NACHDENKLICH UND MELANCHOLISCH
Harakiri For The Sky konnten mit ihrem neuen, am 19.02.2021 erschienenen Album „Maere“ innerhalb unserer „Zephyr´s Odem“ Redaktion Höchswertungen einfahren und so einiges an Staub aufwirbeln. Zeit für uns, den kreativen Kopf der Band J.J. mit ein paar Fragen zu löchern.
Hey JJ, wie geht’s euch? Erstmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Könnte besser sein, aber dass es irgendwem in der aktuellen Situation gut geht, hätte ich bisher nicht allzu oft gehört. Irgendwie ist zur Zeit jeder am ziemlich am Arsch.
Euer neues Album „Maere“ steht in den Startlöchern und fährt bei Kritikern und Presse bisher sehr gute Noten ein. Auch bei uns seid ihr ja mit 9,5 Punkten ganz gut weggekommen. Könnt ihr uns ganz kurz in eigenen Worten was zum neuen Album sagen? Was unterscheidet die aktuelle Platte vom Vorgänger? An welchen Stellschrauben habt ihr gedreht, um den Sound von Harakiri For The Sky voranzutreiben?
Also ich persönlich finde, dass „Arson“ um einiges aggressiver ausgefallen ist als „Maere“, auch was die Texte betrifft. Bei „Arson“ wird viel Schuld zugewiesen, auf Charaktere aus meiner Vergangenheit mit dem Finger gezeigt und ist deshalb sehr anklagend. „Maere“ ist eher in sich gekehrt, nachdenklich und melancholisch. Sowohl musikalisch als auch textlich. Ich glaube das ist so der wesentlichste Unterschied. Was den Sound betrifft, so denke ich haben wir uns auf „Maere“ noch etwas mehr ins Zeug gelegt und konnten durch die viele Zeit, die wir für die Mixes aufgewandt haben, noch einiges herausholen. Für mich soundtechnisch wohl unsere ausgereifteste Platte.
Ihr seid ja eine recht produktive Band. In knapp 10 Jahren Harakiri For The Sky kommt Eure Diskographie immerhin schon auf fünf Alben. Bis auf Ausnahme des neuen Meisterwerkes kam in schöner Regelmäßigkeit von zwei Jahren ein neues Album auf den Markt. Wie kommt das? Steckt da ein bestimmter Plan dahinter? Setzt ihr Euch immer eine Deadline für ein neues Album?
Nein, das ist reiner Zufall. Wir haben eben beide recht viel Output. Eigentlich hätte das Album ja schon im September erscheinen sollen, weshalb das mit dem zwei Jahresrhythmus ohne Corona eigentlich ganz gut geklappt hätte. Sowas wie eine Deadline gibt es im Normallfall aber nicht. Nur möchte man als Künstler sein Werk der Welt meist so schnell wie möglich präsentieren und arbeitet deshalb meist unaufhörlich an den Song, bis man eben damit zufrieden ist. Vorher lässt einem das Ganze sowieso keine Ruhe.
Für das ansprechende Cover-Artwork zu „Maere“ zeichnete sich der mir relativ unbekannte Künstler „Art of Maquenda“ verantwortlich. Gibt’s es einen tieferen Sinn in der Darstellung des „häutenden Wolfes“ und wenn ja, welche Intentionen stecken dahinter?
Art of Maquenda ist eine junge Künstlerin aus den Niederlanden, und wirklich noch recht unbekannt, obwohl sie echt cooles Zeug macht. Zuletzt hat sie zum Beispiel einige wirklich tolle Projekte vor dem Hintergrund des Romans „Watership Down“ gemacht, an welchem auch etwa FALL OF EFRAFA ihr Bandkonzept orientierten. Der gehäutete Wolf selbst soll als Metapher stehen, auch was die Zeit betrifft, in der wir leben, den Rest kann sich jeder selbst zusammen denken. Wir verfolgen bei HFTS schon seit Beginn an das Konzept mit Tieren auf dem Cover, da kam uns diese Idee wie gerufen. Einen Wolf hatten wir schließlich noch nicht.
Als eine „Maere“ bezeichnete man im Mittelalter eine erzählende Versdichtung, im Prinzip eine eher unglaubwürdige, unwahre oder gar seltsame Geschichte. Folgt das lyrische Konzept dieser alten Versdichtung? Bauen die Texte evtl. sogar auf unwahre oder unglaubwürdige Geschichten auf, oder was hat es mit dem Albumtitel auf sich? Steckt evtl. sogar eine Art Konzept hinter dem Album?
Eigentlich beziehen wir uns mit dem Titel eher auf das Schreckgespenst „Maere“, das im Mittelalter oft als eine Art Ghoul dargestellt wurde der einem des Nachts auf der Brust sitzt und einen davon abhält einzuschlafen beziehungsweise wenn doch, zumindest schlecht träumen lässt. Für mich ist das eine perfekte Metapher für meine Texte, da auch diese, und vor allem die Geschichten dahinten mich nicht selten um den Schlaf bringen.
Sämtliche Songs von Euch leben klanglich einfach von einer unglaublichen Schwermut, einem enormen Tiefgang und einer abgrundtiefen Melancholie. Ich persönlich, stelle es mir unheimlich schwer vor, immerzu in diesem eher traurigen künstlerischen Ausdruck zu agieren. Woher kommt, prinzipiell die ständige Inspiration um solche, zumindest soundtechnisch eher „Lebensverneinenden“ Klanglandschaften zu erschaffen?
Ich denke, dass Traurige und Melancholische liegt bis zu einem gewissen Grad unseren Charakteren zu Grunde, auch wenn sich das bei M.S. und mir etwas unterschiedlich äußert. Ich weiß auch nicht, irgendwie liegt es in der Natur des Menschen, und somit auch in der Natur der Kunst sich immer eher mit schwermütigen Themen auseinander zu setzen als mit jenen die einen erheitern. Um es sich leichter Leben zu lassen greift der Mensch eher zu Rauschmitteln und/oder lässt sich von der Gewalt der Natur inspirieren. Im Grunde seines Wesens hadert er jedoch mit der Endlichkeit, weshalb die Melancholie aus der Kunst wohl kaum weg zu denken ist.
Wie entstehen Euere Songs? Seid ihr eher so die typische „Proberaum“ Band und schreibt die Songs dort gemeinsam, oder erschafft ihr Eure Kreation jeder für sich daheim oder gibt es sogar eine gewisse Art Arbeitsteilung zwischen Euch beiden?
Nein gar nicht. Also M.S. und ich arbeiten immer unabhängig voneinander an unseren Beiträgen, auch wenn ich die Texte am Ende natürlich etwas an die Songs anpasse. Generell schreibt aber er die Musik alleine, und ich komme mit meinen Texten erst dazu wenn alles fertig ist.
In den letzten Jahren hat sich der Markt wieder vermehrt in Richtung Vinyl entwickelt und auch ihr bietet Eure Kunst auf Schallplatte an. Ich, als Jäger und Sammler und völliger „Musik-Nerd“ finde das absolut Großartig und freue mich schon total auf die Vinyl-Box von „Maere“. Wie steht ihr zu dem Ganzen? Wie wichtig ist euch ein stimmiges und wertiges Package? Wie steht ihr Streamingdiensten im Allgemeinen gegenüber?
Ich finde es soll jeder Musik so konsumieren, wie es sich für ihn richtig anfühlt. Ich kann es verstehen, wenn man etwa mit Freunden zusammensitzt, sich unterhält und trinkt auch Streamingdienste ausreichen, um das Beisammensein musikalisch zu unterhalten. Generell bin ich aber Vinyl Verfechter, und würde mir etwa auch nie eine CD kaufen. Deshalb sind Platten für mich das um und auf, vor allem Special Editions oder Splatter Vinyl finde ich schon sehr ansprechend. Weil ich aber relativ viele Platten kaufe, nehme ich meist die Standard Version, da mir das Ganze sonst zu teuer wird. Kommt immer darauf an, wo man seine Prioritäten setzt (grinst). Aber allein schon das große Cover und alles, hat Vinyl für mich schon als Teenager attraktiv gemacht.
Eigentlich wollte ich das Thema umschiffen, jedoch ist unsere Aller Leben zurzeit permanent davon betroffen und auch entsprechend beeinflusst. Die Corona-Pandemie hängt wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. In wie weit seid ihr als Band davon betroffen? Hattet ihr Pläne, welche nun nicht umsetzbar oder verschoben sind und warum veröffentlicht ihr das neue Album gerade jetzt, mitten in der Pandemie, ohne die Aussicht zu haben, dieses auch Live entsprechend präsentieren und promoten zu können?
Komplett. Wir wären letztes Jahr in den USA, Kanada und Südamerika getourt, konnten aber bis auf eine kurze Tour in Russland und zwei kleineren Festivalshows im Sommer nichts davon wahrnehmen. Ist halt echt kacke, weil USA Tour und hin und her sowieso schon immer eine Menge Aufwand ist wegen Visum und so weiter, und dann muss man das Ding einen Monat vorher wegen einem scheiß Virus wieder absagen, das ist irrsinnig ärgerlich. Das Album wollten wir schon im September veröffentlichen, und nach zweimaligem nach hinten verschieben reicht es uns jetzt einfach, da sich noch nicht gerade Besserung ankündigt.
Apropos Live Auftritte. Da ihr die Band ja „nur“ als Duo betreibt, ist es sicher nicht immer ganz leicht, ein stabiles Live Line-Up auf die Beine zu stellen. Wie wichtig sind euch Live Auftritte mit Harakiri For The Sky, bzw die Möglichkeit, Eure Kunst vor einem Publikum zu präsentieren und sich ggf. auch mit demselben auszutauschen?
Das hat bei uns die letzten Jahre bis auf wenige Touren und Konzerte eigentlich immer recht gut funktioniert mit dem Live Line-Up. Ist aber halt wirklich nicht selbstverständlich, weil die ganze herumtourerei echt zeitaufwendig ist. Daneben etwa einen 40-Stunden Job zu machen ist halt wirklich anstrengend. Für HFTS sind Live-Auftritte aber unumgänglich, weshalb wir, sobald es möglich ist, wieder jede Menge Konzerte spielen werden.
Du bist ja neben Harakir For The Sky auch noch sehr aktiv mit Karg bei der Sache. Genaugenommen ist Karg sogar die ältere Band. Für meine Begriffe unterscheiden sich beide Bands musikalisch aber gar nicht so sehr voneinander, bzw. sind die Grundzutaten oft die gleichen. Welches Kriterium entscheidet darüber, für welche Band der Song nun letztendlich ins Rennen geht?
Ich finde, das ist, wenn dann erst mit den letzten 3,5 Alben passiert, dass Karg da in eine ähnliche Richtung geht, obwohl für mich als Musiker in beiden Bands der Unterschied trotzdem recht groß ist, meine Stimme mal außen vorgelassen, die klingt natürlich recht ähnlich in beiden Bands. Was das Songwriting betrifft so unterscheiden sich meine und M.S. Herangehensweise aber gravierend. Nur klar, es ist dasselbe Genre, deshalb wird es wohl immer eine gewisse Ähnlichkeit geben. Aber da für Karg alle Songs von mir alleine geschrieben werden (das Schlagzeug ausgenommen) und bei HFTS alle von M.S. gibt es da keine Eventualitäten, meine Songs fließen in Karg und seine Songs in HFTS.
Dann sind wir auch schon am Schluss angekommen. Ich danke Euch recht herzlich für Eure investierte Zeit, möchte Euch hier aber unbedingt noch ein wenig Raum und die Möglichkeit geben, selbst zu Wort zu kommen. Gibt es irgendwas, was wir evtl. nicht angesprochen haben, was euch brennend auf der Zunge liegt, oder Ihr den Fans und Lesern unbedingt mittteilen möchtet? Dann haut mal raus.
Nein nicht wirklich. Danke schon mal für das Interview, waren einige interessante Fragen dabei. Grüße an den Lars von Decembre Noir, der ja was ich mitbekommen habe ein guter Kumpel von Eurem Chef ist.