Abwechslung muss sein
Es gibt kaum eine Band im sogenannten Viking / Pagan Metal Segment, welche nicht nur die Protagonisten eben genanter metallischer Spielwiese, sondern auch Fans anderer Arten unserer geliebten Musik begeistert und mitreist wie die Münchner Equilibrium. Mit „Turis fratyr“ noch tief verwurzelt in eben genanter Schublade, schwamm sich das Quartett mit dem überragenden „Sagas“ endgültig frei, begeisterte mit Melodie und Härte, was nicht immer zwangsläufig zusammenpassen muss und tourte sich als Mitglied diverser Hallen Festival Tourneen in die Herzen vieler Metalfans.
Danach allerdings gab es mit der Trennung von Frontmann und Mittelpunkt Helge Stang und Schlagzeuger Manuel Di Camillo die erste große Zäsur im Lager der Bajuwaren, die allerdings mit dem Brandenburger Landsmann Robse Dahn am Mikrofon und dem Israeli Tuval Refaeli hervorragend neu besetzt wurden. In dieser Zeit entstand das dritte Album „Rekreatur“, welches neben dem ausgereiftesten Songmaterial Equilibriums auch den Einstand für die neuen Mitglieder bedeutete und mit einem herausragenden 20. Platz in den deutschen Verkaufscharts einschlug wie eine Bombe.
Mit diesem bärenstarken Scheibchen im Gepäck und einem gefestigten und saustarken Line Up begab man(n) (und natürlich Frau) sich auf die Neckbreakers ball Tour, die am 16. Januar vor meiner Haustür Station machte und mich zum verweilen einlud. Diese Gelegenheit durfte man natürlich nicht ungenutzt lassen und dank Basserin Sandra Völkl saßen wir nach dem Gig von Legion of the damned zusammen Backstage und unterhielten uns. Einzig ein scheinbar von Harndrang geplagter Maurizio Iacomo vonKataklysm hätte dieses Interview fast platzen lassen, als der Hühne fast mein Aufnahmegerät zertrat, welches zusammen mit mir, Sandra Völkl (Bass), Andreas Völkl (Gitarre), Rene Berthiaume (Gitarre) und Tuval (Drummer), der sich allerdings aufgrund seiner noch nicht so ausgeprägten Deutschkenntnisse im Hintergrund hielt, auf dem Boden saß.
Sandra, erkläre mir doch mal das oben abgebildete Foto von Dir.
(alle lachen) Sandra: Das sind lediglich die Auswirkungen, wenn man nachts mit dem Tourbus an einer Tankstelle hält und dazu noch ein paar Bier intus hat. Dann wird wieder die kindliche Leidenschaft für Spongebob geweckt.
Ihr trinkt Bier, kein Met?
Sandra: Ähh…manchmal (grinst)
Vielleicht macht die Frage keinen Sinn, interessieren tut’s mich trotzdem. Der Split mit Helge und Manuel wurde ja ziemlich klein gehalten. Was ist denn da überhaupt vorgefallen?
Sandra: Ganz einfach: nach einer gewissen Zeit und einigen Jahren geht man einfach vorwärts, als Musiker und als Mensch. Ich habe mit 14 bei Equilibriumangefangen und bin jetzt 24, da entwickelt man sich zwangsläufig weiter. Diese Weiterentwicklung war aber bei Helge nicht gegeben und somit wurde die Zusammenarbeit irgendwann unerträglich und wir beschlossen, diesen radikalen Schnitt zu tun. Manuel hingegen glaubte einfach und ergreifend nicht mehr an die Musik ohne Helge und ist dann einfach mitgegangen. Diesen Schritt haben wir zu keiner Zeit bereut, da wir wirklich zwei fantastische und wunderbare neue Leute dafür an Bord geholt haben.
Rene, du hast eben gelacht?
Rene: naja, die Antwort habe ich auch schon oft gehört und es ist witzig, wie sie immer wieder neu variiert, hahaha.
Sandra: Du kannst Dir mit Sicherheit vorstellen, dass da schon oft nachgefragt und auch immer nachgestochert wurde, doch uns liegt nichts daran, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen.
So ein klein wenig konnte man diese Abkapselung ja schon beim 2009er Summerbreeze beobachten, bei dem Helge und Manuel alleine im VIP Zelt sich mächtig einen brannten, von Euch aber keiner zu sehen war…
Rene: Darauf haben uns viele, mit denen wir Interviews gemacht haben, schon angesprochen gehabt. Ende 2009 war auch für Außenstehende deutlich zu sehen, dass es bei uns zwei Gruppen gab, was natürlich nicht gerade förderlich war.
Nun hat ja Helge auf den ersten beiden Alben die Texte geschrieben. Nun stehst Du, Andreas, für die lyrischen Ergüsse. War diese Aufgaben Neuverteilung schwierig?
Andreas: Nein, eigentlich nicht. Es war eher eine Herausforderung, in der relativ kurzen Zeit von „Sagas“ hin zu „Rekreatur“ etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Einen Text und einige Fragmente hatte ich bereits vor der Trennung verfasst, einfach nur um zu sehen, wie wir ihn verwenden könnten. Nach der Trennung mussten wir dann etwas Gas geben, daher war das von uns angewandte konzentriert strukturierte Arbeiten dabei sehr hilfreich. Trotz des Drucks hat es wirklich gut funktioniert und die Kreativität war von Anfang bis Ende vorhanden.
Wie Du ja bereits gesagt hast, habt Ihr ganz schön Gas gegeben. Die Zeitspanne von „Sagas“ zu „Rekreatur“ war ja im Vergleich zu „Turis fratyr“ hin zu „Sagas“ sehr kurz, dazu der Split und zwei neue Mitglieder…
Sandra: Viele hatten ja die Meinung, dass der Rausschmiss im Vorfeld zur neuen Platte längst geplant war, um somit schnellstmöglich die neue Platte zu machen, was allerdings so nicht stimmt. Aber durch unser konstruktives Arbeiten hatten wir alles bereits fertig, bis dann Robse kam und nur noch die Gesangsspuren einsingen musste. Das hat wirklich perfekt funktioniert.
Andreas: Wir hatten außerdem bei der „Sagas“ beruflich noch sehr viel um die Ohren, wo hingegen wir jetzt bei „Rekreatur“ von August 2009 an ein halbes Jahr voll konzentriert und ganztätig an den Songs arbeiten konnten. Das hört man der Platte aber auch an.5:14
Warum eigentlich die „Eindeutschung“ „Rekreatur“? Andere hätten das Album Recreature genannt…
(alle lachen) Andreas: das hat vor allem damit zu tun, dass wir in unsere Musik viele verschiedene kulturelle Einflüsse und Stile verarbeiten und diese auch in die Texte einfließen lassen. Daher hat jeder seine eigene Interpretationsmöglichkeit des Titels. Es ist halt eine künstlerische Freiheit, die wir uns rausnehmen.
Habt Ihr eigentlich ein Faible für Sänger aus dem Berliner / Brandenburger Raum? Helge war ja auch gebürtiger Berliner (Steglitz) und Robse kommt aus Frankfurt/Oder?
(Gelächter) Sandra: Helge ist aber, zu unserer Ehrenrettung, in München aufgewachsen und da seine ganze Zeit verbracht.
Rene: Die Berliner Mentalität hat man bei Helge eh nicht mehr gesehen. Wenn man mal Freunde und Bekannte von Robse trifft, merkt man schon die andere Mentalität, Freundlich- und Herzlichkeit der Leute hier aus dem Raum. Das ist schon ein Unterschied. Deshalb haben wir uns auch für Robse als Frontmann entschieden, da er neben seinen ganzen positiven Eigenschaften auch ein super Frontmann ist.
Hat ja auch ein Gutes. Dann braucht man bei Euren Gigs keine Angst mehr vor bayerischen Fahnen und Lobeshymnen auf den FCB zu haben…
(großes Gelächter)
Als Bonus hattet Ihr auf „Rekreatur“ ja einige Eurer Songs als Akkustikversion drauf, wo mir vor allem „Blut im Auge“ sehr gut gefiel. Ist das mal eine Option, Equilibrium unplugged?
Sandra: Da im letzten Jahr sehr viel passiert ist, ist das nicht unser primäres Ziel, so was auf die Beine zu stellen. Natürlich gibt es eine Menge Optionen, was wir in Zukunft noch alles ausprobieren könnten. Wir sagen eigentlich zu nichts grundsätzlich nein.
Rene: Uns schwirrte die Idee für die Bonus CD schon länger im Kopf herum, aber vorwiegend sind wir natürlich eine Metalband, die live mit am stärksten ist. Vielleicht ist das mal eine Alternative, wenn wir älter sind und eh nur noch im sitzen spielen können. (Gelächter)
Warum musstet Ihr mich eigentlich als bekennender Instrumental Hasser mit „Mana“ von „Sagas“ und vor allem dem kurzen Epos von Eurem neuen Album so ärgern? Vor allem der Titel ist verdammt irreführend, bei 13 Minuten Spielzeit…
(Gelächter) Sandra: Rene muss sich doch wenigstens bei einem Song richtig austoben dürfen…
Rene: Jeder unserer Songs hat gewisse Strukturen, die ganz klar definiert sind. Bei diesen Instrumentals kann ich einfach mal loslegen, ohne groß nachdenken zu müssen. Deshalb werden die wahrscheinlich auch immer so lang, hahaha. Manchmal merke ich dann auch, dass da soviel Material für ein eigenständiges Album bei ist…
Sandra: Da werden wieder die ganzen Hits verbraten (lacht).
Rene: Und da ich dann einfach loslegen und loslassen kann, gebe ich da zum Schluss immer noch mal richtig Gas. Den Einen gefällt’s, den anderen nicht. Das ist halt Geschmackssache.
Du bist ja musikalisch sehr von Soundtracks beeinflusst…
Rene: Oh ja, da gibt es vieles, auch aus alten Filmen. Ben hur zum Beispiel ist da zu nennen oder von den Neueren „Herr der Ringe“ und „Gladiator“. Da ist soviel dahinter, da kann ich mich kaum entziehen. Ich bin generell offen für jede Art von Musik und verinnerliche diese teilweise total. Neulich habe ich mir den „Avatar“ Soundtrack zugelegt, der ebenfalls bärenstark ist. Es sind wirklich große Einflüsse vor allem wenn man die Parallelen zu unserer Musik sieht. Soundtracks erzählen ebenso eine Geschichte, wie es unsere Musik tut.
Heidenfest, Paganfest, Neckbreakers ball Tour.Einerseits Pagan / Viking, andererseits nun Deathmetal, Thrash und die Ziegen. Ist das nicht eine große Genugtuung, mit seiner Musik ein solch großes Spektrum abzudecken?
sandra: Uns war anfangs schon etwas bang, da die Geschmäcker der Leute gerade im Metal teilweise verdammt unterschiedlich sind und wir im Vorfeld dieser Tour wirklich nicht wussten, was uns letztendlich erwarten würde. Doch auch wenn die Rundreise gerade am Anfang steht, waren die ersten Gigs großartig. Die Leute sind mitgegangen und haben eine Riesenparty gemacht, so dass uns vor den anderen Gigs nicht bange ist.
Rene: Viele Fans sind wirklich auf eine Richtung fixiert und manche Death Metal Fans werden mit uns vielleicht auch nichts anfangen können. Doch wir haben schon gesehen, dass viele die vielleicht nur wegen Kataklysm da sind, bei uns tierisch abgehen und das obwohl sie im Vorfeld von uns noch nichts großartig gehört haben oder vielleicht dachten, dass ist nur so eine Sauf-Party-Metal Band (lacht).
Die Reaktionen, die ich bisher Euch gegenüber auf diesen ganzen Tourneen gesehen habe, waren teilweise mehr als euphorisch und allenorten hatte es den Anschein, dass viele nur wegen Euch gekommen waren. Warum dann nicht endlich mal eine richtige Headliner Tour?
Andreas: Es gab in diese Richtung schon einige Überlegungen und eine kleine Tour zusammen mit Suidakra in Spanien machen wir ja jetzt auch. Aber du hast schon recht und mit der nächsten Platte werden wir das mit Sicherheit auch in Angriff nehmen.
Rene: Diese Package Tourneen haben auch den Vorteil, dass uns Leute sehen, die vielleicht so sonst nie etwas von Equilibrium gehört haben oder hätten. Aber die Ambitionen einer eigenständigen Tour sind ganz klar vorhanden.
Ein Konzert, welches mir von Euch sehr prägend im Gedächtnis geblieben ist, war Euer Auftritt am 08.11.2008 im Rahmen der Heidenfest Tour im Postbahnhof. Da habt Ihr mit einem Drumcomputer gespielt…
Andreas: Oh scheiße (Gelächter).
Sandra: Weil unser Schlagzeuger das Pfeiffersche Drüsenfieber hatte. Echt übel. Da ging nichts mehr.
Rene: Wir hatten die Spuren noch von unseren Album und Demo Produktionen, die wir eigentlich nur ausgraben, vorbereiten und programmieren mussten. Es war keine glückliche Situation aber immer noch besser, als die Tour absagen zu müssen.
Sandra: Die Fans haben uns da auch von Anfang an total unterstützt und haben gesagt: Hey, ihr seid da, jetzt machen wir Party.
Andreas: Es gab sogar Konzerte, bei dem die Leute gar nicht registriert haben, dass da gar kein Schlagzeuger am Start war (lacht). Man hat sich damit arrangiert…und der Bühnensound war klasse (Gelächter).
Mit „Sagas“ seid Ihr in den Media Controlcharts auf Platz 30 eingestiegen und Helge verriet mir in unserem Interview damals, dass Ihr da eine große Grillparty gefeiert hättet. Mit „Rekreatur“ ging es sogar bis auf Platz 20. Hat da München gebrannt?
Rene: Gar nichts. Wir hatten absolut keine Zeit, irgendwas zu machen.
Sandra: Wir saßen sprachlos im Proberaum und konnten es überhaupt nicht fassen. Wir haben noch nicht einmal an dem Tag Robse 20. Geburtstag gefeiert. Ach nee, war ja der 30ste (Gelächter). 2011 sind es ja 10 Jahre Equilibrium und da gibt es ein dickes Fest, wo alles nachgeholt wird. Auf jeden Fall ging dieser Chartentry runter wie Öl. Es kam nur eine SMS mit den Ziffern „20“. Es war unfassbar.
Wie geht’s weiter?
Rene: Wir machen die Tour, einige Festivals und werden uns erstmal voll auf „Rekreatur“ konzentrieren, da diese Platte aufgrund der ganzen Veränderungen schon etwas Besonderes für uns ist. Danach werden wir uns hinsetzen und wie wild Songs schreiben, um auch die Zeitspanne zwischen den Alben nicht allzu groß werden zu lassen. Ich hoffe auf 2012.
Letzte Frage an Dich Sandra. Ich habe gelesen, Du engagierst Dich für PETA. Wie weit geht da Dein Engagement?
Sandra: Nicht soweit, wie ich es gerne wollte und möchte, da wir einfach mit der Band sehr eingespannt sind. Aber Rene und ich als überzeugte Vegetarier würden schon gerne mehr in diese Richtung machen. Auch der Aufruf an alle: Wer mitmachen will, melde sich einfach.