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PATRIARKH - Пророк Илия / Prorok Ilja (2025)

(9.289) Olaf (8,5/10) Black Metal


Label: Napalm Records
VÖ: 03.01.2025
Stil: Black Metal






Icke und Black Metal, doch einer meiner Neujahrsvorsätze lautete, etwas aufgeschlossener gegenüber Unbekanntem zu sein. Außerdem war ich von Batushka bei Party San mächtig beeindruckt und war gespannt, wie der Nachfolger des wirklich großartigen 2019er Album „Hospodi“ unter dem neuen Banner Patriarkh ausfallen würde. Doch dann kam wieder die Verwirrung auf. Sind das nun DIE Batushka, die ich 2024 insgesamt 3x live sah? Nein, sind sie nicht und bevor es noch konfuser wird, will ich die Geschichte einleitend kurz aufdröseln.

Bandgründer Krzysztof Drabikowski verließ die Band nach besagtem zweiten Album, worauf sich sein kongenialer Partner Bartlomiej Krysiuk dazu entschloss, unter dem gleichen Bandnamen weiterzumachen. Das passte aber Drabikowski nicht und so entbrannte ein Rechtsstreit, den der Bandgründer gewann, der vorher unter dem Namen Krzysztof Drabikowskis Batushka durch die Welt zog (und die ich halt gesehen habe) und nunmehr wieder die alleinigen Namensrechte besitzt. Dementsprechend war es an der Zeit, aus ehemals einer endlich zwei Bands zu machen und diese auch namentlich voneinander abzugrenzen. Sprich: Wir reden ab sofort auch von Patriarkh, die quasi aus allen ehemaligen Batushka Mitgliedern bestehen und nunmehr ihr Debüt „Prorok Ilja“ auf dem Markt bringen. Puuuh…alles klar soweit?

Das Album entführt die Hörer in die Welt von Eliasz Klimowicz, dem titelgebenden Propheten Ilja. Klimowicz, einst ein einfacher Bauer, avancierte später zum Anführer und Propheten der orthodoxen Grzybowska-Sekte, die bis in die 1960er Jahre aktiv war. Im Zentrum dieser Gemeinschaft stand der Kult um den selbsternannten Propheten. PATRIARKH setzen diese faszinierende Geschichte musikalisch um, indem sie ein breites Arsenal an volkstümlichen Instrumenten wie Tagelharpa, Mandoline, Mandocello, Drehleier und Zithern einsetzen.

Um den neuen Kompositionen einen möglichst authentischen und organischen Klang zu verleihen, arbeiteten PATRIARKH zudem mit einem Symphonieorchester und Chören zusammen. Das Herzstück des Albums ist die einzigartige Kombination aus orthodoxen Elementen und doomlastigem Black Metal, die PATRIARKH als ihren unverwechselbaren Trademark-Sound etabliert haben. Angereichert wird dieser Stil durch Einflüsse aus Folk, Neo-Dark-Folk und Filmmusik. Dabei erkundet die Band musikalische Gefilde, die im (Black) Metal bislang kaum berührt wurden, darunter byzantinische Monodie, liturgischer Gesang und russische Polyphonie. Diese volkstümlichen und liturgischen Melodien werden geschickt in den monumentalen Black-Metal-Sound integriert.

Aufgenommen wurde das Album im Januar und Mai 2024 in den renommierten Tall Pine Records Studios (Behemoth, Zalewski, Afromental), dem Heinrich House Studio (Behemoth, Vesania, Hate), dem Wem Studio (Kasa Chorych, Lukasyno, Cira) und dem Radio Białystok Studio. Für Mixing und Mastering war Wojciech Wiesławski vom Hertz Studio (Vader, Behemoth, Decapitated) verantwortlich. Die Produktion lag in den Händen von Bandkopf Bartłomiej Krysiuk.

Die Texte bieten eine spannende Mischung aus Theatertexten und pastoralen Elementen. PATRIARKH verwenden Fragmente des Stücks „Prorok Ilja“ sowie die Botschaften des polnischen Religionswissenschaftlers Włodzimierz Pawluczuk, kombiniert mit volkstümlichen und liturgischen Texten. Diese Textelemente sind in verschiedenen Sprachen zu hören – zum ersten Mal auch auf Polnisch. Bartłomiej beschreibt die Scheibe als „ein Album voller eindringlicher Sentimentalität und obskurer Folklore“. Es sei „pastoral, lyrisch, episch, multidimensional und ebenso vielfältig, wie auch die Region Podlasie vielfältig ist“. So viel zur Theorie, aber taugt das Teil auch was?

Von der ersten Sekunde an fesseln PATRIARKH mit einem Sound, der die orthodoxe Sakralität russischer Chöre mit der Kälte des Black Metal vereint. Пророк Илия („Prorok Ilja“) klingt wie eine Reise in eine jahrhundertealte Kathedrale, in der die Flammen dunkler Geheimnisse lodern. Hier wird nicht nur Musik geschaffen, sondern eine spirituelle Erfahrung geboten – allerdings eine, die Zeit und Raum braucht, um sich voll zu entfalten. Dieses Album hält den Hörer fest, verlangt Aufmerksamkeit und belohnt die ihm dargebrachte Geduld.

PATRIARKH schaffen etwas, das nur wenigen gelingt: Black Metal für Nicht-Black-Metal-Fans zugänglich zu machen. Die Arrangements sind vielschichtig, von einer tiefen Sakralität durchzogen und doch treibend genug, um Kopfnicker und Fans heftigerer Klänge gleichermaßen zu begeistern. Besonders hervorzuheben sind die Stellen, an denen weiblicher Gesang in die ansonsten düstere Klanglandschaft eindringt. Diese Passagen laden zum Träumen ein und wirken wie ein Lichtstrahl inmitten eines sonst finsteren Himmels.

Das Album bewegt sich zwischen harscher Kälte und wärmenden Melodien. Gerade diese Wechsel machen den Reiz aus – es ist eine Gratwanderung zwischen spiritueller Erhebung und brachialem musikalischem Schlag ins Gesicht. Die Gitarren klingen wie Schneestürme, das Schlagzeug wie das donnernde Echo eines Gebets, und darüber schwebt eine Stimme, die mal predigt, mal flucht. Natürlich ist Пророк Илия keine einfache Kost. Wer schnelle, eingängige Hörgenüsse erwartet, wird enttäuscht. Dieses Werk verlangt nach Ruhe und einem wachen Geist. Es ist wie ein guter Rotwein – nicht zum schnellen Hinunterkippen, sondern zum langsamen Genüssen. Doch wer sich darauf einlässt, wird reich belohnt.

Ich muss zugeben: Wenn Black Metal immer so wäre, könnte ich glatt Fan werden. Hier stimmt einfach alles – die Dramatik, die Atmosphäre und der Mut, Genregrenzen zu sprengen. Dieses Album hat mich nicht nur musikalisch, sondern auch emotional abgeholt. Vor allem die sakralen Elemente geben dem Ganzen eine Tiefe, die ich so nicht erwartet hätte.

PATRIARKH überzeugen mit Пророк Илия auf ganzer Linie. Dieses Album ist wie eine dunkle Messe: unheimlich, ergreifend und absolut faszinierend. Selbst Black-Metal-Skeptiker sollten einen Blick wagen – oder besser: ein Ohr riskieren. Es ist keine leichte Kost, aber genau das macht den Reiz aus. Wer sich die Zeit nimmt, wird in eine Klangwelt gezogen, die zum Träumen, Nachdenken und Kopfnicken einlädt. Kurz gesagt: Ein sakrales Klanggewitter, das definitiv im Gedächtnis bleibt.


Bewertung: 8,5 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Вершалин I / Wierszalin I
02. Вершалин I / Wierszalin II
03. Вершалин I / Wierszalin III
04. Вершалин I / Wierszalin IV
05. Вершалин I / Wierszalin V
06. Вершалин I / Wierszalin VI
07. Вершалин I / Wierszalin VII
08. Вершалин I / Wierszalin VIII



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