Der Kult hat einen Namen
Jeder von Euch hat mit Sicherheit eine Band, mit der er Jugenderinnerungen verknüpft. Bei mir sind es unter anderem Tankard, die in der Hierarchie deutscher Thrash Bands bei mir immer an erster Stelle stand. Fragt mich nicht warum, aber mir gefiel dieser crunchige Gitarrensound, die meist nicht ganz ernst gemeinten Texte, die Coverartworks und die doofen Gesichter meiner Mitschüler, wenn aus meinem Walkman die brachiale Soundwand eines „Chemical invasion“ Albums über den Schulhof donnerte. Dazu dann noch unvergessliche Konzerte, wie 1988 im Quartier Latin, als ich mir strunzenhackedicht beim bangen die Birne am Bühnenrand eingeschlagen habe (die Narbe ziert immer noch mein schönes Frontend…) oder als kurz nach dem Mauerfall in der Werner-Selenbinder-Halle tausende ausgehungerte Thrash Brüder und Schwestern den Klängen der Alcoholic-Metal Pioniere ihren Tribut zollten. Doch leider war der Thrash dann Mitte der Neunziger dank diesem Scheiß Geschrammel aus Seattle so gut wie klinisch tot und nur wenige haben diesen Exitus überlebt. Bands wieKreator, Destruction oder Sodom feiern immer noch grandiose Erfolge, wo hingegen Tankard ein wenig in den Hintergrund gerückt waren. Sie waren zwar immer da, aber irgendwie auch nicht…
Nun haben die Hessen dennoch in dieser recht trostlosen Zeit eine Menge guter bis hervorragender Scheiben der Marke „Thirst“, „Two-faced“, „Stone cold sober“ oder „The tankard“ veröffentlicht, die allesamt gerühmt wurden, dennoch hinter vielen anderen Gruppen, mit denen Tankard den gemeinsamen Weg gegangen war, hinterher humpelte. Völlig zu Unrecht, denn an Bissigkeit und Ironie mangelte es dem Vierer zu keinem Zeitpunkt. Und nun, 25 Jahre und einem tollen neuen Album namens „Vol(l)ume 14“ später, sind die Jungs immer noch da und spielen vor vollen Häusern und altgedienten Thrash Veteranen, zu denen auch ich mich zähle, ziehen neues Publikum und schreddern immer noch, was das Zeug hält. Nicht zu vergessen, dass Frontmann Gerre neben seiner Radikaldiät auch noch durch seine Tätigkeit als Rock-Hard-DVD-Kommentator zusammen mit ex-SodomDrummer Bobby Schottkowski zum absoluten Kultstar der Metal Szene geworden ist. Fazit: Tankard sind immer noch da und werden uns auch noch ein paar Jährchen erhalten bleiben…und das ist gut so.
Mir jedenfalls war es eine Ehre und Vergnügen, vor dem fabelhaften Gig im Berliner K17 ein wenig mit Gerre zusammen zu sitzen, um ihm ein paar Löcher in seinen mittlerweile recht zusammengeschrumpften Bauch zu fragen. Hier das Ergebnis.
Der 29.04.2006…der größte und wichtigste Tag in der Tankard History?(Der Tag des Pokalfinales mit der Einracht und die Hessen performten „Schwarz weiß wie Schnee“ im Vollplayback vor der Eintracht Kurve…)
Naja…es war ein bewegender Tag, hahaha. Die Story die sich dahinter verbirgt war cool. Für den 100 Jahre Sampler der Eintracht im Jahr 1999 haben wir einen alten Fangesang der Kurve namens „Schwarz weiß wie Schnee“ auf Papier gebracht, einen Song drum gebastelt und eingereicht, der skandalöserweise nur den zweiten Platz belegte. Danach verschwand der Song eigentlich in der Versenkung, doch nach dem Pokal-Halbfinale gegen Bielefeld lief das Ding auf einmal im Stadion. Ich war ja auch da und dachte nur: Was ist denn jetzt los? Hahaha. Dann haben wir die Einladung fürs Pokalfinale bekommen. Es gab dafür auch kein Geld, aber es war einfach sensationell. So was vergisst du nie.
Und wohin geht dieses Jahr der Weg der Eintracht? Auch sehr interessant für meinen Kollegen Langhammer, der selbst einer merkwürdigen Liebe zur Eintracht frönt…
(legt seine Stirn in Falten) Das ist sehr schwer zu prognostizieren. Es wäre einfach nur schön, ins Stadion zu gehen, ohne jedes Mal einen Herzanfall zu kriegen. Eine ruhige Saison wäre schön. Für ganz oben wird es nicht langen, denn dazu fehlt einfach die Substanz.
1986 „Zombie attack“, 2010 „Vol(l)ume 14“. Satte 24 Jahre liegen dazwischen. Kannst Du Dir selber manchmal unter Betrachtung dieser gewaltigen Jahreszahlen erklären, warum Ihr immer noch dabei seid?
Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Früher haben wir über den Spruch gelacht, aber es ist tatsächlich so. Es macht einen schon stolz, noch da zu sein, gerade wenn man sich die schlimmen Jahre Mitte bis Ende der Neunziger ansieht, wo Thrash Metal nicht mehr ganz so angesagt war und wir kaum bis gar keine Gigs gespielt haben. Doch wir haben unbeirrt unser Ding durchgezogen und sind jetzt hier. Schau Dir doch einfach das neue Cover Cover an. 14 volle Flaschen sind in einem 20er Kasten, also könnt Ihr noch 6 vollständige Platten erwarten…Minimum. Wenn die dann voll ist überlegen wir, uns entweder aufzulösen oder eine neue Kiste zu beginnen, hahaha.
In meinem Review habe ich geschrieben, das Deine Stimme auf dem neuen Album frischer und fitter denn je klingt. Hat das was mit Deinem enormen Gewichtsverlust zu tun?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben diesmal mit Michael Mainx (u.a. Onkelz) zusammengearbeitet und unglaublich viel an den Vocals gearbeitet. Naja…er hat mich ziemlich in die Mangel genommen, hehehe. Es war aber keinesfalls nervig, vielmehr hat mich das ganz schön nach vorne gebracht. Frischer? Hmmm, ich weiß nicht. Wir haben einfach viel Wert auf meine Stimme gelegt, viel experimentiert, auch mit Clean Vocals, wie bei „Weekend warriors“ und herausgekommen ist das da. (Zeigt auf das Shirt mit dem neuen Cover am Merchstand)
Wie schafft Ihr eigentlich den Spagat zwischen ernsten Songtexten wie „TV Hero“ oder „Black plague“ hin zu Krachern wie „Chemical invasion“ oder „Becks in the city“…
Der eigentlich „Speed metal dating“ heißen sollte, doch während wir den Song aufnahmen merkten wir an einer Textzeile, in der die Serie „Sex in the city“ angesprochen wird, dass „Becks in the city“ einfach…nun ja…besser zu uns passen würde (lacht). Wir machen das ja schon seit je her, dass wir einerseits auch ernste Themen anpacken, was auch zumeist von den Fans positiv aufgenommen wird.
Obwohl der geneigte Tankard Fan eigentlich mehr die Gassenhauer hören möchte…
Und dennoch kann man auch ernste Themen mit Spaß rüberbringen, denn das ist es was wir wollen. Spaß. Wir haben einfach Bock auf die Mucke und eine Menge Spaß daran. Das passt schon, auch wenn wir manchenorts damit nicht ernst genommen werden, doch sollen wir uns böse auf die Bühne stellen? Das geht doch gar nicht.
Wir waren denn die allgemeinen Reaktionen auf das neue Album?
Eigentlich wie immer. Von „weltbewegender Revolution“ bis „wie immer das Selbe“ (lacht). In manchen Mails wird der Sound etwas bemängelt, der im Vergleich zu unseren anderen Platten wirklich etwas anders geworden ist, doch ich stehe da voll und ganz hinter. Ich lasse momentan die Reaktionen erst einmal sacken.
Doch Deine Körpersprache sagt ganz klar: Vollste Zufriedenheit…
Kann man so stehen lassen. Die Produktion geht bei uns ganz klar back to the roots. Ich kann dem Trend mit all den getriggerten Schlagzeugen und aufgeblasenen Sounds überhaupt nichts abgewinnen.
Nachdem was und wie Du es erzählst muss die Frage erlaubt sein, ob sich in der Zeit der illegalen Downloads dieser Aufwand überhaupt noch lohnt, wenn man bei einer solchen Produktion eh am Ende, wenn man Glück hat, bei Plus Minus Null wieder rauskommt?
Natürlich, denn ich habe keine Lust, 20 Jahre mit ein und demselben Liveset umher zu tingeln. Verdienen tun wir dabei wirklich Null Komma Null, doch allein die Entstehungsphase eine neuen Songs ist spannend genug, es immer wieder zu versuchen und durchzuziehen. Es gehört einfach zur Weiterentwicklung dazu.
Zwischendurch muss Gerre immer wieder Autogramme schreiben und unweigerlich kommt das Gespräch mit den Fans auf seine Mitwirkung an den Rock Hard DVDs mit seinem kongenialen Co-Moderator Bobby…
Ist das wirklich so eine Freundschaft zu Bobby, die auf der Mattscheibe so rüberkommt?
Wir haben privat schon Kontakt und telefonieren ab und zu, doch nicht dreimal am Tag (lacht). Nächste Woche drehen wir wieder.
Wie seid ihr überhaupt an diesen Job gekommen?
Wir sind schlicht und ergreifend gefragt worden. Nach den ersten Szenen in dem Kiosk, die erst nach einem terminlichen Hickhack zustande gekommen waren, war eigentlich nichts weiter geplant. Doch dann rief der Götz (Kühnemund-Rock Hard Chefredakteur-der Verf.) an und meinte, dass wir aufgrund der riesigen Resonanz weitermachen sollen. So sind wir dann aus der Sache nicht mehr rausgekommen. Vielleicht bringen wir irgendwann mal eine DVD raus mit all den zensierten und nicht jugendfreien Dingen, die noch im Keller lagern (lacht). Es gab da tatsächlich eine Firma in NRW, die mit uns da was machen wollte, doch aufgrund unserer Arbeit und den Bands, naja, einer Band (grinst) und den ganzen Terminen, war das einfach nicht zu machen.
Zurück in die Vergangenheit. 1990 habt Ihr Euer damals größtes Konzert in der Werner-Selenbinder-Halle noch vor der Wiedervereinigung gespielt. Die Halle war restlos ausverkauft und Tausende haben Euch zugejubelt. Im Vergleich zu heute, wo Ihr wieder durch Clubs zieht, wie war das Gefühl damals? Man muss sich doch vorgekommen sein, als ob man die absolute Spitze erreicht hat…
Naja, uns war schon klar, dass das ein besonderer Event werden würde. Es war das erste große Thrash Festival nach dem Mauerfall und ein besonderer Moment, doch wir waren realistisch genug um einzusehen, dass es auf diesem Level natürlich nicht weitergehen konnte. Fünf Jahre später hat es dann eh keinen mehr interessiert. War schon hart, aber so schnell kann es gehen.
Wenn man sich die Großen der Deutschen Thrash Szene mal genauer anschaut, dann haben Destruction, Sodom und Kreator immer noch immense Erfolge, fahren große Tourneen, wo hingegen Tankard leider immer noch ein kleinen Nischendasein fristen. Ärgert Dich das?
Eigentlich nicht. Wir sind alle berufstätig und können gar keine großen Rundreisen machen. Wir nehmen alles mit und haben auch schon Gigs mit den von Dir genannten Bands gespielt und es hat alles wunderbar funktioniert. Formulieren wir es mal so, dass große Thrash Revival ist auch an uns nicht spurlos vorbei gegangen (grinst). Wir waren gerade erst in Venezuela, Kolumbien…das sind schon alles geile Sachen. In zwei Wochen geht’s in die Türkei, im Sommer nach Thailand. Wir kommen schon viel rum und sind zufrieden. Guck mal, gestern in Karlsruhe waren 600 Leute da, heute wird’s voll. Es ist wie in alten Zeiten, dass ist schon geil.
Gibt es eigentlich nach 14 Jahren mal wieder das Bedürfnis, eine Tankwart CD aufzunehmen? Gerade jetzt, wo solche „Spaß“ Bands wie Onkel Tom große Erfolge feiern, wäre das doch ein logischer Schritt.
Das Projekt ist mehr oder weniger auf Eis gelegt. Die anderen Jungs hatten auch einfach kein Bock mehr, irgendwelche Songs nachzuspielen. Nun soll man ja nie nie sagen, denn wenn ich eines Morgens mit DER sensationellen Idee aufwache, was man unter dem Banner Tankwart noch machen könnte…wer weiß. Aber momentan gibt es diesbezüglich keine Pläne.
Zu guter Letzt hätte ich gerne drei Statements zu meinen Lieblingsscheiben von Euch. Fangen wir an mit „Two-faced“ (1994).
Oha, das ist ja ein Ding, da die Platte meist hinten runterfällt. „Two-faced“ war ein Versuch, ein wenig von dem Fun Image wegzukommen und etwas Ernsteres zu machen. Auch das Cover…naja…jedenfalls ist das total nach hinten losgegangen. Aber trotzdem eine saucoole Platte. „Nation over nation“ spielen wir immer noch live, auch heute Abend. Außerdem war das die letzte Platte mir Arnulf (Drummer)
Nummer zwei: „Chemical invasion“ (1987)
Die Songs waren schon etwas älter und sind teilweise schon während „Zombie attack“ entstanden. Daher hatten einige Songs auch noch diesen punkigen Touch. Unser absoluter Durchbruch. Allein das Intro kriegt man so nie wieder hin. Ich mag die Platte auch sehr gerne (grinst).
Last but not least: „The morning after“ (1988)
Die erfolgreichste Platte. Sehr fieser Gitarrensound, tolle Songs. Wir hoffen, all die alten Scheiben bald mal neu auflegen zu können, da die Rechte mittlerweile bei Universal liegen. Es gibt wirklich viele junge Konzertbesucher, die gerne die alten Sachen haben würden, aber einfach nicht rankommen. Wie gesagt, tolle Platte, aber „Chemical invasion“ gefällt mir einfach besser.
Vielen Dank für das Gespräch Gerre. Es war mir eine Ehre.