VENDETTA FEST 2019
04. und 05.10.2019 - Berlin @ Zukunft am Ostkreuz
Obwohl an diesem ersten Oktober-Wochenende in Berlin so einiges an Konzerten geboten wurde, gab es für mich und viele andere Freunde des schwarzen Undergrounds ganz klar nur ein Ziel: Das vom Plattenlabel um Chef STEFAN KLOSE jährlich veranstaltete VENDETTA-FEST in der Edition 2019. Die Bandauswahl verhieß wieder Großartiges und die bewährte Location am Ostkreuz passt mit ihrem Underground-Charme, den äußerst moderaten Essens-/Getränkepreisen und einer völligen Entspanntheit der Leute wie das Bulls-Eye auf’s Dartbrett. Los geht’s mit Tag 1:
Wer beim Opener SUNKEN auch nur eine Sekunde zu spät kam, konnte sich hinterher nur in den Allerwertesten beißen. Was die Jungs aus dem dänischen Ârhus hier für eine Wand auffuhren, war eines Headliners würdig. Mit überragenden Songs ihrer Scheibe „Departure“ im Rücken, lösten sie wahlweise absolute Begeisterung als auch runtergeklappte Kinnladen aus. Das der Sound (wie auch bei allen anderen Bands) vom Allerfeinsten war, begünstigte die beeindruckende Performance von SUNKEN zusätzlich. Atmosphärischer Black Metal in seiner grandiosesten Form. Bitte bald wiederkommen Jungs.
Ebenfalls aus Ârhus dann die zweite Band des Abends – GESPENST. Die Herren verbinden skandinavischen Black Metal mit Funeral Doom und Elementen des Dark Ambient. Stilecht zum Bandnamen ist der Sänger maskiert, was wirklich passend wirkt. Die Songs ihres bisher einzigen Albums „Forfald“ sind sehr beklemmend und eher in langsamerem Tempo verankert. Im Mittelpunkt steht ganz klar Sänger Galskab, der ein beachtliches Stageacting hinlegt. Leider verspielen sich die Jungs mitten im Set, was von den Leuten vor der Bühne aber keinesfalls negativ aufgenommen wird. GESPENST machen einfach mit dem nächsten Song weiter und erzeugen trotzdem eine starke dreiviertel Stunde.
Was danach LEECHFEAST aus dem holländischen Nijmegen auf die Stage bringen, habe ich in der Art und Weise noch nicht gesehen. Hier wird Drone Doom in seiner intensivsten Art regelrecht zelebriert. Die Langsamkeit der völlig speziellen Songs verläuft im Super-Slomo-Modus. Melodien - Fehlanzeige. Dagegen ein Frontmann, der nicht nur aussieht wie Jesus, sondern in seiner völlig entrückten Performance wie Selbiger am Kreuz leidet. Man starrt wie hypnotisiert Richtung Stage und ist für die Dauer des Gigs in einer völlig anderen Welt. Sehr schwere und suizidale Atmosphäre und nicht für die Lebensmüden unter euch geeignet. Für mich ganz klar ein Highlight am ersten Tag. Dafür, das solche Bands auf dem VENDETTA-FEST spielen, liebe ich es. Solcherart Underground gibt es nur hier.
VERHEERER aus Flensburg sind dran und haben just an diesem Abend Record Release ihres neuen Langeisens „Monolith“. Die Meute vor der Bühne ist zahlreich versammelt und feiert die Band ordentlich ab. Die Jungs spielen eine ganz eigene Art des Black Metal, der sicher eine gerüttelte Death-Schlagseite hat. Irgendwie fehlt mir aber der letzte Kick, um das Intensitätslevel der vorherigen Bands zu erreichen. Definitiv ein guter Auftritt, aber nicht mehr. So langsam braucht man Stehvermögen, denn noch stehen zwei Bands an. Also zwischendurch mal raus an die frische und verregnete Berliner Luft, ans leckere Buffet oder in den Merch-Raum, wo man mit allen beteiligten Musikern immer ein lockeres Schwätzchen halten kann. Auch Labelchef STEFAN ist jederzeit präsent und hat den formidablen Gang der Dinge stets im Auge.
SPECTRAL WOUND sind aus dem weit entfernten Montreal angereist und derzeit auf Europa-Tour. Sie haben so etwas wie eine Message: Sie verbreiten die Reinkultur des Black Satanic Metal. Basierend auf ihrem aktuellen Longplayer „Infernal Dekadenz“ lassen sie eine Feuerwalze über die Leute im Auditorium rollen, die alles vernichtet. Der völlig irre Schreigesang des Frontklotzes zerschneidet dich in mehrere Teile und deine Ohren nebenbei mit ab. Keine mystischen Schmonzetten, kein Gutmensch-Getue, einfach straightes Geballer direkt in die Fresse. Trotzdem ist Zeit für coole Gitarren, Breaks und theatralisches Gebaren des Fronters. Jeder Zuhörer ist geplättet ob des zu Sehenden und zu Hörenden. Ganz großes Abholzen.
Mittlerweile ist es eine Stunde nach Mitternacht und die letzten (Steh)Kräfte müssen mobilisiert werden. Keine geringere Band als AFSKY aus Kopenhagen gibt den Headliner und das völlig zurecht. Und so gut wie alle Konzertbesucher sind noch da und warten voller Spannung auf diese grandiose Black Metal Band. Mit ihrem Album „Sorg“ haben die Jungs um OLE LUK aber auch ein kolossales musikalisches Kleinod am Start, bei nichts schief gehen kann. Die Songs selbst, Ole’s acidartiger Gesang und die Licht-Nebel-Kombination auf der Bühne bescheren allen Zuhörern eine knappe Stunde allerhöchster Black Metal Wonne. Was AFSKY an Atmosphäre in den Konzertraum am Ostkreuz zaubern, ist allerhöchstes Champions League-Niveau. Man fühlt sich völlig vereinnahmt und hofft irgendwie, dass die Band nicht aufhört zu spielen. Die Zugabe verlängert die Ektase, um dann die Leute in die kalte, nasse Berliner Nacht auszuspucken. Auf dem Heimweg ist endlich Zeit, dass gerade Erlebte zu realisieren und die Gewissheit zu haben, einem sensationellen Abend beigewohnt zu haben. Zum Glück gibt es ja noch einen zweiten Tag.
Friesisch herb startet der zweite Tag mit FRIISK. Black Metal aus den Tiefen Ostfrieslands. Die Band gibt es erst seit einem guten Jahr. Aber routiniert wie alte Hasen überspielen sie den Ausfall einer Gitarre beim ersten Song. Zumal sie mit ihrer 5-Track-EP „De Doden Van’t Waterkant“ bockstarkes Material anbieten können. Fronthüne T. nimmt die halbe Bühne ein und FRIISK werden für ihr Hammer-Opening zurecht abgefeiert. Stark! Aus Münster kommend hauen uns NAXEN ihren mega-intensiven Black Metal um die Ohren. Der Gesang ist äußerst diabolisch, es gibt coole Breaks und die drei Herren können auch mal den Fuß vom Gas nehmen. Absolut stimmig zum Auftritt die neblig-blaue Bühnenatmosphäre.
Die Franzosen von LOTH brauchen keinen Nebel und Lichteffekte. Bei klarster Sicht auf die Bühne verabreichen uns die Jungs aus Metz einen einen kompletten Satz Klassenkeile. Songs wie von einer Stalin-Orgel, Gitarren und Drums wie Flakgeschütze und ein Frontmann F.S. wie von Sinnen. LOTH gehen zweifelsfrei als Überfallkommando durch, auch wenn der neue und letzte Song etwas ruhiger daherkommt, um dich in seiner letzten Minute einfach umzumähen. Absolute Live-Rakete!!!
Nach diesem Hyperblast lassen es CROWSKIN aus Potsdam 5 Gänge langsamer angehen. Im doomigen Kriechgang walzen sich die Songs wie Lava von der Bühne. Dazu mit Frontfrau Ulla eine Frontröchlerin, die zwar optisch aussieht, als wenn sie gerade von „Miss Sporty“ kommt, aber definitiv mit ihrem Gesangsorgan beeindruckt. Wohltuend für das Publikum, das endlich mal durchatmen kann.
IMHA TARIKAT haben mit ihrem diesjährigen Album „Kara Ihlas“ durchweg positive Resonanzen eingefahren. Hohe Erwartungen also bei vielen Festivalbesuchern. Pech für die Band, dass sich der Spielbeginn aufgrund technischer Probleme verzögert. Frontmann Ruhsuz scheint darob etwas angepisst. Das setzt er dahingehend um, dass er wie eine angestochene Wildsau shoutet und Gitarre spielt. Es wird gebrüllt und geballert, als gäbe es kein Morgen. Mir ein bisschen ‚to much’ und etwas anstrengend. Für die letzte Band reiche ich den Stift an meinen guten Freund Marcus Schmadtke weiter, Bitte Marcus:
Es ist fast 1 Uhr am Sonntagmorgen und es breitet sich ein wohliger Weihrauchnebel in der etwas leerer gewordenen Halle aus. ANTLERS haben ihren Altar eingeweiht und der kunstvoll inszenierte Bühnennebel stimmt auf den letzten Paukenschlag ein. Im Vorfeld des Festivals hatte die Band mitgeteilt, das dies hier ihr allerletzter Totentanz sein wird. Aber was für einer!!! Mit Gastgitarrist, aber ansonsten in gewohnt hochklassischer Besetzung, reißen die Leipziger alles nieder und geben absolut Vollgas. Alle Albenhighlights sind auf der Setlist und werden ohne viel Worte ins Auditorium gefeuert. Beim Übersong „Hundred“ übernimmt die Stimme von MORAST die kompletten Vocals, als wäre der Song auf seinen Leib geschneidert. Göttlich! Nach gut einer Stunde endet das Kapitel ANTLERS. Es bleibt zu hoffen, dass uns die Musiker dieser genialen Band in welcher Form auch immer erhalten bleiben und weiter für hochqualitativen Musikgenuss sorgen. Trotz eines dicken Trauerklosses im Hals sage ich einfach: Danke ANTLERS für diese faszinierende Reise mit Euch.
Somit endet ein diesjähriges wunderbares VENDETTA FEST und auch mir bleibt nur, Danke zu sagen an alle Bands, VENDETTA –Häuptling STEFAN KLOSE, alle fleißigen Helfer und die vielen Leute, die gekommen sind. Die Location ZUKUNFT AM OSTKREUZ ist wie gemalt für solch ein Fest und steht auch im nächsten Jahr wieder dafür bereit. Merkt euch den 2./3. Oktober 2020 vor. Wir sehen uns.