbachte ich danach mehr Zeit auf den angemieteten Sanitäreinrichtungen als vor der Bühne bei Nestor, die ich eigentlich unbedingt sehen wollte und mir von vielen Leuten berichten lassen musste, wie gut die Band doch gewesen sei. Zumindest „On the run“ und das famose Whitney Houston Cover von „I wanna dance with somebody“ kann ich am Anfang und am Ende miterleben, ohne das mein Magen rebelliert. Zwischendrin allerdings…decken wir das Mäntelchen des Schweigens drüber…
Natürlich gab es im Vorfeld einige mehr als kritische Stimmen, die es nicht begreifen konnten, dass man für den leider freigewordenen Slot der Bay Area Masterminds von Exodus die Ruhrpott Ikonen von Sodom aufs Billing hievte. Leute, die Bandnamen, die man teilweise las, sind ja gut und schön, aber auf dem quasi Co Headliner Slot gehört auch eine dementsprechende Truppe und wenn man so ein Kaliber wie Angelripper seine Mannen so kurzfristig bekommen kann, schlägt man zu und fertig ist der Lack. Auch Tom hätte sich auf Exodus gefreut und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, dies auch immer wieder kundzutun. Das zeugt von Respekt und verdient Anerkennung. So Ihr Nörgler. Wenn Ihr dennoch nun aus Trotz nicht vor der Bühne gewesen seid, kann ich Euch nur sagen: Ihr habt was extrem geiles verpasst!
Der von unserem aller Lautmacher Jacky gemischte Sound schnitt Furchen in das Amphitheater und hinterließ aufgeweichten Beton, die Setlist war legendär und zum Teil auch überraschend, denn ich kann mich nicht daran erinnern, „Conflagration“ in den letzten Dekaden irgendwann mal live gesehen oder gehört zu haben. Die Band war tight wie Sau und schredderte sich durch einen Gig, der mit zum Besten gehörte, was man in diesem Jahr in Gelsenkirchen geboten bekam und die Lokalmatadore machten mehr als deutlich, dass man Exodus verdammt würdig vertrat.
Natürlich gab es mit dem Tank Cover von „Don‘t Walk away“ aufgrund des kurz zuvor bekanntgewordenen Todes von Algy Ward einen fetten Gänsehaut Moment, bei dem man die feuchten Augen des Thrash-Urgesteins am Mikro deutlich spüren konnte. Ich hingegen hatte bei grandiosen Versionen von „Agent orange“, „Nuclear Winter“, „Sodomy and Lust“ oder das in der Familie bleibende „Incest“ Erpelparka und feierte Sodom gnadenlos an, wie so viele im weiten und prall gefüllten Rund, die sich schlussendlich wohl dann doch mit Sodom arrangieren konnten. Ein verdammt geiler Gig und definitiv einer der besten des gesamten Wodhenendes.
Silence is consent | Nuclear winter | Sodom & Gomorrah | Outbreak of evil | Conflagration | Sodomy and lust | Book burning | Agent orange | Don’t walk away | Equinox | Caligula | Blasphemer | Incest | Bombenhagel
Das konnte man vom anschließenden Headliner Testament nicht behaupten, denn wenn ich mich in der zweiten Reihe mit meinem Nachbarn normal unterhalten kann, stimmt irgendetwas ganz und gar nicht. Die Hauptattraktion des zweiten Tages aus der Bay Area hatten keinen schlechte, Sound, sie hatten gar keinen! Zu leise, die Gitarren waren gar nicht zu hören und ganz ehrlich, Phil Demmel ist KEIN Alex Skolnick.
Das Publikum wurde bereits nach dem dritten Song richtig sauer und brüllten unisono „Lauter, Lauter“, was dann auch kurzfristig erhört wurde. Dennoch war das alles ein mehr als undefinierbarer Matsch, der die ansonsten grandiose Setlist komplett zerstörte. Lediglich der Bass von Steve DiGiorgio und die Drums waren zu vernehmen, von Riffing, welches gerade bei Thrash Metal existenziell ist, war nicht zu hören. Grauenhaft!
Es ist mir immer wieder ein Rätsel, warum es Testament nicht schaffen, mal einen vernünftigen Soundmensch mit auf Tour zu nehmen, welcher sein Handwerk versteht, anstatt mit solch einem Dilettantismus die Freude an solch einer überragenden Combo so zu vernichten. Das war, neben meinem Dünnschiss nach den fettigen Kartoffelpuffern, der größte Fail des gesamten Festivals.
Rise up | The new order | The preacher | Children of the next level | Practice what you preach | WWIII | D.N.R. | 3 days in darkness | The haunting | Night of the witch | More than meets the eye | Over the wall | Into the pit | Disciples of the watch | Alone in the dark
Nach diesem Nackenschlag gab es noch den Vagina Pokalis in Form eines leckeren irischen Dunkelbieres und die Rückfahrt nach Essen, wo wir dann ziemlich erschlagen unsere Häupter zur Ruhe betteten, um für den letzten Tag fit zu sein, oder wie in meinem Falle fit zu werden.